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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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anderer von Rogge, ein dritter von Schliephake in Brüssel. Wir
erwähnen dies nicht darum, sondern darum. --

-- Das Königsberger Universitätsjubiläum erinnert uns mit sei¬
nen Nachwehen an die glänzenden Gesellschaften und Balle in man¬
chen Familien. Des Abends ist man Eine Lust und Leutseligkeit;
vor den Fremden ist man die Liebe selbst gegen Kinder und Dienst¬
boten. Am anderen Morgen aber geht's an ein Lamentiren und Heu¬
len, da bekommen die Kinder Schläge, die sich etwas übermüthig be¬
nommen, da wird die Magd gezüchtigt, die gestern ein Glas Wein
verschüttet u. s. w. Das Königsberger Universitätsjubiläum war wie
gemacht, um ein ganzes Anekdotenbüchlein voll der rührendsten Her-
ablassungs-, Volksthümlichkeits- und Freisinnigkeitszüge hoher und höch¬
ster Personen zu erzeugen. Die Greiner kommen nach. Jetzt werden
Leute untersucht, die zu einem Toast auf Jacoby conspirirt hatten.
Andere, die beim Begräbniß des Referendars Schade gewesen, endlich
Andere, wir wissen nicht, warum. Komisch aber ist, daß man wegen
der von den Universitäten Halle und Breslau eingesandten lateinischen
Gratulationsschreiben zu inquiriren anfängt und daß der "Rheinische
Beobachter diese Adressen allerdings entsetzlich und im Sinne der "Radica-
len" findet; es waren ja ganz unziemliche Anspielungen auf Rußland und
die Wöllner'sche Periode darin! Die Universitäten Halle und Breslau
radical! Wie soll man nicht an die Wöllner'sche Zeit denken, wenn
geistliche Ministerien so ängstlich nach jeder Anspielung spüren und
fahnden. Wir möchten nur wissen, was man in höheren Regionen,
wo es doch einen gewissen Geschmack und Esprit gibt, sich von sol¬
chen Thaten denkt. --

-- Seltsam gemahnt es Einen, wenn man in der Frankfurter
Didaskalia eine trockene "kurze Biographie Göthe's" liest. Dies ge¬
schieht nämlich zur Vorbereitung der Didaskalienleser auf die Ent¬
hüllung des Göthedenkmals am 22. October. Wissen die Frankfurter
so wenig von ihrem großen Bürger, daß ihnen mit einer antiquari¬
schen Aufzählung der Göthe'schen Schriften gedient ist? Oder ist es
schon so lange her, seit Göthe lebte?

-- Die Kölnische Zeitung berichtet: Während Gutzkow's "Zopf
und Schwert" in ganz Preußen verboten ist, wurde dieses Stück am
2. October in Se. Petersburg aufgeführt. Wahrscheinlich wird auch
Moritz von Sachsen dort gegeben werden?




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur I. Kuravda
Druck von Friedrich Andrä.

anderer von Rogge, ein dritter von Schliephake in Brüssel. Wir
erwähnen dies nicht darum, sondern darum. —

— Das Königsberger Universitätsjubiläum erinnert uns mit sei¬
nen Nachwehen an die glänzenden Gesellschaften und Balle in man¬
chen Familien. Des Abends ist man Eine Lust und Leutseligkeit;
vor den Fremden ist man die Liebe selbst gegen Kinder und Dienst¬
boten. Am anderen Morgen aber geht's an ein Lamentiren und Heu¬
len, da bekommen die Kinder Schläge, die sich etwas übermüthig be¬
nommen, da wird die Magd gezüchtigt, die gestern ein Glas Wein
verschüttet u. s. w. Das Königsberger Universitätsjubiläum war wie
gemacht, um ein ganzes Anekdotenbüchlein voll der rührendsten Her-
ablassungs-, Volksthümlichkeits- und Freisinnigkeitszüge hoher und höch¬
ster Personen zu erzeugen. Die Greiner kommen nach. Jetzt werden
Leute untersucht, die zu einem Toast auf Jacoby conspirirt hatten.
Andere, die beim Begräbniß des Referendars Schade gewesen, endlich
Andere, wir wissen nicht, warum. Komisch aber ist, daß man wegen
der von den Universitäten Halle und Breslau eingesandten lateinischen
Gratulationsschreiben zu inquiriren anfängt und daß der „Rheinische
Beobachter diese Adressen allerdings entsetzlich und im Sinne der „Radica-
len" findet; es waren ja ganz unziemliche Anspielungen auf Rußland und
die Wöllner'sche Periode darin! Die Universitäten Halle und Breslau
radical! Wie soll man nicht an die Wöllner'sche Zeit denken, wenn
geistliche Ministerien so ängstlich nach jeder Anspielung spüren und
fahnden. Wir möchten nur wissen, was man in höheren Regionen,
wo es doch einen gewissen Geschmack und Esprit gibt, sich von sol¬
chen Thaten denkt. —

