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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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allerhöchster Herrschaften, die Dutzendlandschaften, die geistreichen
"Pferdeschwemmen" und andere Genrebilder, die zahllosen Lithogra¬
phien und andere Kunstwerke mustere, die wohl eher auf der Indu¬
strieausstellung an ihrem Platze gewesen wären. Nur einige Bemer¬
kungen oder vielmehr unmaßgebliche Fragen werden Sie mir zum
Schluß gestatten.

Was heißt eine Berliner Kunstausstellung? Verdient
Berlin die Ehre, eine Ausstellung in seinen Mauern eine Berli¬
ner Ausstellung nennen zu dürfen? Wenn die bedeutendsten Bilder
aus weiter Ferne hierhergeschickt und zum Verkauf ausgestellt wer¬
den? Ist das nicht eher eine Bildermesse zu nennen?

Oder soll man daS eine deutsche Kunstausstellung tituliren,
wo von Lessing, Kaulbach, Veit, Cornelius, Führich, Bendemann
u. A. auch nicht ein Pinselstrich zu sehen ist? Wo vielmehr der
größte Theil der guten Leistungen ausländischen, d. h. nicht etwa
nichtpreußischen, sondern wirklich ausländischen, französischen, belgi¬
schen oder polnischen Händen verdankt wird; wo nur die Mittel¬
mäßigen, die Kümmeltürken, die auch im Geiste nicht weit her sind,
das künstlerische Vaterland repräsentiren?

Endlich, was soll man zur deutschen Einheit sagen? Die ein¬
zige Einheit, die uns weder von der Aengstlichkeit des Bundestags,
noch von russischen und römischen Noten gestört wird, ja die man
uns doch selber als die einzig "währe und ausführbare" anpreist, soll ja
die des Geistes, der Wissenschaft, der Kunst sein. Und Ihr, o Wien
und o Berlin, könnt Euch nicht einmal auf der Leinwand vertra¬
gen? Warum zeigt sich auf der Berliner Kunstausstellung nicht ein
einziges Gemälde aus Wien? Es ist wahr, die Wiener haben ihre
eigene Ausstellung. Aber würde eS nicht sowohl das Interesse der
Kunst, wie das Einheitsgefühl und das Renommee der Künstler för¬
dern, wenn die Berliner ein Mal in Wien und die Wiener in Ber¬
lin gastirten? Fürchten die Maler, daß. ihre Kinder von den Dou-
aniers des Zollvereins belästigt werden könnten? Aber es haben
ja Wiener Handschuhe in Unzahl auf der GeWerbeausstellung figu-
rirt. Oder soll man denken, daß die Industrie wirklich besser die
Bedürfnisse der Zeit versteht, als die Kunst und daß dieser nur ihr
Recht wird e
v. G. , wenn sie jetzt überall ihrer prosaischen Stifschwester
weichen muß?




allerhöchster Herrschaften, die Dutzendlandschaften, die geistreichen
„Pferdeschwemmen" und andere Genrebilder, die zahllosen Lithogra¬
phien und andere Kunstwerke mustere, die wohl eher auf der Indu¬
strieausstellung an ihrem Platze gewesen wären. Nur einige Bemer¬
kungen oder vielmehr unmaßgebliche Fragen werden Sie mir zum
Schluß gestatten.

Was heißt eine Berliner Kunstausstellung? Verdient
Berlin die Ehre, eine Ausstellung in seinen Mauern eine Berli¬
ner Ausstellung nennen zu dürfen? Wenn die bedeutendsten Bilder
aus weiter Ferne hierhergeschickt und zum Verkauf ausgestellt wer¬
den? Ist das nicht eher eine Bildermesse zu nennen?

Oder soll man daS eine deutsche Kunstausstellung tituliren,
wo von Lessing, Kaulbach, Veit, Cornelius, Führich, Bendemann
u. A. auch nicht ein Pinselstrich zu sehen ist? Wo vielmehr der
größte Theil der guten Leistungen ausländischen, d. h. nicht etwa
nichtpreußischen, sondern wirklich ausländischen, französischen, belgi¬
schen oder polnischen Händen verdankt wird; wo nur die Mittel¬
mäßigen, die Kümmeltürken, die auch im Geiste nicht weit her sind,
das künstlerische Vaterland repräsentiren?

