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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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III.
Aus Hamburg.

Die "Neuen Hamburger Blätter" und die Furcht vor der Presse. -- Wie die
Hamburger Bürger ihre Rechte rennen. -- Heinrich Heine. -- Der Wands¬
becker Bote" von Lenz.

Hungrige, die mein nicht satt zu machen geneigt ist, sollte man
zu keinem gedeckten Tische führen, Nackten, die man nicht kleiocn
kann nicht die Garderoben fürstlich reicher Leute zeigen. Da bespricht
man" jetzt in einigen unserer öffentlichen Blatter die Frage, in wie
weit es wünschenswert!) sei, haß die Presse in Hamburg zu einer
größeren Theilnahme an der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten ge¬
lange ? -...... "In wie weit!" Diese Wegmessung hat uns köstliche
Resultate verschafft. Die bloße Anregung der Sache ließ uns eine
mehr als kindische Furcht vor ihrer nur denkbaren Ausführung ent¬
decken. Es sind in den für Localitätsfragen sehr wichtigen "Neuen
Hamburger Blattern", einer Wochenschrift, welche selbst von Senato¬
ren mit Beiträgen versehen wird, Ansichten ausgesprochen, Grund¬
sätze offenbart worden, die man, wenn möglich, in Spiritus bewah¬
ren sollte, um sie sicherer der Nachwelt zu überliefern. Der Kern der
Sache liegt nämlich darin, daß es von entscheidender Wichtigkeit wäre,
die Propositionen des Senates, ehe sie in den Schooß der Bürger¬
schaft gelangen, nach allen Seiten hin beleuchten und gründlich erör¬
tern zu dürfen. Manche schiefe Ansicht, manche unreife, haltlose Be¬
sprechung, auch viel böswilliger Oppositionsgeist würde da in voller
Blöße vor aller Augen erscheinen; wer wollte dem widersprechen?
Aber das Gegengewicht unserer sachverständigen und redlichen Presse
dürste nicht minder stark sein. Strahlen der Wahrheit und Erkennt¬
niß würden von Orten her kommen, wo man sie am wenigsten er¬
wartet. Eine heilsame Erregung würde aus jeder irgend bedeutsamen
Frage hervorgehen, sobald sich die öffentliche Discussion ihrer bemäch¬
tigen dürfte. Das Wohl des Staates könnte sicher nur kräftig ge¬
fördert werden. Ein völliges Vertrautsein mit solcher Wendung der
Dinge wäre freilich erst nöthig. Auch hätte sich der Staat ein von
tüchtiger Hand geleitetes Organ zu gründen, um freies Terrain zum
Verfechter und Durchkämpfen seiner Ansichten zu erlangen. Wir
hatten eine "Hamburger Senatszeitung", wie ehemals eine "Preußi¬
sche Staatszeitung erschienen, welche später, wie die Sage geht, all¬
gemein wurde. Neben dem conservativen, könnte das echt republika¬
nische neugestaltende Hamburg in voller Blüthe stehen. Vielleicht
bekämen wir gar ein Berichtigungsbüreau, wie in Berlin eins eristirt,
und wenn Hofrath Rousseau einmal den Berliner Sand satt kriegt,
kann er bei uns Austern, Porter und ein frisches Feuilleton zu sich


Gr""zbott" II. 24
III.
Aus Hamburg.

Die „Neuen Hamburger Blätter" und die Furcht vor der Presse. — Wie die
Hamburger Bürger ihre Rechte rennen. — Heinrich Heine. — Der Wands¬
becker Bote" von Lenz.

