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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Dazu sind aber einige der Mönche zu ruhig, während die ande¬
ren, wenn sie bloße Zuhörer abgeben sollen, zu entsetzt und bewegt
erscheinen. Dennoch gehört das Bild zu den besten der Ausstellung.
Die verschiedene Charakteristik in den Gesichtern der Mönche ist vor¬
trefflich, das Halbdunkel, in das sich einige von ihnen verlieren, schön
und naturgetreu. Kolbe's Ezzelin gibt hierin den berühmten belgischen
Bildern von 1842 Nichts nach. Man freut sich wahrlich, wenn ein
Mann wie Kolbe in seinem Alter noch Beweise gibt, daß der wahre
Künstler immer mit der Zeit fortgeht. Aber wie schwer es ist, in
der Wahl und Ausführung eines Stoffes immer gleich glücklich zu
sein, davon gibt ein anderes Bild desselben Künstlers den Beweis.
Kaiser Karl V., von Moritz von Sachsen verfolgt, auf
der Flucht von Innsbruck nach Vliland in Karres en. Die
Nacht ist dunkel und stürmisch. In einem von Reisigen getragenen Bal¬
dachin sitzt der Kaiser, der an Fußgicht leidet, mürrisch und unzufrieden.
Zur Linken des Kaisers, die Fackel tragend, reitet Johann von Oesterreich,
der natürliche Sohn des Kaisers, auf der rechten Seite ein Geist¬
licher, des Kaisers Beichtvater, dessen Maulthier von einem Chor¬
knaben geführt wird. König Ferdinand von Ungarn, des Kaisers
Bruder, ordnet die Nachhut, in der sich freiwillig der Kurfürst von
Sachsen, Johann Friedrich, befindet, der eS verschmähtes seine Freiheit
dem verhaßten Vetter Moritz zu verdanken. -- Erkennen wir auch
aus dem Bilde, daß hier eine Flucht vor sich geht, so bleibt es doch
unklar, welchen Grund diese Flucht hat. Es war wohl unmöglich,
uns bemerkbar zu machen, daß aus diesem Ereigniß der denkwürdige
Friede zu Passau entstand, in welchem Karl V. die protestantische
Glaubensfreiheit anerkannte, und so scheiterte der Maler an einem
Stoff, der in sich zu weitgreifend, zu wenig zur Darstellung geeignet
war. Auch das Bild selbst hat nicht die Vorzüge des früheren, und
die Schuld davon liegt ebenfalls in der Aufgabe. Das Licht der
Fackel, das durch den rothen Baldachin etwas gesucht verdeckt wird,
gibt mancherlei Effecte zu beobachten, die der Maler nicht ohne Ge¬
schick löste, die aber doch eben zu sehr Effect machen. Die Zeich¬
nung ist frisch und lebendig, die Technik überhaupt rüstiger, als wir
sie je bei Kolbe sahen; trotzdem macht das Ganze keinen befriedigen¬
den Eindruck. -- Noch weit weniger spricht ein Bild von I. C.
Bähr in Dresden an. Johann von Leyden oder die


Dazu sind aber einige der Mönche zu ruhig, während die ande¬
ren, wenn sie bloße Zuhörer abgeben sollen, zu entsetzt und bewegt
erscheinen. Dennoch gehört das Bild zu den besten der Ausstellung.
Die verschiedene Charakteristik in den Gesichtern der Mönche ist vor¬
trefflich, das Halbdunkel, in das sich einige von ihnen verlieren, schön
und naturgetreu. Kolbe's Ezzelin gibt hierin den berühmten belgischen
Bildern von 1842 Nichts nach. Man freut sich wahrlich, wenn ein
Mann wie Kolbe in seinem Alter noch Beweise gibt, daß der wahre
Künstler immer mit der Zeit fortgeht. Aber wie schwer es ist, in
der Wahl und Ausführung eines Stoffes immer gleich glücklich zu
sein, davon gibt ein anderes Bild desselben Künstlers den Beweis.
Kaiser Karl V., von Moritz von Sachsen verfolgt, auf
der Flucht von Innsbruck nach Vliland in Karres en. Die
Nacht ist dunkel und stürmisch. In einem von Reisigen getragenen Bal¬
dachin sitzt der Kaiser, der an Fußgicht leidet, mürrisch und unzufrieden.
