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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Spannung entgegengesehen, da man begierig war, zu wissen, wie weit
die zartsinnige Rücksicht der (Zensur für die Interessen (d. h. für die
Zinsen) der bekanntlich unter der directen Leitung eines Ministers ste¬
henden Seehandlung gehen würde. Herr Risch ist jedoch ein Mann,
der sich auf das versteht, was unsere Censur "wohlwollenden" Tadel
nennt. Seine Schrift ist eine Waage, deren eine Schale ebenso viel
Süßes, als die andere Bitteres enthält, und diese Neutralistrung des
Geschmackes hat ihr, wie es scheint, das Imprimatur verschafft. Man
kann aber auch nicht sagen, daß Herr Risch darum hinter der Wahr¬
heit zurückgeblieben, denn in der That hat Herr Minister Rother eben
so viele Verdienste um den preußischen Staatscredit, um die Kunst¬
straßen des Landes, um die Berliner Flußdampfschissfahrt und einige
andere Zweige der Staatsökonomie, zu deren Forderung weniger der
Einzelne, als die über größere Kräfte gebietende Verwaltung berufen
ist, als die Seehandlung Vorwürfe verdient über ihre seit einem Jahr-
zehend immer mehr sich ausdehnende Concurrenz mit dem Gewerbbe-
trieb des hochbesteuerten Bürgers und Geschäftsmannes. Es gehört
dazu namentlich der Wollhandel, die Mehlfabrication und der Handel
mit Mehl, die Papierfabrication, die Anfertigung und iber Vertrieb
von Seife, Stearinlichtern und anderen chemischen Producten, der
Dampfmaschinenbau und die Spinnerei und Weberei in Linnen so¬
wohl als in Baumwolle. Wir glauben nicht, daß noch in irgend ei¬
nem anderen Lande die Staatsregierung in solche Concurrenz mit der
Erwerbsthätigkeit ihrer Unterthanen tritt. Ueberall wird wohl mehr
oder weniger diese Thätigkeit entweder direct durch Kapitalsbetheilig-
ungcn, oder indirect durch Schutzzölle von Seite der Regierungen un¬
terstützt, nirgends jedoch gibt es, wie bei uns, ein Staatsinstitut, das
den Gewerbetreibenden die Aufgabe erschwert, ihren eigenen Bedarf,
so wie die Lasten, die sie zu tragen haben, aufzubringen. Gewiß wird,
nachdem die Presse sich des Gegenstandes bemächtigt hat, binnen kur¬
zer Zeit dem Uebelstand ein Ende gemacht sein. Wie wenig jedoch in
dieser Beziehung von den Provinzialständen -- und namentlich von
den märkischen -- zu erwarten ist, das ist am besten aus der Schrift
des Herrn Risch selbst zu ersehen.

Vor einigen Tagen ist endlich die GeWerbeausstellung geschlossen
worden; wir sagen: endlich, weil in der letzten Zeit ein großer Theil
der ausgestellten Sachen -- namentlich der Seiden-, Baumwollen-
und Wollenwaaren -- durch Staub und Luft so chiffonirt war, daß
man durch ihren Anblick einen schlechten Begriff von unserem Kunst¬
fleiße bekam. Je langer übrigens die Ausstellung geöffnet war, um
so mehr überzeugte man sich, wie viel mittelmäßiges Zeug dieselbe ent¬
hielt, das augenscheinlich nur zugelassen worden war, weil die Kom-


Spannung entgegengesehen, da man begierig war, zu wissen, wie weit
die zartsinnige Rücksicht der (Zensur für die Interessen (d. h. für die
Zinsen) der bekanntlich unter der directen Leitung eines Ministers ste¬
henden Seehandlung gehen würde. Herr Risch ist jedoch ein Mann,
der sich auf das versteht, was unsere Censur „wohlwollenden" Tadel
nennt. Seine Schrift ist eine Waage, deren eine Schale ebenso viel
Süßes, als die andere Bitteres enthält, und diese Neutralistrung des
Geschmackes hat ihr, wie es scheint, das Imprimatur verschafft. Man
kann aber auch nicht sagen, daß Herr Risch darum hinter der Wahr¬
heit zurückgeblieben, denn in der That hat Herr Minister Rother eben
so viele Verdienste um den preußischen Staatscredit, um die Kunst¬
straßen des Landes, um die Berliner Flußdampfschissfahrt und einige
andere Zweige der Staatsökonomie, zu deren Forderung weniger der
Einzelne, als die über größere Kräfte gebietende Verwaltung berufen
ist, als die Seehandlung Vorwürfe verdient über ihre seit einem Jahr-
zehend immer mehr sich ausdehnende Concurrenz mit dem Gewerbbe-
trieb des hochbesteuerten Bürgers und Geschäftsmannes. Es gehört
dazu namentlich der Wollhandel, die Mehlfabrication und der Handel
mit Mehl, die Papierfabrication, die Anfertigung und iber Vertrieb
von Seife, Stearinlichtern und anderen chemischen Producten, der
Dampfmaschinenbau und die Spinnerei und Weberei in Linnen so¬
wohl als in Baumwolle. Wir glauben nicht, daß noch in irgend ei¬
nem anderen Lande die Staatsregierung in solche Concurrenz mit der
Erwerbsthätigkeit ihrer Unterthanen tritt. Ueberall wird wohl mehr
oder weniger diese Thätigkeit entweder direct durch Kapitalsbetheilig-
ungcn, oder indirect durch Schutzzölle von Seite der Regierungen un¬
terstützt, nirgends jedoch gibt es, wie bei uns, ein Staatsinstitut, das
den Gewerbetreibenden die Aufgabe erschwert, ihren eigenen Bedarf,
so wie die Lasten, die sie zu tragen haben, aufzubringen. Gewiß wird,
nachdem die Presse sich des Gegenstandes bemächtigt hat, binnen kur¬
zer Zeit dem Uebelstand ein Ende gemacht sein. Wie wenig jedoch in
dieser Beziehung von den Provinzialständen — und namentlich von
den märkischen — zu erwarten ist, das ist am besten aus der Schrift
des Herrn Risch selbst zu ersehen.

Vor einigen Tagen ist endlich die GeWerbeausstellung geschlossen
worden; wir sagen: endlich, weil in der letzten Zeit ein großer Theil
der ausgestellten Sachen — namentlich der Seiden-, Baumwollen-
und Wollenwaaren — durch Staub und Luft so chiffonirt war, daß
man durch ihren Anblick einen schlechten Begriff von unserem Kunst¬
fleiße bekam. Je langer übrigens die Ausstellung geöffnet war, um
so mehr überzeugte man sich, wie viel mittelmäßiges Zeug dieselbe ent¬
hielt, das augenscheinlich nur zugelassen worden war, weil die Kom-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/288>, abgerufen am 01.09.2024.