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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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sein, indem sie meiner Ansicht nach zeigt, wie man bei solchen Gele¬
genheiten nicht verfahren sollte.

Man erlaube uns, die Geschichte, wie sie uns von Eingeweih¬
ten mitgetheilt worden, von Anfang an zu berichten.

Ungefähr sechs Jahre oder etwas länger mag es her sein, daß
einige kunstbegeisterte Männer hiesiger Stadt zusammentraten, um ein
Comite zur Errichtung eines Monumentes für Göthe zu bilden. Die
Sache wurde auch insoweit bekannt gemacht, daß Jeder, welcher Er¬
kundigungen einziehen wollte, beitragen konnte zu dem projectirten
Werke. Dabei schickte man die Liste in die Wohnungen der reichsten
Bürger, und mit den bedeutenden Zuschüssen einiger durch ihren
Reichthum und ihre literarische Bildung ausgezeichneten Männer war
man bald so weit gekommen, eine Bestellung an den berühmten
Schwanthaler ergehen lassen zu können. Uebrigens gelangte kein
Project zur öffentlichen Kunde, keine Versammlung der Subscribenten
fand statt zur Sanctionirung oder Reconstitution des Comites, zur
Auswahl des Künstlers oder des Projecteö. Das Comite nahm
Alles auf sich, und man ist hier so sehr an die Oligarchie einiger
Auserwählten gewöhnt, daß Niemand etwas Arges darin fand.

Das Denkmal war fertig und die erforderliche Summe bis auf
ein Geringes beisammen; der Senat erklärte sich auf vorläufige An¬
frage bereit zur Uebernahme des Geschenkes, und der Tag der Ent¬
hüllung wurde auf den 22. October festgesetzt. Man beabsichtigte
diese so feierlich zu veranstalten, als es einer Privatgesellschaft mög¬
lich ist (stets ohne Generalversammlung der Subscribenten), ein Fest-
comite wurde gewählt, der Director eines hiesigen Musikvereines
wurde aufgefordert, geeignete Musikstücke zu componiren, die üb¬
rigen Vereine wurden höflichst eingeladen, bei der Enthüllungsfeier¬
lichkeit mitzusingen und man versprach ihnen dafür die Gunst, bei
dem Acte selbst gegenwärtig sein zu dürfen.

Es war das allerdings eine Gunst; denn da die ganze Feier
Privatsache war, so umgab man das verhüllte Denkbild von drei Seiten
mit einem hohen Bretterverschläge, und da die Bäume an der vier¬
ten Seite die Aussicht hinderten, so konnte Niemand, der nicht im
Innern war, eigentlichen Antheil am Feste nehmen.

Jn'ö Innere gelangte man aber nur, wenn man zum Senat


sein, indem sie meiner Ansicht nach zeigt, wie man bei solchen Gele¬
genheiten nicht verfahren sollte.

Man erlaube uns, die Geschichte, wie sie uns von Eingeweih¬
ten mitgetheilt worden, von Anfang an zu berichten.

Ungefähr sechs Jahre oder etwas länger mag es her sein, daß
einige kunstbegeisterte Männer hiesiger Stadt zusammentraten, um ein
Comite zur Errichtung eines Monumentes für Göthe zu bilden. Die
Sache wurde auch insoweit bekannt gemacht, daß Jeder, welcher Er¬
kundigungen einziehen wollte, beitragen konnte zu dem projectirten
Werke. Dabei schickte man die Liste in die Wohnungen der reichsten
Bürger, und mit den bedeutenden Zuschüssen einiger durch ihren
Reichthum und ihre literarische Bildung ausgezeichneten Männer war
man bald so weit gekommen, eine Bestellung an den berühmten
Schwanthaler ergehen lassen zu können. Uebrigens gelangte kein
Project zur öffentlichen Kunde, keine Versammlung der Subscribenten
fand statt zur Sanctionirung oder Reconstitution des Comites, zur
Auswahl des Künstlers oder des Projecteö. Das Comite nahm
Alles auf sich, und man ist hier so sehr an die Oligarchie einiger
Auserwählten gewöhnt, daß Niemand etwas Arges darin fand.

