Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Schos Arnold! von Trier, den Christusrockaussteller, richtet und ihn,
im Namen des Evangeliums, als einen Tetzel des neunzehnten Jahr¬
hunderts der Verachtung der Nachwelt preisgibt, faßt ein protestan¬
tischer Ostpreuße in der Deutschen Allgemeinen die katholischen
Wallfahrten vom industriellen Standpunkte auf. Trier, meint er, und
dessen Umgegend hätten durch den Pilgerzulauf an Verkehr und ge¬
schäftlichem Leben unglaublich gewonnen; und er empfiehlt, bei Fisch¬
hausen dem heiligen Adalbert, der bei Bekehrung der heidnischen Preu¬
ßen umkam, auf Actien eine Kapelle zu bauen; Reliquien seien auch
noch in der Umgegend zu finden, und so wäre ein für das Land höchst
ersprießlicher Anlauf der Katholiken aus Lithauen, Posen und Ober¬
schlesien leicht zu bewirken. Für die Beförderung der Pilger solle man
Ertradampsfahrten einrichten. Ist diese gemischte Ehe zwischen Reli¬
gion und Industrie nicht sehr zeitgemäß? Wer ist nun unchristlicher,
der aufklärungseifrige Norge, oder der "tolerante" Wallfahrtsspecu-
lant aus Ostpreußen?

-- Feodor West, der Berliner Eorrespondent der "Eleganten",
mußte Krieger werden und nach Ncuruppin, einem der vielen preußi¬
schen Tonis, abmarschiren. Der Staat ist nun vor dem großen Re¬
bellen gerettet und zwar auf ganz gesetzlichem Wege. West ist, nach
der Eleganten, von sehr schwächlichem Körperbau, aber er wird seine
drei Jahre als "Schreiber" addieren, nicht von Correspondenzen, son¬
dern von Rapporten, Rechnungen :c. Der preußische Staat ist ganz
Berliner; er kann die Malice nicht lassen, selbst nicht in dem großen
Moment, wo er einen Reichs- und Erbfeind, wie Feodor West,
glücklich überwältigt hat.

--- In Königsberg nöthigte ein Lieutenant einen Referendar, der
sich im Rausch unbesonnen über eine hohe Person geäußert und die.
Aeußerung nachher zurücknahm, zum Aweikampf. Der Referendar
schoß dreimal in die Luft, der Lieutenant schoß ihn darauf dennoch
nieder. Der König soll sich sehr unwillig über den Vorfall geäußert
haben. Der Lieutenant wurde tiefsinnig, den Referendar, der mit den
Worten: "Herr von L., grcitulire zum Hauptmann" gestorben war,
begleitete halb Königsberg zum Grabe. Dies wird nun als politische
Demonstration angesehen und ein Beamter, der dem Begräbniß bei¬
gewohnt, deshalb bestraft. Hoffentlich wird sich der König auch dar¬
über unwillig äußern. Die Pointe aber ist folgende: Der Beamte
entschuldigte sich vor seinen Obern mit der Bemerkung, er habe nur
"als Mensch", nicht "als Politiker", dem Begräbniß beigewohnt.
Dieses "als Mensch!" (se die unglückseligste aller national-deutschen
Phrasen. Der Lieutenant'erschoß den Referendar auch nicht als Mensch,


Schos Arnold! von Trier, den Christusrockaussteller, richtet und ihn,
im Namen des Evangeliums, als einen Tetzel des neunzehnten Jahr¬
hunderts der Verachtung der Nachwelt preisgibt, faßt ein protestan¬
tischer Ostpreuße in der Deutschen Allgemeinen die katholischen
Wallfahrten vom industriellen Standpunkte auf. Trier, meint er, und
dessen Umgegend hätten durch den Pilgerzulauf an Verkehr und ge¬
schäftlichem Leben unglaublich gewonnen; und er empfiehlt, bei Fisch¬
hausen dem heiligen Adalbert, der bei Bekehrung der heidnischen Preu¬
ßen umkam, auf Actien eine Kapelle zu bauen; Reliquien seien auch
noch in der Umgegend zu finden, und so wäre ein für das Land höchst
ersprießlicher Anlauf der Katholiken aus Lithauen, Posen und Ober¬
schlesien leicht zu bewirken. Für die Beförderung der Pilger solle man
Ertradampsfahrten einrichten. Ist diese gemischte Ehe zwischen Reli¬
gion und Industrie nicht sehr zeitgemäß? Wer ist nun unchristlicher,
der aufklärungseifrige Norge, oder der „tolerante" Wallfahrtsspecu-
lant aus Ostpreußen?

