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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Ständen, welche sich mit lautem Geschrei auf die Beute stürzten und
die gefangenen Thiere lebendig oder todt davontrugen. Vergebens be¬
mühte sich die Polizei, dem Jagdfrevel Einhalt zu thun und das kai¬
serliche Revier vor räuberischen Eingriffen zu schützen; ihre Macht
war zu gering und die Volksmassen zu bedeutend, um etwas auszu¬
richten; und ihre Wachsamkeit mußte sich daher auf die Linienthore zu¬
rückziehen, wo sie die Einschleppung der Beute dieser improvisieren
Jagd verhindern konnte. Wer nicht so klug war, seine Beute in ei¬
nem der außerhalb der Stadtwälle befindlichen Wirthshäuser zu ver¬
zehren oder zu verkaufen, den faßte bei der Heimkehr am Accisethore
die unbarmherzige Hand des rachesüchtigen Douaniers und mancher
dieser Nimrode hatte seine Brust umsonst mit Hasenblut befleckt, denn
der Thaten schönster Lohn ward ihm entrissen.

Auffallend indeß erscheint die bedeutende Anzahl der Maroden,
welche das von vier Uhr Morgens bis zwei Uhr Nachmittags dau¬
ernde Manöver auf der Simmeringer Haide nach sich zog, denn das
einzige Infanterieregiment Hrabowskv zahlte nahe an dreihundert Kampf¬
unfähige, was denn doch für einen halben Tag zu viel sein dürfte.
Vergleicht man diese Anzahl mit derjenigen, wie- sie z. B. nach der
Aussage österreichischer Offiziere, die im Lager bei Metz gewesen, un¬
ter den französischen Truppen gefunden wird, so muß man über den
Unterschied weniger staunen, als unruhig werden; die neuere Krieg¬
führung verlangt weniger Muth als physische Ausdauer, weshalb auch
eine kräftige Mittelgröße eine bessere militärische Statur bildet, als
colossale Körperformen, die meist als vorzüglich kriegerisch gelten. Nach
der Meinung erfahrener Offiziere liegt der Grund in der guten Ver¬
pflegung der französischen Soldaten, der zwar blos einen Sou täglich
auf die Hand erhalt, aber dafür eine ausgiebige Nahrung bekommt, wäh¬
rend der österreichische Soldat, der blos drei Kreuzer in die Menage
legt und zwei Kreuzer täglich erübrigt, dafür eine karge und schlechte
Nahrung erhält und sich durch den mit dem Übriggebliebenen gekauf¬
ten Branntwein wenig Stärkung holt.

Was für vortreffliche Leute die Engländer sind, wenn es gilt, zu
wagen und'zu'handeln, das sehen die Wiener mit stutziger Miene. Was
früher zwei privilegirte Gesellschaften nicht zu leisten vermochten, das
hat nun die Continental-Gas-Association in der kürzesten Frist zu
Stande gebracht. In allen Straßen wird das Pflaster umgewühlt,
die Röhren gelegt, die Leitungen in die Hauser angebracht; bei zwei
Millionen sind auf diese Weise ausgegeben worden, aber schon fangen
die Früchte an zu reifen und unzählige Localitäten werden mit Gas
beleuchtet, in denen man früher im Oeldunst ersticken mußte.¬

Ein anderer Engländer, Gabeson mit Namen, hat hier Kaf
feehaus eröffnet, wie/man in Wien noch kein ähnliches gesehen. Weiß
mit Gold, im schönsten Rococostyl, prangen die spiegelreichen Wände,


Ständen, welche sich mit lautem Geschrei auf die Beute stürzten und
die gefangenen Thiere lebendig oder todt davontrugen. Vergebens be¬
mühte sich die Polizei, dem Jagdfrevel Einhalt zu thun und das kai¬
serliche Revier vor räuberischen Eingriffen zu schützen; ihre Macht
war zu gering und die Volksmassen zu bedeutend, um etwas auszu¬
richten; und ihre Wachsamkeit mußte sich daher auf die Linienthore zu¬
rückziehen, wo sie die Einschleppung der Beute dieser improvisieren
Jagd verhindern konnte. Wer nicht so klug war, seine Beute in ei¬
nem der außerhalb der Stadtwälle befindlichen Wirthshäuser zu ver¬
zehren oder zu verkaufen, den faßte bei der Heimkehr am Accisethore
die unbarmherzige Hand des rachesüchtigen Douaniers und mancher
dieser Nimrode hatte seine Brust umsonst mit Hasenblut befleckt, denn
der Thaten schönster Lohn ward ihm entrissen.

Auffallend indeß erscheint die bedeutende Anzahl der Maroden,
welche das von vier Uhr Morgens bis zwei Uhr Nachmittags dau¬
ernde Manöver auf der Simmeringer Haide nach sich zog, denn das
einzige Infanterieregiment Hrabowskv zahlte nahe an dreihundert Kampf¬
unfähige, was denn doch für einen halben Tag zu viel sein dürfte.
Vergleicht man diese Anzahl mit derjenigen, wie- sie z. B. nach der
Aussage österreichischer Offiziere, die im Lager bei Metz gewesen, un¬
ter den französischen Truppen gefunden wird, so muß man über den
Unterschied weniger staunen, als unruhig werden; die neuere Krieg¬
führung verlangt weniger Muth als physische Ausdauer, weshalb auch
eine kräftige Mittelgröße eine bessere militärische Statur bildet, als
colossale Körperformen, die meist als vorzüglich kriegerisch gelten. Nach
der Meinung erfahrener Offiziere liegt der Grund in der guten Ver¬
pflegung der französischen Soldaten, der zwar blos einen Sou täglich
auf die Hand erhalt, aber dafür eine ausgiebige Nahrung bekommt, wäh¬
rend der österreichische Soldat, der blos drei Kreuzer in die Menage
legt und zwei Kreuzer täglich erübrigt, dafür eine karge und schlechte
Nahrung erhält und sich durch den mit dem Übriggebliebenen gekauf¬
ten Branntwein wenig Stärkung holt.

Was für vortreffliche Leute die Engländer sind, wenn es gilt, zu
wagen und'zu'handeln, das sehen die Wiener mit stutziger Miene. Was
früher zwei privilegirte Gesellschaften nicht zu leisten vermochten, das
hat nun die Continental-Gas-Association in der kürzesten Frist zu
Stande gebracht. In allen Straßen wird das Pflaster umgewühlt,
die Röhren gelegt, die Leitungen in die Hauser angebracht; bei zwei
Millionen sind auf diese Weise ausgegeben worden, aber schon fangen
die Früchte an zu reifen und unzählige Localitäten werden mit Gas
beleuchtet, in denen man früher im Oeldunst ersticken mußte.¬

Ein anderer Engländer, Gabeson mit Namen, hat hier Kaf
feehaus eröffnet, wie/man in Wien noch kein ähnliches gesehen. Weiß
mit Gold, im schönsten Rococostyl, prangen die spiegelreichen Wände,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/284>, abgerufen am 27.07.2024.