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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Laufe des vergangenen Sommers besuchten: Oehlenschläger, Holbein,
Deinhardstein, Zebus, Zschocke, Dingelstedt, Gutzkow, G. Schwab,
Lenau, Schücking gesellte sich noch in jüngster Zeit E. Dukter, wel¬
cher in seiner gemüthlichen und offenen, rein menschlichen Erschei¬
nungsform ganz dem Eindruck seiner literarischen Wirksamkeit über¬
haupt entspricht. Die Gerüchte, welche ein Correspondent der deut¬
schen allgemeinen Zeitung über seine Wirksamkeit im Oesterreichischen
Beobachter u. s. w. aussprengte, gehören in das Gebiet der gewöhn¬
lichen Fabeldichtung, wie sie in unseren Zeitungen, Salons, Bier-
und Weinstuben u. s. w. betrieben wird. Dukter kehrte nach dem
ihm liebgewordenen Darmstadt zurück.

Als Nachtrag zu dem Berichte über das Münchner Herderfest
erwähne ich, daß bei dieser Gelegenheit F. Dingelstedt von den äl¬
teren Herren mit großer Zuvorkommenheit behandelt wurde, gewiß
eine anerkennenswerthe Urbanität, wenn man erwägt, welche Dinge
der kosmopolitische Nachtwächter über München auf seinem rhythmi¬
schen Horn in die Welt hinausgeblasen hat. Schwerlich wird Din¬
gelstedt fortan dem Vorwurfe der "H-tbitudeZ ii>ol0Ka"tes", welchen
Taillandier den Münchnern macht, seine Zustimmung geben, -i-)

Nun noch Einiges über Dramatisches und Theatralisches. Neu¬
lich sah ich auf der hiesigen Hofbühne ein Lustspiel, "die Bastille",
von PH. Berger, worin namentlich Madame Dahn ganz ausgezeich¬
net war. Das Stück gehört zu der in Deutschland noch wenig an¬
gebauten Gattung des historischen Lustspiels, ist wohl hier und da
noch etwas roh und -- ein häufiger Fehler der deutschen Lustspiel¬
dichter -- zu possenhaft gearbeitet, beweist jedoch ein ganz artiges
Talent für das komische Dramengenre. Erscheint es aber nicht als
ein tragisch-ironisches Schicksal, daß der Verfasser, der in seinem Lust¬
spiele recht freie und weltliche Combinationen ersinnt, als Sänger
bei der kirchlichen Kapelle in dem allberühmten Wallfahrtsorte Alt-
ötting angestellt ist? Dieser baierische Scribe ist ein geborener Münch¬
ner, ein Pseudonyme (sein wahrer Name ist, so viel ich weiß, Latt¬
ner) und er "wirkte", wie es in der pathetischen Theatersprache heißt,



*) Bei dieser Gelegenheit eine bescheidene Frage- Warum verwandelten
die Grenzboten mit eiserner Beharrlichkeit in zwei Berichten den Namen och
hiesigen Professors Reumann in Heumann? Steht Herr Professor Neuman"
bei dem betreffenden Setzer nicht gut angeschrieben?

Laufe des vergangenen Sommers besuchten: Oehlenschläger, Holbein,
Deinhardstein, Zebus, Zschocke, Dingelstedt, Gutzkow, G. Schwab,
Lenau, Schücking gesellte sich noch in jüngster Zeit E. Dukter, wel¬
cher in seiner gemüthlichen und offenen, rein menschlichen Erschei¬
nungsform ganz dem Eindruck seiner literarischen Wirksamkeit über¬
haupt entspricht. Die Gerüchte, welche ein Correspondent der deut¬
schen allgemeinen Zeitung über seine Wirksamkeit im Oesterreichischen
Beobachter u. s. w. aussprengte, gehören in das Gebiet der gewöhn¬
lichen Fabeldichtung, wie sie in unseren Zeitungen, Salons, Bier-
und Weinstuben u. s. w. betrieben wird. Dukter kehrte nach dem
ihm liebgewordenen Darmstadt zurück.

