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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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ihn Halblaut: Meier! Dieser dreht sich lächelnd um und hält der, Fin¬
ger auf den Mund. Es war der Minister von Bodelschwingh.

-- IM Wart, dessen Schicksal- bei seinem Rciseversuch nach
Leipzig .wir schon früher in diesen Blättern erwähnten, lebt wieder in
Wie"; zwar in Ruhe vor Polizei und Censur, aber verfolgt von ganz
Europa; von Lewald's "Europa" nämlich, die es sich zur frommen
Pflicht gemocht.zu haben scheint, -den von Ungemach aller Art betrof¬
fenen jungen Dichter fortwährend mit Hohn und Bitterkeit anzufal¬
len. Schon früher lasen Wir eine angebliche Kritik der "Vier Brü¬
der", die sich fast mir mit der Persönlichkeit des Dichters beschäftigte,
und zwar auf eine Weise, die wir nicht näher bezeichnen wollen. Es
wunderte uns dies um so mehr, da 3!ani blos der Produktion lebt
und allem kritischen und politischen Partei- oder Cliquenwcsen fremd
ist. Was aber soll man dazu sagen, daß jetzt sogar Rank's politi¬
scher Charakter in dieser zahmen und zahnlosen Europa verdächtigt
wird-! Der Wiener Correspondent derselben findet mit heuchlerischen
Bedauern Rank's Benehmen bei seinem Verhör in Prag nicht mann¬
lich und ehrenhaft genug. Zufällig ist über Rank, in dieser Hinsicht,
unter allen Freisinnigen in Wien und Prag nur Eine Stimme. Wenn
der Correspondent des Herrn Lewald darüber besser unterrichtet sein
will, so hat er wohl jenem Verhör beigewohnt, oder steht auf einem
"vertrauten" Fuß mit der löblichen kaiserlich königlichen Polizeibe¬
hörde. Jedenfalls wäre es ehrenhaft und männlich, wenn der Mann
den Bericht mit seinem Namen unterzeichnet hätte. Die Polizei ha¬
ben ja so schlaue Correspondenten nicht zu fürchten. Herrn Lewald
aber wünschen wir Glück zu so männlichen und ehrenhaften Corre-
spondenzen.

Die Reaction scheint sich eines recht besonnenen, ruhigen,
aber sicheren Fortschritts zu erfreuen. Es ist nicht lange her, daß
die Neactionspartci sich mit Hand und Mund gegen den Verdacht
sträubte, es mit den Jesuiten zu halten. Wir sind streng kirchlich ge¬
sinnt, aber ^csuitismus? Gott bewahre. Es ist ein völliges Verken¬
nen, eine arge Verleumdung des Katholicismus, wenn man ihn in
nothwendigen Zusammenhang mit dem Jesuitenwesen bringt! So
sprach man damals und wir sind noch überzeugt, daß der Katholicis¬
mus recht gut, ja sogar am besten ohne Jesuitismus bestehen kann.
Wie aber stehen wir jetzt? -- Jetzt werden in gewissen katholischen
Ländern Nummern von Journalen, worin Capitel aus Sue's ewi¬
gem Juden sind, wegen ihrer Richtung gegen die Jesuiten confis-
cire. Man gesteht also offen, daß man nicht einmal so weit ist, um
die Jesuiten preiszugeben. Und dies wäre doch die geringste Conces¬
sion an den Geist der Zeit, die man nur verlangen kann.'


ihn Halblaut: Meier! Dieser dreht sich lächelnd um und hält der, Fin¬
ger auf den Mund. Es war der Minister von Bodelschwingh.

— IM Wart, dessen Schicksal- bei seinem Rciseversuch nach
Leipzig .wir schon früher in diesen Blättern erwähnten, lebt wieder in
Wie»; zwar in Ruhe vor Polizei und Censur, aber verfolgt von ganz
Europa; von Lewald's „Europa" nämlich, die es sich zur frommen
Pflicht gemocht.zu haben scheint, -den von Ungemach aller Art betrof¬
fenen jungen Dichter fortwährend mit Hohn und Bitterkeit anzufal¬
len. Schon früher lasen Wir eine angebliche Kritik der „Vier Brü¬
der", die sich fast mir mit der Persönlichkeit des Dichters beschäftigte,
und zwar auf eine Weise, die wir nicht näher bezeichnen wollen. Es
wunderte uns dies um so mehr, da 3!ani blos der Produktion lebt
und allem kritischen und politischen Partei- oder Cliquenwcsen fremd
ist. Was aber soll man dazu sagen, daß jetzt sogar Rank's politi¬
scher Charakter in dieser zahmen und zahnlosen Europa verdächtigt
wird-! Der Wiener Correspondent derselben findet mit heuchlerischen
Bedauern Rank's Benehmen bei seinem Verhör in Prag nicht mann¬
lich und ehrenhaft genug. Zufällig ist über Rank, in dieser Hinsicht,
unter allen Freisinnigen in Wien und Prag nur Eine Stimme. Wenn
der Correspondent des Herrn Lewald darüber besser unterrichtet sein
will, so hat er wohl jenem Verhör beigewohnt, oder steht auf einem
„vertrauten" Fuß mit der löblichen kaiserlich königlichen Polizeibe¬
hörde. Jedenfalls wäre es ehrenhaft und männlich, wenn der Mann
den Bericht mit seinem Namen unterzeichnet hätte. Die Polizei ha¬
ben ja so schlaue Correspondenten nicht zu fürchten. Herrn Lewald
aber wünschen wir Glück zu so männlichen und ehrenhaften Corre-
spondenzen.

