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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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seit sich mit vorangegangenen Beispielen rechtfertigen und sich über¬
zeugt halten, daß die Talentlosigkeit der deutschen Autoren in der
Gewinnung allgemeiner Sympathien lediglich die Schuld trage, wenn
mit ihren Schriften "Nichts zu machen sei", daher der schon gehabte
Schaden um jeden Preis vermindert und künftig vorsichtiger ver¬
mieden werden müsse. Niemand wird sich einfallen lassen, daß die
Schuld an dem Verfalle des Literaturzweiges zuerst in der sorglosen
Wahl der herausgegebenen Schriften, dann in ihrem hohen Preise
und endlich in den Preisherabsetzungen größtentheils zu suchen ist.
Niemand wird endlich zugestehen wollen, daß gleich anfangs mit
dem herabgesetzten Preise sehr gut zu bestehen war, indem
dabei die Aussicht zum Absätze von siebenhundertfünfzig bis tausend
Exemplaren sich weit sicherer stellte, als bei dem dreifachen Preise
der von zweihundert Exemplaren.'

Wie im Eingange gesagt ist, haben Eugen Sues letzte Werke
die jüngsten bedeutsamsten Momente in der Geschichte der deutschen
Nationalliteratur gebildet und in der blinden fanatischen Spccula-
tionSwuth mit ausländischen Schriften, die von keiner Schranke durch
das Nationalgefühl mehr Etwas wissen will, die vorhin geschilderte
bevorstehende Krisis herbeigeführt. Diese ist erklärlich durch das un¬
erhörte Glück, welches die "Geheimnisse von Paris" bei vielleicht
einer Million von Lesern diesseits und jenseits des Rheines gemacht
haben, ungeachtet Herr Wolfgang Menzel, der Kritiker ni--1<zviu,t
pli,r exeellenco und Franzosenfresser, das gefeierte Buch einen "elen-
den Roman" nennt und die nicht wegzuläugnende Thatsache sei¬
ner beispiellosen Aufnahme in Deutschland als "eine gemachte" er¬
klärt, als ob sich so Etwas machen ließe. Die Sucht nach großem
Gewinn erklärt, wie gesagt, die fieberhafte ^ Aufregung unserer deut¬
schen Buchhändler im Allgemeinen, indem sie die unverhältnißmäßigen
Erfolge ihrer belletristischen Unternehmungen mit dem ungeheuern
Glücke der "Geheimnisse" vergleichen, und sich zu ungerechtem Mi߬
trauen gegen das deutsche Talent verleiten lassen. Unerklärlich aber
ist dabei dennoch bei der deutschen Besonnenheit, auch wenn es
wirklich Tausendthalersäcke gilt, dieses gänzliche Kopfverlieren, womit
sich der Speculationshunger jetzt einzig und allem auf den Namen
Eugen Sue und das von ihm unterzeichnete, noch vollständig gar


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seit sich mit vorangegangenen Beispielen rechtfertigen und sich über¬
zeugt halten, daß die Talentlosigkeit der deutschen Autoren in der
Gewinnung allgemeiner Sympathien lediglich die Schuld trage, wenn
mit ihren Schriften „Nichts zu machen sei", daher der schon gehabte
Schaden um jeden Preis vermindert und künftig vorsichtiger ver¬
mieden werden müsse. Niemand wird sich einfallen lassen, daß die
Schuld an dem Verfalle des Literaturzweiges zuerst in der sorglosen
Wahl der herausgegebenen Schriften, dann in ihrem hohen Preise
und endlich in den Preisherabsetzungen größtentheils zu suchen ist.
Niemand wird endlich zugestehen wollen, daß gleich anfangs mit
dem herabgesetzten Preise sehr gut zu bestehen war, indem
dabei die Aussicht zum Absätze von siebenhundertfünfzig bis tausend
Exemplaren sich weit sicherer stellte, als bei dem dreifachen Preise
der von zweihundert Exemplaren.'