Das Denkmal war fertig und die erforderliche Summe bis auf
ein Geringes beisammen; der Senat erklärte sich auf vorläufige An¬
frage bereit zur Uebernahme des Geschenkes, und der Tag der Ent¬
hüllung wurde auf den 22. October festgesetzt. Man beabsichtigte
diese so feierlich zu veranstalten, als es einer Privatgesellschaft mög¬
lich ist (stets ohne Generalversammlung der Subscribenten), ein Fest-
comite wurde gewählt, der Director eines hiesigen Musikvereines
wurde aufgefordert, geeignete Musikstücke zu componiren, die üb¬
rigen Vereine wurden höflichst eingeladen, bei der Enthüllungsfeier¬
lichkeit mitzusingen und man versprach ihnen dafür die Gunst, bei
dem Acte selbst gegenwärtig sein zu dürfen.

Es war das allerdings eine Gunst; denn da die ganze Feier
Privatsache war, so umgab man das verhüllte Denkbild von drei Seiten
mit einem hohen Bretterverschläge, und da die Bäume an der vier¬
ten Seite die Aussicht hinderten, so konnte Niemand, der nicht im
Innern war, eigentlichen Antheil am Feste nehmen.

Jn'ö Innere gelangte man aber nur, wenn man zum Senat


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[0296] sein, indem sie meiner Ansicht nach zeigt, wie man bei solchen Gele¬ genheiten nicht verfahren sollte. Man erlaube uns, die Geschichte, wie sie uns von Eingeweih¬ ten mitgetheilt worden, von Anfang an zu berichten. Ungefähr sechs Jahre oder etwas länger mag es her sein, daß einige kunstbegeisterte Männer hiesiger Stadt zusammentraten, um ein Comite zur Errichtung eines Monumentes für Göthe zu bilden. Die Sache wurde auch insoweit bekannt gemacht, daß Jeder, welcher Er¬ kundigungen einziehen wollte, beitragen konnte zu dem projectirten Werke. Dabei schickte man die Liste in die Wohnungen der reichsten Bürger, und mit den bedeutenden Zuschüssen einiger durch ihren Reichthum und ihre literarische Bildung ausgezeichneten Männer war man bald so weit gekommen, eine Bestellung an den berühmten Schwanthaler ergehen lassen zu können. Uebrigens gelangte kein Project zur öffentlichen Kunde, keine Versammlung der Subscribenten fand statt zur Sanctionirung oder Reconstitution des Comites, zur Auswahl des Künstlers oder des Projecteö. Das Comite nahm Alles auf sich, und man ist hier so sehr an die Oligarchie einiger Auserwählten gewöhnt, daß Niemand etwas Arges darin fand. Das Denkmal war fertig und die erforderliche Summe bis auf ein Geringes beisammen; der Senat erklärte sich auf vorläufige An¬ frage bereit zur Uebernahme des Geschenkes, und der Tag der Ent¬ hüllung wurde auf den 22. October festgesetzt. Man beabsichtigte diese so feierlich zu veranstalten, als es einer Privatgesellschaft mög¬ lich ist (stets ohne Generalversammlung der Subscribenten), ein Fest- comite wurde gewählt, der Director eines hiesigen Musikvereines wurde aufgefordert, geeignete Musikstücke zu componiren, die üb¬ rigen Vereine wurden höflichst eingeladen, bei der Enthüllungsfeier¬ lichkeit mitzusingen und man versprach ihnen dafür die Gunst, bei dem Acte selbst gegenwärtig sein zu dürfen. Es war das allerdings eine Gunst; denn da die ganze Feier Privatsache war, so umgab man das verhüllte Denkbild von drei Seiten mit einem hohen Bretterverschläge, und da die Bäume an der vier¬ ten Seite die Aussicht hinderten, so konnte Niemand, der nicht im Innern war, eigentlichen Antheil am Feste nehmen. Jn'ö Innere gelangte man aber nur, wenn man zum Senat

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/296>, abgerufen am 01.09.2024.