Als Nachtrag zu dem Berichte über das Münchner Herderfest
erwähne ich, daß bei dieser Gelegenheit F. Dingelstedt von den äl¬
teren Herren mit großer Zuvorkommenheit behandelt wurde, gewiß
eine anerkennenswerthe Urbanität, wenn man erwägt, welche Dinge
der kosmopolitische Nachtwächter über München auf seinem rhythmi¬
schen Horn in die Welt hinausgeblasen hat. Schwerlich wird Din¬
gelstedt fortan dem Vorwurfe der „H-tbitudeZ ii>ol0Ka»tes", welchen
Taillandier den Münchnern macht, seine Zustimmung geben, -i-)

Nun noch Einiges über Dramatisches und Theatralisches. Neu¬
lich sah ich auf der hiesigen Hofbühne ein Lustspiel, „die Bastille",
von PH. Berger, worin namentlich Madame Dahn ganz ausgezeich¬
net war. Das Stück gehört zu der in Deutschland noch wenig an¬
gebauten Gattung des historischen Lustspiels, ist wohl hier und da
noch etwas roh und — ein häufiger Fehler der deutschen Lustspiel¬
dichter — zu possenhaft gearbeitet, beweist jedoch ein ganz artiges
Talent für das komische Dramengenre. Erscheint es aber nicht als
ein tragisch-ironisches Schicksal, daß der Verfasser, der in seinem Lust¬
spiele recht freie und weltliche Combinationen ersinnt, als Sänger
bei der kirchlichen Kapelle in dem allberühmten Wallfahrtsorte Alt-
ötting angestellt ist? Dieser baierische Scribe ist ein geborener Münch¬
ner, ein Pseudonyme (sein wahrer Name ist, so viel ich weiß, Latt¬
ner) und er „wirkte", wie es in der pathetischen Theatersprache heißt,



*) Bei dieser Gelegenheit eine bescheidene Frage- Warum verwandelten
die Grenzboten mit eiserner Beharrlichkeit in zwei Berichten den Namen och
hiesigen Professors Reumann in Heumann? Steht Herr Professor Neuman»
bei dem betreffenden Setzer nicht gut angeschrieben?
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[0274] Laufe des vergangenen Sommers besuchten: Oehlenschläger, Holbein, Deinhardstein, Zebus, Zschocke, Dingelstedt, Gutzkow, G. Schwab, Lenau, Schücking gesellte sich noch in jüngster Zeit E. Dukter, wel¬ cher in seiner gemüthlichen und offenen, rein menschlichen Erschei¬ nungsform ganz dem Eindruck seiner literarischen Wirksamkeit über¬ haupt entspricht. Die Gerüchte, welche ein Correspondent der deut¬ schen allgemeinen Zeitung über seine Wirksamkeit im Oesterreichischen Beobachter u. s. w. aussprengte, gehören in das Gebiet der gewöhn¬ lichen Fabeldichtung, wie sie in unseren Zeitungen, Salons, Bier- und Weinstuben u. s. w. betrieben wird. Dukter kehrte nach dem ihm liebgewordenen Darmstadt zurück. Als Nachtrag zu dem Berichte über das Münchner Herderfest erwähne ich, daß bei dieser Gelegenheit F. Dingelstedt von den äl¬ teren Herren mit großer Zuvorkommenheit behandelt wurde, gewiß eine anerkennenswerthe Urbanität, wenn man erwägt, welche Dinge der kosmopolitische Nachtwächter über München auf seinem rhythmi¬ schen Horn in die Welt hinausgeblasen hat. Schwerlich wird Din¬ gelstedt fortan dem Vorwurfe der „H-tbitudeZ ii>ol0Ka»tes", welchen Taillandier den Münchnern macht, seine Zustimmung geben, -i-) Nun noch Einiges über Dramatisches und Theatralisches. Neu¬ lich sah ich auf der hiesigen Hofbühne ein Lustspiel, „die Bastille", von PH. Berger, worin namentlich Madame Dahn ganz ausgezeich¬ net war. Das Stück gehört zu der in Deutschland noch wenig an¬ gebauten Gattung des historischen Lustspiels, ist wohl hier und da noch etwas roh und — ein häufiger Fehler der deutschen Lustspiel¬ dichter — zu possenhaft gearbeitet, beweist jedoch ein ganz artiges Talent für das komische Dramengenre. Erscheint es aber nicht als ein tragisch-ironisches Schicksal, daß der Verfasser, der in seinem Lust¬ spiele recht freie und weltliche Combinationen ersinnt, als Sänger bei der kirchlichen Kapelle in dem allberühmten Wallfahrtsorte Alt- ötting angestellt ist? Dieser baierische Scribe ist ein geborener Münch¬ ner, ein Pseudonyme (sein wahrer Name ist, so viel ich weiß, Latt¬ ner) und er „wirkte", wie es in der pathetischen Theatersprache heißt, *) Bei dieser Gelegenheit eine bescheidene Frage- Warum verwandelten die Grenzboten mit eiserner Beharrlichkeit in zwei Berichten den Namen och hiesigen Professors Reumann in Heumann? Steht Herr Professor Neuman» bei dem betreffenden Setzer nicht gut angeschrieben?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/274>, abgerufen am 01.09.2024.