Hungrige, die mein nicht satt zu machen geneigt ist, sollte man
zu keinem gedeckten Tische führen, Nackten, die man nicht kleiocn
kann nicht die Garderoben fürstlich reicher Leute zeigen. Da bespricht
man" jetzt in einigen unserer öffentlichen Blatter die Frage, in wie
weit es wünschenswert!) sei, haß die Presse in Hamburg zu einer
größeren Theilnahme an der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten ge¬
lange ? -...... „In wie weit!" Diese Wegmessung hat uns köstliche
Resultate verschafft. Die bloße Anregung der Sache ließ uns eine
mehr als kindische Furcht vor ihrer nur denkbaren Ausführung ent¬
decken. Es sind in den für Localitätsfragen sehr wichtigen „Neuen
Hamburger Blattern", einer Wochenschrift, welche selbst von Senato¬
ren mit Beiträgen versehen wird, Ansichten ausgesprochen, Grund¬
sätze offenbart worden, die man, wenn möglich, in Spiritus bewah¬
ren sollte, um sie sicherer der Nachwelt zu überliefern. Der Kern der
Sache liegt nämlich darin, daß es von entscheidender Wichtigkeit wäre,
die Propositionen des Senates, ehe sie in den Schooß der Bürger¬
schaft gelangen, nach allen Seiten hin beleuchten und gründlich erör¬
tern zu dürfen. Manche schiefe Ansicht, manche unreife, haltlose Be¬
sprechung, auch viel böswilliger Oppositionsgeist würde da in voller
Blöße vor aller Augen erscheinen; wer wollte dem widersprechen?
Aber das Gegengewicht unserer sachverständigen und redlichen Presse
dürste nicht minder stark sein. Strahlen der Wahrheit und Erkennt¬
niß würden von Orten her kommen, wo man sie am wenigsten er¬
wartet. Eine heilsame Erregung würde aus jeder irgend bedeutsamen
Frage hervorgehen, sobald sich die öffentliche Discussion ihrer bemäch¬
tigen dürfte. Das Wohl des Staates könnte sicher nur kräftig ge¬
fördert werden. Ein völliges Vertrautsein mit solcher Wendung der
Dinge wäre freilich erst nöthig. Auch hätte sich der Staat ein von
tüchtiger Hand geleitetes Organ zu gründen, um freies Terrain zum
Verfechter und Durchkämpfen seiner Ansichten zu erlangen. Wir
hatten eine „Hamburger Senatszeitung", wie ehemals eine „Preußi¬
sche Staatszeitung erschienen, welche später, wie die Sage geht, all¬
gemein wurde. Neben dem conservativen, könnte das echt republika¬
nische neugestaltende Hamburg in voller Blüthe stehen. Vielleicht
bekämen wir gar ein Berichtigungsbüreau, wie in Berlin eins eristirt,
und wenn Hofrath Rousseau einmal den Berliner Sand satt kriegt,
kann er bei uns Austern, Porter und ein frisches Feuilleton zu sich


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[0189] III. Aus Hamburg. Die „Neuen Hamburger Blätter" und die Furcht vor der Presse. — Wie die Hamburger Bürger ihre Rechte rennen. — Heinrich Heine. — Der Wands¬ becker Bote" von Lenz. Hungrige, die mein nicht satt zu machen geneigt ist, sollte man zu keinem gedeckten Tische führen, Nackten, die man nicht kleiocn kann nicht die Garderoben fürstlich reicher Leute zeigen. Da bespricht man" jetzt in einigen unserer öffentlichen Blatter die Frage, in wie weit es wünschenswert!) sei, haß die Presse in Hamburg zu einer größeren Theilnahme an der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten ge¬ lange ? -...... „In wie weit!" Diese Wegmessung hat uns köstliche Resultate verschafft. Die bloße Anregung der Sache ließ uns eine mehr als kindische Furcht vor ihrer nur denkbaren Ausführung ent¬ decken. Es sind in den für Localitätsfragen sehr wichtigen „Neuen Hamburger Blattern", einer Wochenschrift, welche selbst von Senato¬ ren mit Beiträgen versehen wird, Ansichten ausgesprochen, Grund¬ sätze offenbart worden, die man, wenn möglich, in Spiritus bewah¬ ren sollte, um sie sicherer der Nachwelt zu überliefern. Der Kern der Sache liegt nämlich darin, daß es von entscheidender Wichtigkeit wäre, die Propositionen des Senates, ehe sie in den Schooß der Bürger¬ schaft gelangen, nach allen Seiten hin beleuchten und gründlich erör¬ tern zu dürfen. Manche schiefe Ansicht, manche unreife, haltlose Be¬ sprechung, auch viel böswilliger Oppositionsgeist würde da in voller Blöße vor aller Augen erscheinen; wer wollte dem widersprechen? Aber das Gegengewicht unserer sachverständigen und redlichen Presse dürste nicht minder stark sein. Strahlen der Wahrheit und Erkennt¬ niß würden von Orten her kommen, wo man sie am wenigsten er¬ wartet. Eine heilsame Erregung würde aus jeder irgend bedeutsamen Frage hervorgehen, sobald sich die öffentliche Discussion ihrer bemäch¬ tigen dürfte. Das Wohl des Staates könnte sicher nur kräftig ge¬ fördert werden. Ein völliges Vertrautsein mit solcher Wendung der Dinge wäre freilich erst nöthig. Auch hätte sich der Staat ein von tüchtiger Hand geleitetes Organ zu gründen, um freies Terrain zum Verfechter und Durchkämpfen seiner Ansichten zu erlangen. Wir hatten eine „Hamburger Senatszeitung", wie ehemals eine „Preußi¬ sche Staatszeitung erschienen, welche später, wie die Sage geht, all¬ gemein wurde. Neben dem conservativen, könnte das echt republika¬ nische neugestaltende Hamburg in voller Blüthe stehen. Vielleicht bekämen wir gar ein Berichtigungsbüreau, wie in Berlin eins eristirt, und wenn Hofrath Rousseau einmal den Berliner Sand satt kriegt, kann er bei uns Austern, Porter und ein frisches Feuilleton zu sich Gr«»zbott» II. 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/189>, abgerufen am 05.12.2024.