— Seltsam gemahnt es Einen, wenn man in der Frankfurter
Didaskalia eine trockene „kurze Biographie Göthe's" liest. Dies ge¬
schieht nämlich zur Vorbereitung der Didaskalienleser auf die Ent¬
hüllung des Göthedenkmals am 22. October. Wissen die Frankfurter
so wenig von ihrem großen Bürger, daß ihnen mit einer antiquari¬
schen Aufzählung der Göthe'schen Schriften gedient ist? Oder ist es
schon so lange her, seit Göthe lebte?

— Die Kölnische Zeitung berichtet: Während Gutzkow's „Zopf
und Schwert" in ganz Preußen verboten ist, wurde dieses Stück am
2. October in Se. Petersburg aufgeführt. Wahrscheinlich wird auch
Moritz von Sachsen dort gegeben werden?




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuravda
Druck von Friedrich Andrä.
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[0244] anderer von Rogge, ein dritter von Schliephake in Brüssel. Wir erwähnen dies nicht darum, sondern darum. — — Das Königsberger Universitätsjubiläum erinnert uns mit sei¬ nen Nachwehen an die glänzenden Gesellschaften und Balle in man¬ chen Familien. Des Abends ist man Eine Lust und Leutseligkeit; vor den Fremden ist man die Liebe selbst gegen Kinder und Dienst¬ boten. Am anderen Morgen aber geht's an ein Lamentiren und Heu¬ len, da bekommen die Kinder Schläge, die sich etwas übermüthig be¬ nommen, da wird die Magd gezüchtigt, die gestern ein Glas Wein verschüttet u. s. w. Das Königsberger Universitätsjubiläum war wie gemacht, um ein ganzes Anekdotenbüchlein voll der rührendsten Her- ablassungs-, Volksthümlichkeits- und Freisinnigkeitszüge hoher und höch¬ ster Personen zu erzeugen. Die Greiner kommen nach. Jetzt werden Leute untersucht, die zu einem Toast auf Jacoby conspirirt hatten. Andere, die beim Begräbniß des Referendars Schade gewesen, endlich Andere, wir wissen nicht, warum. Komisch aber ist, daß man wegen der von den Universitäten Halle und Breslau eingesandten lateinischen Gratulationsschreiben zu inquiriren anfängt und daß der „Rheinische Beobachter diese Adressen allerdings entsetzlich und im Sinne der „Radica- len" findet; es waren ja ganz unziemliche Anspielungen auf Rußland und die Wöllner'sche Periode darin! Die Universitäten Halle und Breslau radical! Wie soll man nicht an die Wöllner'sche Zeit denken, wenn geistliche Ministerien so ängstlich nach jeder Anspielung spüren und fahnden. Wir möchten nur wissen, was man in höheren Regionen, wo es doch einen gewissen Geschmack und Esprit gibt, sich von sol¬ chen Thaten denkt. — — Seltsam gemahnt es Einen, wenn man in der Frankfurter Didaskalia eine trockene „kurze Biographie Göthe's" liest. Dies ge¬ schieht nämlich zur Vorbereitung der Didaskalienleser auf die Ent¬ hüllung des Göthedenkmals am 22. October. Wissen die Frankfurter so wenig von ihrem großen Bürger, daß ihnen mit einer antiquari¬ schen Aufzählung der Göthe'schen Schriften gedient ist? Oder ist es schon so lange her, seit Göthe lebte? — Die Kölnische Zeitung berichtet: Während Gutzkow's „Zopf und Schwert" in ganz Preußen verboten ist, wurde dieses Stück am 2. October in Se. Petersburg aufgeführt. Wahrscheinlich wird auch Moritz von Sachsen dort gegeben werden? Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuravda Druck von Friedrich Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/244>, abgerufen am 27.07.2024.