— Feodor West, der Berliner Eorrespondent der „Eleganten",
mußte Krieger werden und nach Ncuruppin, einem der vielen preußi¬
schen Tonis, abmarschiren. Der Staat ist nun vor dem großen Re¬
bellen gerettet und zwar auf ganz gesetzlichem Wege. West ist, nach
der Eleganten, von sehr schwächlichem Körperbau, aber er wird seine
drei Jahre als „Schreiber" addieren, nicht von Correspondenzen, son¬
dern von Rapporten, Rechnungen :c. Der preußische Staat ist ganz
Berliner; er kann die Malice nicht lassen, selbst nicht in dem großen
Moment, wo er einen Reichs- und Erbfeind, wie Feodor West,
glücklich überwältigt hat.

-— In Königsberg nöthigte ein Lieutenant einen Referendar, der
sich im Rausch unbesonnen über eine hohe Person geäußert und die.
Aeußerung nachher zurücknahm, zum Aweikampf. Der Referendar
schoß dreimal in die Luft, der Lieutenant schoß ihn darauf dennoch
nieder. Der König soll sich sehr unwillig über den Vorfall geäußert
haben. Der Lieutenant wurde tiefsinnig, den Referendar, der mit den
Worten: „Herr von L., grcitulire zum Hauptmann" gestorben war,
begleitete halb Königsberg zum Grabe. Dies wird nun als politische
Demonstration angesehen und ein Beamter, der dem Begräbniß bei¬
gewohnt, deshalb bestraft. Hoffentlich wird sich der König auch dar¬
über unwillig äußern. Die Pointe aber ist folgende: Der Beamte
entschuldigte sich vor seinen Obern mit der Bemerkung, er habe nur
„als Mensch", nicht „als Politiker", dem Begräbniß beigewohnt.
Dieses „als Mensch!" (se die unglückseligste aller national-deutschen
Phrasen. Der Lieutenant'erschoß den Referendar auch nicht als Mensch,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0242" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181426"/>
            <p xml:id="ID_659" prev="#ID_658"> Schos Arnold! von Trier, den Christusrockaussteller, richtet und ihn,<lb/>
im Namen des Evangeliums, als einen Tetzel des neunzehnten Jahr¬<lb/>
hunderts der Verachtung der Nachwelt preisgibt, faßt ein protestan¬<lb/>
tischer Ostpreuße in der Deutschen Allgemeinen die katholischen<lb/>
Wallfahrten vom industriellen Standpunkte auf. Trier, meint er, und<lb/>
dessen Umgegend hätten durch den Pilgerzulauf an Verkehr und ge¬<lb/>
schäftlichem Leben unglaublich gewonnen; und er empfiehlt, bei Fisch¬<lb/>
hausen dem heiligen Adalbert, der bei Bekehrung der heidnischen Preu¬<lb/>
ßen umkam, auf Actien eine Kapelle zu bauen; Reliquien seien auch<lb/>
noch in der Umgegend zu finden, und so wäre ein für das Land höchst<lb/>
ersprießlicher Anlauf der Katholiken aus Lithauen, Posen und Ober¬<lb/>
schlesien leicht zu bewirken. Für die Beförderung der Pilger solle man<lb/>
Ertradampsfahrten einrichten. Ist diese gemischte Ehe zwischen Reli¬<lb/>
gion und Industrie nicht sehr zeitgemäß? Wer ist nun unchristlicher,<lb/>
der aufklärungseifrige Norge, oder der &#x201E;tolerante" Wallfahrtsspecu-<lb/>
lant aus Ostpreußen?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_660"> &#x2014; Feodor West, der Berliner Eorrespondent der &#x201E;Eleganten",<lb/>
mußte Krieger werden und nach Ncuruppin, einem der vielen preußi¬<lb/>
schen Tonis, abmarschiren. Der Staat ist nun vor dem großen Re¬<lb/>
bellen gerettet und zwar auf ganz gesetzlichem Wege. West ist, nach<lb/>
der Eleganten, von sehr schwächlichem Körperbau, aber er wird seine<lb/>
drei Jahre als &#x201E;Schreiber" addieren, nicht von Correspondenzen, son¬<lb/>
dern von Rapporten, Rechnungen :c. Der preußische Staat ist ganz<lb/>
Berliner; er kann die Malice nicht lassen, selbst nicht in dem großen<lb/>
Moment, wo er einen Reichs- und Erbfeind, wie Feodor West,<lb/>
glücklich überwältigt hat.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_661" next="#ID_662"> -&#x2014; In Königsberg nöthigte ein Lieutenant einen Referendar, der<lb/>
sich im Rausch unbesonnen über eine hohe Person geäußert und die.<lb/>