Zur Linken des Kaisers, die Fackel tragend, reitet Johann von Oesterreich,
der natürliche Sohn des Kaisers, auf der rechten Seite ein Geist¬
licher, des Kaisers Beichtvater, dessen Maulthier von einem Chor¬
knaben geführt wird. König Ferdinand von Ungarn, des Kaisers
Bruder, ordnet die Nachhut, in der sich freiwillig der Kurfürst von
Sachsen, Johann Friedrich, befindet, der eS verschmähtes seine Freiheit
dem verhaßten Vetter Moritz zu verdanken. — Erkennen wir auch
aus dem Bilde, daß hier eine Flucht vor sich geht, so bleibt es doch
unklar, welchen Grund diese Flucht hat. Es war wohl unmöglich,
uns bemerkbar zu machen, daß aus diesem Ereigniß der denkwürdige
Friede zu Passau entstand, in welchem Karl V. die protestantische
Glaubensfreiheit anerkannte, und so scheiterte der Maler an einem
Stoff, der in sich zu weitgreifend, zu wenig zur Darstellung geeignet
war. Auch das Bild selbst hat nicht die Vorzüge des früheren, und
die Schuld davon liegt ebenfalls in der Aufgabe. Das Licht der
Fackel, das durch den rothen Baldachin etwas gesucht verdeckt wird,
gibt mancherlei Effecte zu beobachten, die der Maler nicht ohne Ge¬
schick löste, die aber doch eben zu sehr Effect machen. Die Zeich¬
nung ist frisch und lebendig, die Technik überhaupt rüstiger, als wir
sie je bei Kolbe sahen; trotzdem macht das Ganze keinen befriedigen¬
den Eindruck. — Noch weit weniger spricht ein Bild von I. C.
Bähr in Dresden an. Johann von Leyden oder die


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[0358] Dazu sind aber einige der Mönche zu ruhig, während die ande¬ ren, wenn sie bloße Zuhörer abgeben sollen, zu entsetzt und bewegt erscheinen. Dennoch gehört das Bild zu den besten der Ausstellung. Die verschiedene Charakteristik in den Gesichtern der Mönche ist vor¬ trefflich, das Halbdunkel, in das sich einige von ihnen verlieren, schön und naturgetreu. Kolbe's Ezzelin gibt hierin den berühmten belgischen Bildern von 1842 Nichts nach. Man freut sich wahrlich, wenn ein Mann wie Kolbe in seinem Alter noch Beweise gibt, daß der wahre Künstler immer mit der Zeit fortgeht. Aber wie schwer es ist, in der Wahl und Ausführung eines Stoffes immer gleich glücklich zu sein, davon gibt ein anderes Bild desselben Künstlers den Beweis. Kaiser Karl V., von Moritz von Sachsen verfolgt, auf der Flucht von Innsbruck nach Vliland in Karres en. Die Nacht ist dunkel und stürmisch. In einem von Reisigen getragenen Bal¬ dachin sitzt der Kaiser, der an Fußgicht leidet, mürrisch und unzufrieden. Zur Linken des Kaisers, die Fackel tragend, reitet Johann von Oesterreich, der natürliche Sohn des Kaisers, auf der rechten Seite ein Geist¬ licher, des Kaisers Beichtvater, dessen Maulthier von einem Chor¬ knaben geführt wird. König Ferdinand von Ungarn, des Kaisers Bruder, ordnet die Nachhut, in der sich freiwillig der Kurfürst von Sachsen, Johann Friedrich, befindet, der eS verschmähtes seine Freiheit dem verhaßten Vetter Moritz zu verdanken. — Erkennen wir auch aus dem Bilde, daß hier eine Flucht vor sich geht, so bleibt es doch unklar, welchen Grund diese Flucht hat. Es war wohl unmöglich, uns bemerkbar zu machen, daß aus diesem Ereigniß der denkwürdige Friede zu Passau entstand, in welchem Karl V. die protestantische Glaubensfreiheit anerkannte, und so scheiterte der Maler an einem Stoff, der in sich zu weitgreifend, zu wenig zur Darstellung geeignet war. Auch das Bild selbst hat nicht die Vorzüge des früheren, und die Schuld davon liegt ebenfalls in der Aufgabe. Das Licht der Fackel, das durch den rothen Baldachin etwas gesucht verdeckt wird, gibt mancherlei Effecte zu beobachten, die der Maler nicht ohne Ge¬ schick löste, die aber doch eben zu sehr Effect machen. Die Zeich¬ nung ist frisch und lebendig, die Technik überhaupt rüstiger, als wir sie je bei Kolbe sahen; trotzdem macht das Ganze keinen befriedigen¬ den Eindruck. — Noch weit weniger spricht ein Bild von I. C. Bähr in Dresden an. Johann von Leyden oder die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/358>, abgerufen am 28.07.2024.