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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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roth sind die Gebäude fast durchgehends angestrichen; ihre Dächer
werden mit Birkenrinde bedeckt, auf die man Nasen packt, und hohe
Schornsteine steigen über die Bedachung empor. Viele kleine frische
Baumgärtchen drängen sich zwischen die Wohnungen, und blickt man
von der Höhe zur Stadt hinab, dann nimmt sie sich wie ein Gericht
rother Krebse aus, das die Köchin mit grüner Petersilie verziert hat.
Nur um den Markt herum finden sich etliche alte Steinhäuser, und
das eine davon bewohnte Gustav Wasa, als er sich studirenshalber
zu Upsala aufhielt.

Die interessantesten Gebäude -- der Dom, das Schloß und
die Bibliothek -- heben sich auf drei Hügeln aus dem Häusergewirr
empor und beherrschen die Stadt. Unbedeutender sind die Universität
und das Museum, welches letztere auch im Innern nur eine kleine,
trostlose Bildersammlung enthält. Upsala besitzt außerdem ein Schau¬
spielhaus, doch sieht dasselbe so kalt, so stumpf und dumpf aus, daß
man sich trauriger Vorurtheile nicht erwehren kann und die Musen¬
söhne innig bedauert.

Die Bibliothek ist ein neuer, geschmackvoller Bau, der mit sei¬
nen großen Fensteraugen recht hell und heiter in die Welt hinauö-
blickt. Sie trägt die Inschrift: "On-olimr reäiviva", und nimmt den
Gipfel einer Anhöhe ein, das angenehmste Point de vue bildend.
Von einer Bibliothek läßt sich nicht viel erzählen; die Räume sind
frei und licht und nebst den Bücherreihen in ihrer stolzen gelehrten
Schweigsamkeit werden noch manche anziehende Dinge dort aufbe¬
wahrt. Man zeigte uns unter Anderm eine uralte Edda mit Feder¬
zeichnungen, König Karl's IX. eigenhändiges Tagebuch, ganze Bände
von Christinens Hand und Linn-z's Autobiographie im Manuscript.
Die Schriftzüge der Königin gemahnen lebhast an ihren Charakter;
sie war auch bald groß, stark, entschlossen, bald unsicher, schwanken!",
übereilt -- man kann zu keiner rechten Klarheit kommen. Linnv
dagegen, der Fürst aller Pflanzen, Blumen und Moos?, machte Buch¬
staben, die wie lauter feine Staubfäden und Pistille aussehen. Das
Prachtstück der Sammlung ist aber der "silberne Coder", den die
Schweden während des dreißigjährigen Krieges in einem Kloster zu
Westphalen fanden. Schwer in Silber gebunden, enthält das Buch
die vier Evangelisten aus der mvsogothischen Bibelübersetzung des
Ulfilas. Sie sind auf einem dunklen Pergament, dessen Farbe M-.


roth sind die Gebäude fast durchgehends angestrichen; ihre Dächer
werden mit Birkenrinde bedeckt, auf die man Nasen packt, und hohe
Schornsteine steigen über die Bedachung empor. Viele kleine frische
Baumgärtchen drängen sich zwischen die Wohnungen, und blickt man
von der Höhe zur Stadt hinab, dann nimmt sie sich wie ein Gericht
rother Krebse aus, das die Köchin mit grüner Petersilie verziert hat.
Nur um den Markt herum finden sich etliche alte Steinhäuser, und
das eine davon bewohnte Gustav Wasa, als er sich studirenshalber
zu Upsala aufhielt.

Die interessantesten Gebäude — der Dom, das Schloß und
die Bibliothek — heben sich auf drei Hügeln aus dem Häusergewirr
empor und beherrschen die Stadt. Unbedeutender sind die Universität
und das Museum, welches letztere auch im Innern nur eine kleine,
trostlose Bildersammlung enthält. Upsala besitzt außerdem ein Schau¬
spielhaus, doch sieht dasselbe so kalt, so stumpf und dumpf aus, daß
man sich trauriger Vorurtheile nicht erwehren kann und die Musen¬
söhne innig bedauert.