Endlich, was soll man zur deutschen Einheit sagen? Die ein¬
zige Einheit, die uns weder von der Aengstlichkeit des Bundestags,
noch von russischen und römischen Noten gestört wird, ja die man
uns doch selber als die einzig „währe und ausführbare" anpreist, soll ja
die des Geistes, der Wissenschaft, der Kunst sein. Und Ihr, o Wien
und o Berlin, könnt Euch nicht einmal auf der Leinwand vertra¬
gen? Warum zeigt sich auf der Berliner Kunstausstellung nicht ein
einziges Gemälde aus Wien? Es ist wahr, die Wiener haben ihre
eigene Ausstellung. Aber würde eS nicht sowohl das Interesse der
Kunst, wie das Einheitsgefühl und das Renommee der Künstler för¬
dern, wenn die Berliner ein Mal in Wien und die Wiener in Ber¬
lin gastirten? Fürchten die Maler, daß. ihre Kinder von den Dou-
aniers des Zollvereins belästigt werden könnten? Aber es haben
ja Wiener Handschuhe in Unzahl auf der GeWerbeausstellung figu-
rirt. Oder soll man denken, daß die Industrie wirklich besser die
Bedürfnisse der Zeit versteht, als die Kunst und daß dieser nur ihr
Recht wird e
v. G. , wenn sie jetzt überall ihrer prosaischen Stifschwester
weichen muß?




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[0234] allerhöchster Herrschaften, die Dutzendlandschaften, die geistreichen „Pferdeschwemmen" und andere Genrebilder, die zahllosen Lithogra¬ phien und andere Kunstwerke mustere, die wohl eher auf der Indu¬ strieausstellung an ihrem Platze gewesen wären. Nur einige Bemer¬ kungen oder vielmehr unmaßgebliche Fragen werden Sie mir zum Schluß gestatten. Was heißt eine Berliner Kunstausstellung? Verdient Berlin die Ehre, eine Ausstellung in seinen Mauern eine Berli¬ ner Ausstellung nennen zu dürfen? Wenn die bedeutendsten Bilder aus weiter Ferne hierhergeschickt und zum Verkauf ausgestellt wer¬ den? Ist das nicht eher eine Bildermesse zu nennen? Oder soll man daS eine deutsche Kunstausstellung tituliren, wo von Lessing, Kaulbach, Veit, Cornelius, Führich, Bendemann u. A. auch nicht ein Pinselstrich zu sehen ist? Wo vielmehr der größte Theil der guten Leistungen ausländischen, d. h. nicht etwa nichtpreußischen, sondern wirklich ausländischen, französischen, belgi¬ schen oder polnischen Händen verdankt wird; wo nur die Mittel¬ mäßigen, die Kümmeltürken, die auch im Geiste nicht weit her sind, das künstlerische Vaterland repräsentiren? Endlich, was soll man zur deutschen Einheit sagen? Die ein¬ zige Einheit, die uns weder von der Aengstlichkeit des Bundestags, noch von russischen und römischen Noten gestört wird, ja die man uns doch selber als die einzig „währe und ausführbare" anpreist, soll ja die des Geistes, der Wissenschaft, der Kunst sein. Und Ihr, o Wien und o Berlin, könnt Euch nicht einmal auf der Leinwand vertra¬ gen? Warum zeigt sich auf der Berliner Kunstausstellung nicht ein einziges Gemälde aus Wien? Es ist wahr, die Wiener haben ihre eigene Ausstellung. Aber würde eS nicht sowohl das Interesse der Kunst, wie das Einheitsgefühl und das Renommee der Künstler för¬ dern, wenn die Berliner ein Mal in Wien und die Wiener in Ber¬ lin gastirten? Fürchten die Maler, daß. ihre Kinder von den Dou- aniers des Zollvereins belästigt werden könnten? Aber es haben ja Wiener Handschuhe in Unzahl auf der GeWerbeausstellung figu- rirt. Oder soll man denken, daß die Industrie wirklich besser die Bedürfnisse der Zeit versteht, als die Kunst und daß dieser nur ihr Recht wird e v. G. , wenn sie jetzt überall ihrer prosaischen Stifschwester weichen muß?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/234>, abgerufen am 01.09.2024.