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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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zwei Brunnen plätschern lustig in den hellen, von zweihundert Gas¬
flammen durchschimmerten Räumen, und rothsammtne Sitzbänke laden
den erstaunten Besucher zur gastlichsten Ruhe ein. Durch eine im
Fußboden angebrachte Klappe gelangen Oberröcke, Regenschirme und
dergleichen in die unterirdische Garderobe, ohne daß man Jemand zu
sehen bekommt oder mit irgend einem Menschen zu sprechen braucht;
kurz, die ganze Einrichtung ist darauf berechnet, die Neugier der Wie¬
ner zu reizen und ihrer bekannten Schaulust zu huldigen, was ihm
denn auch im vollsten Maße gelungen ist. Als Jemand den Unterneh¬
mer fragte, wie er hoffen könne, seine bedeutenden Opfer belohnt zu
sehen, antwortete dieser: Ich habe meine Rechnung so gestellt, daß ich
der Einheimischen gar nicht bedarf, um die Kosten der Herstellung zu
decken; jährlich reisen siebzig bis achtzigtausend Fremde durch Wien
und die Mehrzahl derselben wird nicht versäumen, wenigstens ein Mal
während ihres hiesigen Aufenthaltes das eleganteste Kaffeehaus der
Hauptstadt zu besuchen, und das mir dadurch gewährte Einkommen
ist groß genug, um bereits nach sechzehn Monaten die Einrichtungs¬
kosten wieder hereingebracht zu haben.


II
Aus Schlesien.

Königlich preußische Revolutionäre. -- Die Weber und die Volksschullehrer.
-- Grenzberichtigung auf der Schneekoppe. -- Die Eisenbahn nach Krakau. --
Mundt, Holrei, Schall. -- Breslau von ehedem und jetzt.

Die Baumwollenweb er am Eulengebirge haben sich das Renom¬
mee königlich preußischer Revolutionäre erworben, wie Heine im Sin¬
gular einmal von Herrn von Raumer sagte. Um nicht mit ihren
Junitagen zu rasch in Vergessenheit zu gerathen, geschah in der Nacht
vom 7. zum 8. October eine gefährliche Neckerei, welche wenigstens
der Referent derselben (in der schlesischen Zeitung) als wahrscheinlich
von den Webern ausgegangen angibt. Dem Polizeiverweser Krist in
Pcterswaldau wurde nämlich eine brennende Granate durch's Fenster
in's Zimmer geworfen, wo sie platzte und die Möbel beschädigte, sonst
aber Niemandem ein Leid anthat. Die Besorgniß der Regierung we¬
gen revolutionärer Bewegungen scheint sich neben den Webern auf --
die Volksschulen geworfen zu haben, wenn man die für dieselben er¬
lassenen jüngsten Bestimmungen betrachtet. Es sind alle Lehrerfeste
und Vereine untersagt, sobald sie die betreffende Geistlichkeit nicht
beaufsichtigt; ebenso die Anschaffung anderer Bücher, als der Super¬
intendent erlaubt und die öffentlichen Klagen der Lehrer über Dürftig¬
keit ihres Amtseinkommens sollen Amtsentsetzung nach sich ziehen.


Grenzboten 1844. II. Atz

zwei Brunnen plätschern lustig in den hellen, von zweihundert Gas¬
flammen durchschimmerten Räumen, und rothsammtne Sitzbänke laden
den erstaunten Besucher zur gastlichsten Ruhe ein. Durch eine im
Fußboden angebrachte Klappe gelangen Oberröcke, Regenschirme und
dergleichen in die unterirdische Garderobe, ohne daß man Jemand zu
sehen bekommt oder mit irgend einem Menschen zu sprechen braucht;
kurz, die ganze Einrichtung ist darauf berechnet, die Neugier der Wie¬
ner zu reizen und ihrer bekannten Schaulust zu huldigen, was ihm
denn auch im vollsten Maße gelungen ist. Als Jemand den Unterneh¬
mer fragte, wie er hoffen könne, seine bedeutenden Opfer belohnt zu
sehen, antwortete dieser: Ich habe meine Rechnung so gestellt, daß ich
der Einheimischen gar nicht bedarf, um die Kosten der Herstellung zu
decken; jährlich reisen siebzig bis achtzigtausend Fremde durch Wien
und die Mehrzahl derselben wird nicht versäumen, wenigstens ein Mal
während ihres hiesigen Aufenthaltes das eleganteste Kaffeehaus der
Hauptstadt zu besuchen, und das mir dadurch gewährte Einkommen
ist groß genug, um bereits nach sechzehn Monaten die Einrichtungs¬
kosten wieder hereingebracht zu haben.


II
Aus Schlesien.

Königlich preußische Revolutionäre. — Die Weber und die Volksschullehrer.
— Grenzberichtigung auf der Schneekoppe. — Die Eisenbahn nach Krakau. —
Mundt, Holrei, Schall. — Breslau von ehedem und jetzt.

Die Baumwollenweb er am Eulengebirge haben sich das Renom¬
mee königlich preußischer Revolutionäre erworben, wie Heine im Sin¬
gular einmal von Herrn von Raumer sagte. Um nicht mit ihren
Junitagen zu rasch in Vergessenheit zu gerathen, geschah in der Nacht
vom 7. zum 8. October eine gefährliche Neckerei, welche wenigstens
der Referent derselben (in der schlesischen Zeitung) als wahrscheinlich
von den Webern ausgegangen angibt. Dem Polizeiverweser Krist in
Pcterswaldau wurde nämlich eine brennende Granate durch's Fenster
in's Zimmer geworfen, wo sie platzte und die Möbel beschädigte, sonst
aber Niemandem ein Leid anthat. Die Besorgniß der Regierung we¬
gen revolutionärer Bewegungen scheint sich neben den Webern auf —
die Volksschulen geworfen zu haben, wenn man die für dieselben er¬
lassenen jüngsten Bestimmungen betrachtet. Es sind alle Lehrerfeste
und Vereine untersagt, sobald sie die betreffende Geistlichkeit nicht
beaufsichtigt; ebenso die Anschaffung anderer Bücher, als der Super¬
intendent erlaubt und die öffentlichen Klagen der Lehrer über Dürftig¬
keit ihres Amtseinkommens sollen Amtsentsetzung nach sich ziehen.


Grenzboten 1844. II. Atz
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/285>, abgerufen am 27.07.2024.