Aeußerung nachher zurücknahm, zum Aweikampf. Der Referendar<lb/>
schoß dreimal in die Luft, der Lieutenant schoß ihn darauf dennoch<lb/>
nieder. Der König soll sich sehr unwillig über den Vorfall geäußert<lb/>
haben. Der Lieutenant wurde tiefsinnig, den Referendar, der mit den<lb/>
Worten: &#x201E;Herr von L., grcitulire zum Hauptmann" gestorben war,<lb/>
begleitete halb Königsberg zum Grabe. Dies wird nun als politische<lb/>
Demonstration angesehen und ein Beamter, der dem Begräbniß bei¬<lb/>
gewohnt, deshalb bestraft. Hoffentlich wird sich der König auch dar¬<lb/>
über unwillig äußern. Die Pointe aber ist folgende: Der Beamte<lb/>
entschuldigte sich vor seinen Obern mit der Bemerkung, er habe nur<lb/>
&#x201E;als Mensch", nicht &#x201E;als Politiker", dem Begräbniß beigewohnt.<lb/>
Dieses &#x201E;als Mensch!" (se die unglückseligste aller national-deutschen<lb/>
Phrasen. Der Lieutenant'erschoß den Referendar auch nicht als Mensch,</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0242] Schos Arnold! von Trier, den Christusrockaussteller, richtet und ihn, im Namen des Evangeliums, als einen Tetzel des neunzehnten Jahr¬ hunderts der Verachtung der Nachwelt preisgibt, faßt ein protestan¬ tischer Ostpreuße in der Deutschen Allgemeinen die katholischen Wallfahrten vom industriellen Standpunkte auf. Trier, meint er, und dessen Umgegend hätten durch den Pilgerzulauf an Verkehr und ge¬ schäftlichem Leben unglaublich gewonnen; und er empfiehlt, bei Fisch¬ hausen dem heiligen Adalbert, der bei Bekehrung der heidnischen Preu¬ ßen umkam, auf Actien eine Kapelle zu bauen; Reliquien seien auch noch in der Umgegend zu finden, und so wäre ein für das Land höchst ersprießlicher Anlauf der Katholiken aus Lithauen, Posen und Ober¬ schlesien leicht zu bewirken. Für die Beförderung der Pilger solle man Ertradampsfahrten einrichten. Ist diese gemischte Ehe zwischen Reli¬ gion und Industrie nicht sehr zeitgemäß? Wer ist nun unchristlicher, der aufklärungseifrige Norge, oder der „tolerante" Wallfahrtsspecu- lant aus Ostpreußen? — Feodor West, der Berliner Eorrespondent der „Eleganten", mußte Krieger werden und nach Ncuruppin, einem der vielen preußi¬ schen Tonis, abmarschiren. Der Staat ist nun vor dem großen Re¬ bellen gerettet und zwar auf ganz gesetzlichem Wege. West ist, nach der Eleganten, von sehr schwächlichem Körperbau, aber er wird seine drei Jahre als „Schreiber" addieren, nicht von Correspondenzen, son¬ dern von Rapporten, Rechnungen :c. Der preußische Staat ist ganz Berliner; er kann die Malice nicht lassen, selbst nicht in dem großen Moment, wo er einen Reichs- und Erbfeind, wie Feodor West, glücklich überwältigt hat. -— In Königsberg nöthigte ein Lieutenant einen Referendar, der sich im Rausch unbesonnen über eine hohe Person geäußert und die. Aeußerung nachher zurücknahm, zum Aweikampf. Der Referendar schoß dreimal in die Luft, der Lieutenant schoß ihn darauf dennoch nieder. Der König soll sich sehr unwillig über den Vorfall geäußert haben. Der Lieutenant wurde tiefsinnig, den Referendar, der mit den Worten: „Herr von L., grcitulire zum Hauptmann" gestorben war, begleitete halb Königsberg zum Grabe. Dies wird nun als politische Demonstration angesehen und ein Beamter, der dem Begräbniß bei¬ gewohnt, deshalb bestraft. Hoffentlich wird sich der König auch dar¬ über unwillig äußern. Die Pointe aber ist folgende: Der Beamte entschuldigte sich vor seinen Obern mit der Bemerkung, er habe nur „als Mensch", nicht „als Politiker", dem Begräbniß beigewohnt. Dieses „als Mensch!" (se die unglückseligste aller national-deutschen Phrasen. Der Lieutenant'erschoß den Referendar auch nicht als Mensch,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/242
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/242>, abgerufen am 01.09.2024.