Die Reaction scheint sich eines recht besonnenen, ruhigen,
aber sicheren Fortschritts zu erfreuen. Es ist nicht lange her, daß
die Neactionspartci sich mit Hand und Mund gegen den Verdacht
sträubte, es mit den Jesuiten zu halten. Wir sind streng kirchlich ge¬
sinnt, aber ^csuitismus? Gott bewahre. Es ist ein völliges Verken¬
nen, eine arge Verleumdung des Katholicismus, wenn man ihn in
nothwendigen Zusammenhang mit dem Jesuitenwesen bringt! So
sprach man damals und wir sind noch überzeugt, daß der Katholicis¬
mus recht gut, ja sogar am besten ohne Jesuitismus bestehen kann.
Wie aber stehen wir jetzt? — Jetzt werden in gewissen katholischen
Ländern Nummern von Journalen, worin Capitel aus Sue's ewi¬
gem Juden sind, wegen ihrer Richtung gegen die Jesuiten confis-
cire. Man gesteht also offen, daß man nicht einmal so weit ist, um
die Jesuiten preiszugeben. Und dies wäre doch die geringste Conces¬
sion an den Geist der Zeit, die man nur verlangen kann.'


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[0195] ihn Halblaut: Meier! Dieser dreht sich lächelnd um und hält der, Fin¬ ger auf den Mund. Es war der Minister von Bodelschwingh. — IM Wart, dessen Schicksal- bei seinem Rciseversuch nach Leipzig .wir schon früher in diesen Blättern erwähnten, lebt wieder in Wie»; zwar in Ruhe vor Polizei und Censur, aber verfolgt von ganz Europa; von Lewald's „Europa" nämlich, die es sich zur frommen Pflicht gemocht.zu haben scheint, -den von Ungemach aller Art betrof¬ fenen jungen Dichter fortwährend mit Hohn und Bitterkeit anzufal¬ len. Schon früher lasen Wir eine angebliche Kritik der „Vier Brü¬ der", die sich fast mir mit der Persönlichkeit des Dichters beschäftigte, und zwar auf eine Weise, die wir nicht näher bezeichnen wollen. Es wunderte uns dies um so mehr, da 3!ani blos der Produktion lebt und allem kritischen und politischen Partei- oder Cliquenwcsen fremd ist. Was aber soll man dazu sagen, daß jetzt sogar Rank's politi¬ scher Charakter in dieser zahmen und zahnlosen Europa verdächtigt wird-! Der Wiener Correspondent derselben findet mit heuchlerischen Bedauern Rank's Benehmen bei seinem Verhör in Prag nicht mann¬ lich und ehrenhaft genug. Zufällig ist über Rank, in dieser Hinsicht, unter allen Freisinnigen in Wien und Prag nur Eine Stimme. Wenn der Correspondent des Herrn Lewald darüber besser unterrichtet sein will, so hat er wohl jenem Verhör beigewohnt, oder steht auf einem „vertrauten" Fuß mit der löblichen kaiserlich königlichen Polizeibe¬ hörde. Jedenfalls wäre es ehrenhaft und männlich, wenn der Mann den Bericht mit seinem Namen unterzeichnet hätte. Die Polizei ha¬ ben ja so schlaue Correspondenten nicht zu fürchten. Herrn Lewald aber wünschen wir Glück zu so männlichen und ehrenhaften Corre- spondenzen. Die Reaction scheint sich eines recht besonnenen, ruhigen, aber sicheren Fortschritts zu erfreuen. Es ist nicht lange her, daß die Neactionspartci sich mit Hand und Mund gegen den Verdacht sträubte, es mit den Jesuiten zu halten. Wir sind streng kirchlich ge¬ sinnt, aber ^csuitismus? Gott bewahre. Es ist ein völliges Verken¬ nen, eine arge Verleumdung des Katholicismus, wenn man ihn in nothwendigen Zusammenhang mit dem Jesuitenwesen bringt! So sprach man damals und wir sind noch überzeugt, daß der Katholicis¬ mus recht gut, ja sogar am besten ohne Jesuitismus bestehen kann. Wie aber stehen wir jetzt? — Jetzt werden in gewissen katholischen Ländern Nummern von Journalen, worin Capitel aus Sue's ewi¬ gem Juden sind, wegen ihrer Richtung gegen die Jesuiten confis- cire. Man gesteht also offen, daß man nicht einmal so weit ist, um die Jesuiten preiszugeben. Und dies wäre doch die geringste Conces¬ sion an den Geist der Zeit, die man nur verlangen kann.'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/195>, abgerufen am 01.09.2024.