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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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genähert hat, so ist dieser: Schlosser in Heidelberg. Die in Erstau¬
nen Setzende Ausbreitung seiner Quellenstudien gibt den zweiten
Grund, welcher seine Werke so bedeutend erscheinen läßt. Selbst
wo er, wie oft in der Geschichte des Morgenlandes, seine Ansicht
der Zeit nicht aus erster Hand gewinnen konnte, hat er gethan, was bei
dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft möglich war. In der
Erzählung der Ereignisse bis zum Ausgang des Mittelalters schildert
Schlosser alle Hauptverhältnisse nach der Anleitung, welche die bes¬
seren Gewährsmänner geben, in der Geschichte der neueren Zeit hat
er auch jedes einzelne Nebenstück aus unmittelbaren Zeugnissen dar¬
gestellt. Der Ertrag eines in historischen Studien hingebrachten Le¬
bens liegt uns in seiner Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts vor.
Schlosser hat einen Theil der Zeit, die sein Griffel beschreibt, selbst
erlebt, so manchen Mann von Bedeutung noch selbst gesehen, so man¬
ches Verhältniß richtiger durchschaut, weil er die in dasselbe verwik-
kelten Personen noch sprach, hat in Verwandten und Bekannten den
Widerschein der vergangenen Tage erkannt, hat rastlos geforscht, im¬
mer von Neuem in Vorlesungen vor eifrig forschenden Musensöhnen
mit Lust und Liebe das Bild dieses Jahrhunderts entworfen und
gibt uns nun mit der feurigen Kühnheit des Jünglings und der rei¬
fen Umsicht des Greises, in seiner Schlichtheit beredt, das, was er
aus so vielem Lesen, Betrachten und Darstellen gewonnen hat. Wie
umfassend das Werk auch ist, so hat er doch nirgends einem ande¬
ren Bearbeiter nachgesprochen. Natürlich kann das Studium nicht
überall das gleiche sein. Hören wir aber, was er an einer Stelle,
in der Abweisung eines Angriffs im englischen Athenäum gelegentlich
über seine Bemühungen zur englischen Geschichte sagt: "In dem Falle
hätten auch die Deutschen sehr unrecht, ihrer bekannten Bewunderung
alles Englischen ungetreu zu werven, weil sie nicht vierzig Jahre
lang ihre Augen, wie der Verfasser, mit Lesen der unzähligen feinge¬
drückten Spalten ungeheuerer Zeitungen und der Berichte der Par-
lameiUsausschüsse ermüdet haben. Sie haben nicht nöthig, wie der
Verfasser dieser Geschichte, Excerpte über Polizei, Kohlengruben, über
Vagabundenwesen, über Armenpflege in den einzelnen Districten, über
Gefängnisse, über Jnspectoren und Vorsteher derselben, über Noth
im Lande, über den Ertrag der königlich-bischöflichen Collecte sür
allgemeine Noch mit dem Glanz der Reise nach Schottland, dem


genähert hat, so ist dieser: Schlosser in Heidelberg. Die in Erstau¬
nen Setzende Ausbreitung seiner Quellenstudien gibt den zweiten
Grund, welcher seine Werke so bedeutend erscheinen läßt. Selbst
wo er, wie oft in der Geschichte des Morgenlandes, seine Ansicht
der Zeit nicht aus erster Hand gewinnen konnte, hat er gethan, was bei
dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft möglich war. In der
Erzählung der Ereignisse bis zum Ausgang des Mittelalters schildert
Schlosser alle Hauptverhältnisse nach der Anleitung, welche die bes¬
seren Gewährsmänner geben, in der Geschichte der neueren Zeit hat
er auch jedes einzelne Nebenstück aus unmittelbaren Zeugnissen dar¬
gestellt. Der Ertrag eines in historischen Studien hingebrachten Le¬
bens liegt uns in seiner Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts vor.