Die Bibliothek ist ein neuer, geschmackvoller Bau, der mit sei¬
nen großen Fensteraugen recht hell und heiter in die Welt hinauö-
blickt. Sie trägt die Inschrift: „On-olimr reäiviva", und nimmt den
Gipfel einer Anhöhe ein, das angenehmste Point de vue bildend.
Von einer Bibliothek läßt sich nicht viel erzählen; die Räume sind
frei und licht und nebst den Bücherreihen in ihrer stolzen gelehrten
Schweigsamkeit werden noch manche anziehende Dinge dort aufbe¬
wahrt. Man zeigte uns unter Anderm eine uralte Edda mit Feder¬
zeichnungen, König Karl's IX. eigenhändiges Tagebuch, ganze Bände
von Christinens Hand und Linn-z's Autobiographie im Manuscript.
Die Schriftzüge der Königin gemahnen lebhast an ihren Charakter;
sie war auch bald groß, stark, entschlossen, bald unsicher, schwanken!»,
übereilt — man kann zu keiner rechten Klarheit kommen. Linnv
dagegen, der Fürst aller Pflanzen, Blumen und Moos?, machte Buch¬
staben, die wie lauter feine Staubfäden und Pistille aussehen. Das
Prachtstück der Sammlung ist aber der „silberne Coder", den die
Schweden während des dreißigjährigen Krieges in einem Kloster zu
Westphalen fanden. Schwer in Silber gebunden, enthält das Buch
die vier Evangelisten aus der mvsogothischen Bibelübersetzung des
Ulfilas. Sie sind auf einem dunklen Pergament, dessen Farbe M-.


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[0252] roth sind die Gebäude fast durchgehends angestrichen; ihre Dächer werden mit Birkenrinde bedeckt, auf die man Nasen packt, und hohe Schornsteine steigen über die Bedachung empor. Viele kleine frische Baumgärtchen drängen sich zwischen die Wohnungen, und blickt man von der Höhe zur Stadt hinab, dann nimmt sie sich wie ein Gericht rother Krebse aus, das die Köchin mit grüner Petersilie verziert hat. Nur um den Markt herum finden sich etliche alte Steinhäuser, und das eine davon bewohnte Gustav Wasa, als er sich studirenshalber zu Upsala aufhielt. Die interessantesten Gebäude — der Dom, das Schloß und die Bibliothek — heben sich auf drei Hügeln aus dem Häusergewirr empor und beherrschen die Stadt. Unbedeutender sind die Universität und das Museum, welches letztere auch im Innern nur eine kleine, trostlose Bildersammlung enthält. Upsala besitzt außerdem ein Schau¬ spielhaus, doch sieht dasselbe so kalt, so stumpf und dumpf aus, daß man sich trauriger Vorurtheile nicht erwehren kann und die Musen¬ söhne innig bedauert. Die Bibliothek ist ein neuer, geschmackvoller Bau, der mit sei¬ nen großen Fensteraugen recht hell und heiter in die Welt hinauö- blickt. Sie trägt die Inschrift: „On-olimr reäiviva", und nimmt den Gipfel einer Anhöhe ein, das angenehmste Point de vue bildend. Von einer Bibliothek läßt sich nicht viel erzählen; die Räume sind frei und licht und nebst den Bücherreihen in ihrer stolzen gelehrten Schweigsamkeit werden noch manche anziehende Dinge dort aufbe¬ wahrt. Man zeigte uns unter Anderm eine uralte Edda mit Feder¬ zeichnungen, König Karl's IX. eigenhändiges Tagebuch, ganze Bände von Christinens Hand und Linn-z's Autobiographie im Manuscript. Die Schriftzüge der Königin gemahnen lebhast an ihren Charakter; sie war auch bald groß, stark, entschlossen, bald unsicher, schwanken!», übereilt — man kann zu keiner rechten Klarheit kommen. Linnv dagegen, der Fürst aller Pflanzen, Blumen und Moos?, machte Buch¬ staben, die wie lauter feine Staubfäden und Pistille aussehen. Das Prachtstück der Sammlung ist aber der „silberne Coder", den die Schweden während des dreißigjährigen Krieges in einem Kloster zu Westphalen fanden. Schwer in Silber gebunden, enthält das Buch die vier Evangelisten aus der mvsogothischen Bibelübersetzung des Ulfilas. Sie sind auf einem dunklen Pergament, dessen Farbe M-.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/252>, abgerufen am 01.09.2024.