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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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haltenen Auftrags: "daß Herr Geh.-Rath Schlosser Ihnen weder
privatim noch öffentlich, noch gerichtlich antworten werde, da er Sie
gar nicht kenne und nicht begreife, was Sie wollten."

Was bleibt nun noch vom Anklagegrund? Blos die Vermuth¬
ung, daß in einer großen Gesellschaft Franckh mit Schlosser ein
Paar flüchtige Worte über diese Angelegenheit gewechselt habe,
die Schlosser sammt der Persönlichkeit des Herrn Franckh gleich wie¬
der vergaß. -

Aber Franckh wartet nicht, bis er den nächsten Tag mit Schlos¬
ser die Sache in's Reine gebracht haben wird, denn am nächsten
Morgen soll ja darüber gesprochen werden, wie er angibt; er eilt
stehenden Fußes aus Schlosser's Garten zu Dr. Karl Hagen und
beauftragt diesen, unverzüglich eine lobposaunende Anzeige über
"Schlosser und seine Weltgeschichte" in die Augsburger Zeitung zu
schicken, in der sie auch am 30. Mai erschien.

Erst nachdem dieser Auftrag gegeben, wird der Contract ent¬
worfen, mit Franckh's Unterschrift Schlossern vorgelegt und von die¬
sem ' zurückgewiesen.

Man erstaunt wahrlich, wenn man Seite 32. liest und Schlos¬
ser's Unterschrift vermißt und Franckh's Worte hört. Genau so:


"Heidelberg, den 23. Mai 1842.
Gezeichnet:
Gezeichnet: F. G. Franckh, Buchhändler in
Stuttgart.

Aus diesem Documente ersieht Jedermann, daß der Vertrag
rechts giltig für beide Theile ist, obgleich der Name des Herrn
Schlosser darunter fehlt. Kann eine Naivetät größer sein? Darf
man das Dreistigkeit nennen?

Noch ein Wort über den Contract selbst. Scheinbar lautet er
zu Schlosser's Gunsten, im Grund erhielte er aber bei einer Auflage
von zehntausend und mehr Exemplaren höchstens einige dreißig Tha¬
ler für den Bogen.

Nachdem Schlosser es abgelehnt hat, will Franckh ihn zwin¬
gen, ihm dennoch eine populäre Weltgeschichte zu schreiben. Darum
dreht sich alles Folgende. Die Naivetät bleibt sich überall gleich.
Nur noch die Bemerkung, daß nun Franckh im höchsten Grade aus¬
fällig gegen Schlosser wird, von dessen "Edelmuth und biederen Cha-


Grenzbotcn 1844. II. 27

haltenen Auftrags: „daß Herr Geh.-Rath Schlosser Ihnen weder
privatim noch öffentlich, noch gerichtlich antworten werde, da er Sie
gar nicht kenne und nicht begreife, was Sie wollten."

Was bleibt nun noch vom Anklagegrund? Blos die Vermuth¬
ung, daß in einer großen Gesellschaft Franckh mit Schlosser ein
Paar flüchtige Worte über diese Angelegenheit gewechselt habe,
die Schlosser sammt der Persönlichkeit des Herrn Franckh gleich wie¬
der vergaß. -

Aber Franckh wartet nicht, bis er den nächsten Tag mit Schlos¬
ser die Sache in's Reine gebracht haben wird, denn am nächsten
Morgen soll ja darüber gesprochen werden, wie er angibt; er eilt
stehenden Fußes aus Schlosser's Garten zu Dr. Karl Hagen und
beauftragt diesen, unverzüglich eine lobposaunende Anzeige über
„Schlosser und seine Weltgeschichte" in die Augsburger Zeitung zu
schicken, in der sie auch am 30. Mai erschien.

Erst nachdem dieser Auftrag gegeben, wird der Contract ent¬
worfen, mit Franckh's Unterschrift Schlossern vorgelegt und von die¬
sem ' zurückgewiesen.