Wie im Eingange gesagt ist, haben Eugen Sues letzte Werke
die jüngsten bedeutsamsten Momente in der Geschichte der deutschen
Nationalliteratur gebildet und in der blinden fanatischen Spccula-
tionSwuth mit ausländischen Schriften, die von keiner Schranke durch
das Nationalgefühl mehr Etwas wissen will, die vorhin geschilderte
bevorstehende Krisis herbeigeführt. Diese ist erklärlich durch das un¬
erhörte Glück, welches die „Geheimnisse von Paris" bei vielleicht
einer Million von Lesern diesseits und jenseits des Rheines gemacht
haben, ungeachtet Herr Wolfgang Menzel, der Kritiker ni--1<zviu,t
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den Roman" nennt und die nicht wegzuläugnende Thatsache sei¬
ner beispiellosen Aufnahme in Deutschland als „eine gemachte" er¬
klärt, als ob sich so Etwas machen ließe. Die Sucht nach großem
Gewinn erklärt, wie gesagt, die fieberhafte ^ Aufregung unserer deut¬
schen Buchhändler im Allgemeinen, indem sie die unverhältnißmäßigen
Erfolge ihrer belletristischen Unternehmungen mit dem ungeheuern
Glücke der „Geheimnisse" vergleichen, und sich zu ungerechtem Mi߬
trauen gegen das deutsche Talent verleiten lassen. Unerklärlich aber
ist dabei dennoch bei der deutschen Besonnenheit, auch wenn es
wirklich Tausendthalersäcke gilt, dieses gänzliche Kopfverlieren, womit
sich der Speculationshunger jetzt einzig und allem auf den Namen
Eugen Sue und das von ihm unterzeichnete, noch vollständig gar


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[0031] seit sich mit vorangegangenen Beispielen rechtfertigen und sich über¬ zeugt halten, daß die Talentlosigkeit der deutschen Autoren in der Gewinnung allgemeiner Sympathien lediglich die Schuld trage, wenn mit ihren Schriften „Nichts zu machen sei", daher der schon gehabte Schaden um jeden Preis vermindert und künftig vorsichtiger ver¬ mieden werden müsse. Niemand wird sich einfallen lassen, daß die Schuld an dem Verfalle des Literaturzweiges zuerst in der sorglosen Wahl der herausgegebenen Schriften, dann in ihrem hohen Preise und endlich in den Preisherabsetzungen größtentheils zu suchen ist. Niemand wird endlich zugestehen wollen, daß gleich anfangs mit dem herabgesetzten Preise sehr gut zu bestehen war, indem dabei die Aussicht zum Absätze von siebenhundertfünfzig bis tausend Exemplaren sich weit sicherer stellte, als bei dem dreifachen Preise der von zweihundert Exemplaren.' Wie im Eingange gesagt ist, haben Eugen Sues letzte Werke die jüngsten bedeutsamsten Momente in der Geschichte der deutschen Nationalliteratur gebildet und in der blinden fanatischen Spccula- tionSwuth mit ausländischen Schriften, die von keiner Schranke durch das Nationalgefühl mehr Etwas wissen will, die vorhin geschilderte bevorstehende Krisis herbeigeführt. Diese ist erklärlich durch das un¬ erhörte Glück, welches die „Geheimnisse von Paris" bei vielleicht einer Million von Lesern diesseits und jenseits des Rheines gemacht haben, ungeachtet Herr Wolfgang Menzel, der Kritiker ni--1<zviu,t pli,r exeellenco und Franzosenfresser, das gefeierte Buch einen „elen- den Roman" nennt und die nicht wegzuläugnende Thatsache sei¬ ner beispiellosen Aufnahme in Deutschland als „eine gemachte" er¬ klärt, als ob sich so Etwas machen ließe. Die Sucht nach großem Gewinn erklärt, wie gesagt, die fieberhafte ^ Aufregung unserer deut¬ schen Buchhändler im Allgemeinen, indem sie die unverhältnißmäßigen Erfolge ihrer belletristischen Unternehmungen mit dem ungeheuern Glücke der „Geheimnisse" vergleichen, und sich zu ungerechtem Mi߬ trauen gegen das deutsche Talent verleiten lassen. Unerklärlich aber ist dabei dennoch bei der deutschen Besonnenheit, auch wenn es wirklich Tausendthalersäcke gilt, dieses gänzliche Kopfverlieren, womit sich der Speculationshunger jetzt einzig und allem auf den Namen Eugen Sue und das von ihm unterzeichnete, noch vollständig gar 4 »

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/31>, abgerufen am 27.07.2024.