Schlosser hat einen Theil der Zeit, die sein Griffel beschreibt, selbst
erlebt, so manchen Mann von Bedeutung noch selbst gesehen, so man¬
ches Verhältniß richtiger durchschaut, weil er die in dasselbe verwik-
kelten Personen noch sprach, hat in Verwandten und Bekannten den
Widerschein der vergangenen Tage erkannt, hat rastlos geforscht, im¬
mer von Neuem in Vorlesungen vor eifrig forschenden Musensöhnen
mit Lust und Liebe das Bild dieses Jahrhunderts entworfen und
gibt uns nun mit der feurigen Kühnheit des Jünglings und der rei¬
fen Umsicht des Greises, in seiner Schlichtheit beredt, das, was er
aus so vielem Lesen, Betrachten und Darstellen gewonnen hat. Wie
umfassend das Werk auch ist, so hat er doch nirgends einem ande¬
ren Bearbeiter nachgesprochen. Natürlich kann das Studium nicht
überall das gleiche sein. Hören wir aber, was er an einer Stelle,
in der Abweisung eines Angriffs im englischen Athenäum gelegentlich
über seine Bemühungen zur englischen Geschichte sagt: „In dem Falle
hätten auch die Deutschen sehr unrecht, ihrer bekannten Bewunderung
alles Englischen ungetreu zu werven, weil sie nicht vierzig Jahre
lang ihre Augen, wie der Verfasser, mit Lesen der unzähligen feinge¬
drückten Spalten ungeheuerer Zeitungen und der Berichte der Par-
lameiUsausschüsse ermüdet haben. Sie haben nicht nöthig, wie der
Verfasser dieser Geschichte, Excerpte über Polizei, Kohlengruben, über
Vagabundenwesen, über Armenpflege in den einzelnen Districten, über
Gefängnisse, über Jnspectoren und Vorsteher derselben, über Noth
im Lande, über den Ertrag der königlich-bischöflichen Collecte sür
allgemeine Noch mit dem Glanz der Reise nach Schottland, dem


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[0204] genähert hat, so ist dieser: Schlosser in Heidelberg. Die in Erstau¬ nen Setzende Ausbreitung seiner Quellenstudien gibt den zweiten Grund, welcher seine Werke so bedeutend erscheinen läßt. Selbst wo er, wie oft in der Geschichte des Morgenlandes, seine Ansicht der Zeit nicht aus erster Hand gewinnen konnte, hat er gethan, was bei dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft möglich war. In der Erzählung der Ereignisse bis zum Ausgang des Mittelalters schildert Schlosser alle Hauptverhältnisse nach der Anleitung, welche die bes¬ seren Gewährsmänner geben, in der Geschichte der neueren Zeit hat er auch jedes einzelne Nebenstück aus unmittelbaren Zeugnissen dar¬ gestellt. Der Ertrag eines in historischen Studien hingebrachten Le¬ bens liegt uns in seiner Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts vor. Schlosser hat einen Theil der Zeit, die sein Griffel beschreibt, selbst erlebt, so manchen Mann von Bedeutung noch selbst gesehen, so man¬ ches Verhältniß richtiger durchschaut, weil er die in dasselbe verwik- kelten Personen noch sprach, hat in Verwandten und Bekannten den Widerschein der vergangenen Tage erkannt, hat rastlos geforscht, im¬ mer von Neuem in Vorlesungen vor eifrig forschenden Musensöhnen mit Lust und Liebe das Bild dieses Jahrhunderts entworfen und gibt uns nun mit der feurigen Kühnheit des Jünglings und der rei¬ fen Umsicht des Greises, in seiner Schlichtheit beredt, das, was er aus so vielem Lesen, Betrachten und Darstellen gewonnen hat. Wie umfassend das Werk auch ist, so hat er doch nirgends einem ande¬ ren Bearbeiter nachgesprochen. Natürlich kann das Studium nicht überall das gleiche sein. Hören wir aber, was er an einer Stelle, in der Abweisung eines Angriffs im englischen Athenäum gelegentlich über seine Bemühungen zur englischen Geschichte sagt: „In dem Falle hätten auch die Deutschen sehr unrecht, ihrer bekannten Bewunderung alles Englischen ungetreu zu werven, weil sie nicht vierzig Jahre lang ihre Augen, wie der Verfasser, mit Lesen der unzähligen feinge¬ drückten Spalten ungeheuerer Zeitungen und der Berichte der Par- lameiUsausschüsse ermüdet haben. Sie haben nicht nöthig, wie der Verfasser dieser Geschichte, Excerpte über Polizei, Kohlengruben, über Vagabundenwesen, über Armenpflege in den einzelnen Districten, über Gefängnisse, über Jnspectoren und Vorsteher derselben, über Noth im Lande, über den Ertrag der königlich-bischöflichen Collecte sür allgemeine Noch mit dem Glanz der Reise nach Schottland, dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/204>, abgerufen am 01.09.2024.