Man erstaunt wahrlich, wenn man Seite 32. liest und Schlos¬
ser's Unterschrift vermißt und Franckh's Worte hört. Genau so:


„Heidelberg, den 23. Mai 1842.
Gezeichnet:
Gezeichnet: F. G. Franckh, Buchhändler in
Stuttgart.

Aus diesem Documente ersieht Jedermann, daß der Vertrag
rechts giltig für beide Theile ist, obgleich der Name des Herrn
Schlosser darunter fehlt. Kann eine Naivetät größer sein? Darf
man das Dreistigkeit nennen?

Noch ein Wort über den Contract selbst. Scheinbar lautet er
zu Schlosser's Gunsten, im Grund erhielte er aber bei einer Auflage
von zehntausend und mehr Exemplaren höchstens einige dreißig Tha¬
ler für den Bogen.

Nachdem Schlosser es abgelehnt hat, will Franckh ihn zwin¬
gen, ihm dennoch eine populäre Weltgeschichte zu schreiben. Darum
dreht sich alles Folgende. Die Naivetät bleibt sich überall gleich.
Nur noch die Bemerkung, daß nun Franckh im höchsten Grade aus¬
fällig gegen Schlosser wird, von dessen „Edelmuth und biederen Cha-


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[0213] haltenen Auftrags: „daß Herr Geh.-Rath Schlosser Ihnen weder privatim noch öffentlich, noch gerichtlich antworten werde, da er Sie gar nicht kenne und nicht begreife, was Sie wollten." Was bleibt nun noch vom Anklagegrund? Blos die Vermuth¬ ung, daß in einer großen Gesellschaft Franckh mit Schlosser ein Paar flüchtige Worte über diese Angelegenheit gewechselt habe, die Schlosser sammt der Persönlichkeit des Herrn Franckh gleich wie¬ der vergaß. - Aber Franckh wartet nicht, bis er den nächsten Tag mit Schlos¬ ser die Sache in's Reine gebracht haben wird, denn am nächsten Morgen soll ja darüber gesprochen werden, wie er angibt; er eilt stehenden Fußes aus Schlosser's Garten zu Dr. Karl Hagen und beauftragt diesen, unverzüglich eine lobposaunende Anzeige über „Schlosser und seine Weltgeschichte" in die Augsburger Zeitung zu schicken, in der sie auch am 30. Mai erschien. Erst nachdem dieser Auftrag gegeben, wird der Contract ent¬ worfen, mit Franckh's Unterschrift Schlossern vorgelegt und von die¬ sem ' zurückgewiesen. Man erstaunt wahrlich, wenn man Seite 32. liest und Schlos¬ ser's Unterschrift vermißt und Franckh's Worte hört. Genau so: „Heidelberg, den 23. Mai 1842. Gezeichnet: Gezeichnet: F. G. Franckh, Buchhändler in Stuttgart. Aus diesem Documente ersieht Jedermann, daß der Vertrag rechts giltig für beide Theile ist, obgleich der Name des Herrn Schlosser darunter fehlt. Kann eine Naivetät größer sein? Darf man das Dreistigkeit nennen? Noch ein Wort über den Contract selbst. Scheinbar lautet er zu Schlosser's Gunsten, im Grund erhielte er aber bei einer Auflage von zehntausend und mehr Exemplaren höchstens einige dreißig Tha¬ ler für den Bogen. Nachdem Schlosser es abgelehnt hat, will Franckh ihn zwin¬ gen, ihm dennoch eine populäre Weltgeschichte zu schreiben. Darum dreht sich alles Folgende. Die Naivetät bleibt sich überall gleich. Nur noch die Bemerkung, daß nun Franckh im höchsten Grade aus¬ fällig gegen Schlosser wird, von dessen „Edelmuth und biederen Cha- Grenzbotcn 1844. II. 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/213>, abgerufen am 01.09.2024.