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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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langt, so ist das Volk wie überall im Gebirge noch in manchen
Vorurtheilen befangen, aber in den Städten hat die fortschreitende
Bildung eine Freisinnigkeit gefördert, die freilich nicht in jener Leicht¬
fertigkeit und Gleichgiltigkeit gegen Religion und Kirche besteht, wie
in neuerer Zeit in manchen Gegenden Spaniens, wo die Ertreme
sich berühren; die Geistlichkeit ist im Ganzen gebildeter und von frei¬
eren Ansichten, als in Catalonien, und wenn sich auch unter den Anhän¬
gern des Prätendenten, oder vielmehr in der carlistischen Armee, was
keineswegs gleichbedeutend, viele Geistliche befanden, so waren dies nichl
so sehr fanatische Priester als wahre Nationalbasken, die aus denselben
Gründen, wie ihre übrigen Landsleute, die Waffen erhoben. -- Die
vom Bischof von Leon, dem Pater Cyrillo und anderen Rathgebern
des PfaffenknechtS Don Carlos ausgehenden Demonstrationen brach¬
ten bei den aufgeklärten Basken nur Widerwillen hervor.

In diesen Bergen, gegen ein Volk, dessen Herz und Gemüth
für die einmal ergriffene Sache mitstreitet, hatten die christinischen
Truppen zu kämpfen. Die Christinos besaßen nur den Boden und
die Punkte, die sie eben betraten; den Carlisten war das Land, das
sie geboren, unter allen Wechselfällen ein Asyl. Aus den Häusern,
wo die Christinos sich oft erst mit Waffengewalt die Thüre öffnen
mußten, diente ein Sohn, ein Bruder, ein Verwandter in den feindlichen
Reihen, die Häuser, die der Carlist betrat, waren ihm gastfreundlich, wurden
freiwillig sein Spital, sein Versteck, seine VoriathSkainmer, sein Arse¬
nal. Der eingeborne Soldat half dem Bauer häufig ackern und
erndten. Dafür waren Kinder und Weiber, Männer und Greise
Spione für ihn; den verhaßten Fremdling, -- den Castilianer --
wie ein Irrwisch zu verlocken, durch falsche Winke in's Verderben
zu führen, war ein gutes Werk. Französische und englische Contre-
bandiers brachten Blei und Pulver gegen französische und englische
Truppen. Und dieses, in einander verwachsene, mit einander ver¬
schworene carlistische Heer und Volk wurde von ausgelernten Gue¬
rillakriegern geführt, von Männern, die zum Theil seit früher Jugend
bei Contrebandiers in die Schule gegangen waren. Wer das be¬
denkt, wird nicht, wie es so häufig geschieht, die Mißgeschicke der
christinischen Generäle ihrer Untüchtigkeit, oder gar ihrem Verrath
zuschreiben. --

Wer einmal an ihrem Herde saß oder die Waffen gegen sie


langt, so ist das Volk wie überall im Gebirge noch in manchen
Vorurtheilen befangen, aber in den Städten hat die fortschreitende
Bildung eine Freisinnigkeit gefördert, die freilich nicht in jener Leicht¬
fertigkeit und Gleichgiltigkeit gegen Religion und Kirche besteht, wie
in neuerer Zeit in manchen Gegenden Spaniens, wo die Ertreme
sich berühren; die Geistlichkeit ist im Ganzen gebildeter und von frei¬
eren Ansichten, als in Catalonien, und wenn sich auch unter den Anhän¬
gern des Prätendenten, oder vielmehr in der carlistischen Armee, was
keineswegs gleichbedeutend, viele Geistliche befanden, so waren dies nichl
so sehr fanatische Priester als wahre Nationalbasken, die aus denselben
Gründen, wie ihre übrigen Landsleute, die Waffen erhoben. — Die
vom Bischof von Leon, dem Pater Cyrillo und anderen Rathgebern
des PfaffenknechtS Don Carlos ausgehenden Demonstrationen brach¬
ten bei den aufgeklärten Basken nur Widerwillen hervor.

In diesen Bergen, gegen ein Volk, dessen Herz und Gemüth
für die einmal ergriffene Sache mitstreitet, hatten die christinischen
Truppen zu kämpfen. Die Christinos besaßen nur den Boden und
die Punkte, die sie eben betraten; den Carlisten war das Land, das
sie geboren, unter allen Wechselfällen ein Asyl. Aus den Häusern,
wo die Christinos sich oft erst mit Waffengewalt die Thüre öffnen
mußten, diente ein Sohn, ein Bruder, ein Verwandter in den feindlichen
Reihen, die Häuser, die der Carlist betrat, waren ihm gastfreundlich, wurden
freiwillig sein Spital, sein Versteck, seine VoriathSkainmer, sein Arse¬
nal. Der eingeborne Soldat half dem Bauer häufig ackern und
erndten. Dafür waren Kinder und Weiber, Männer und Greise
Spione für ihn; den verhaßten Fremdling, — den Castilianer —
wie ein Irrwisch zu verlocken, durch falsche Winke in's Verderben
zu führen, war ein gutes Werk. Französische und englische Contre-
bandiers brachten Blei und Pulver gegen französische und englische
Truppen. Und dieses, in einander verwachsene, mit einander ver¬
schworene carlistische Heer und Volk wurde von ausgelernten Gue¬
rillakriegern geführt, von Männern, die zum Theil seit früher Jugend
bei Contrebandiers in die Schule gegangen waren. Wer das be¬
denkt, wird nicht, wie es so häufig geschieht, die Mißgeschicke der
christinischen Generäle ihrer Untüchtigkeit, oder gar ihrem Verrath
zuschreiben. —

Wer einmal an ihrem Herde saß oder die Waffen gegen sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/222>, abgerufen am 01.09.2024.