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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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neapolitanisch"" Hofe^ Diese beiden hat Frankreich bei ihrer schwa¬
chen Seite zu fesseln gewußt, nämlich bei der maritimen. Frankreich,
dessen Seemacht zu schwach ist, um England im Falle eines Krieges
zu widerstehen, sucht Verstärkung bei den Seemachten zweiten und
dritten Ranges. Die Schiffe Hollands und die Neapels wären für
Frankreich eine willkommene Allianz. Holland in seiner natürlichen
Abneigung gegen Preußen, so wie gegen England, ist auf
die Vorschläge des pariser Cabinets. ohne Rückhalt eingegan¬
gen. Nicht so leicht wird es den italienischen Secstaaten. Die kon¬
stitutionellen Principien Frankreichs, die revolutionäre Propaganda
sind ihnen eine gefährliche Brüderschaft, und der absolut traurige und
traurig absolute Zustand ihrer Negierung ist ihnen werther als alle
maritime Allianz. So fühlen sie sich parterre zu Oesterreichs Schutz
in Gefahr hingedrängt, während sie per "are zu den Offerten Frank¬
reichs und zu seinem Anerbieten gegen das drückende Britanien sich gezo¬
gen fühlen. Sardinien ist aus diesem Schwanken noch nicht heraus¬
gekommen, aber Neapel scheint seinen Entschluß gefaßt zu haben. Es
war von dem Wiener Cabinet vorausgesetzt worden, daß bei der An¬
wesenheit des Kaisers in Tuche die italienischen Monarchen die Ge¬
legenheit ergreifen werden, dem Kaiser einen Besuch abzustatten. Viele
wichtige Maßregeln machten dem Fürsten Metternich diesen italieni¬
schen Congreß wünschenswerth. Vor Allem zwei Dinge: die Verhand¬
lungen wegen eines italienischen Zollvereins und die Vorschlage zur
Aenderung einiger innern Verwaltungsmaßregeln, namentlich des Kir¬
chenstaates, da die Unruhen in Italien ausgedehnter zu werden dro¬
hen, wenn nicht einigen schreienden Mißbräuchen Einhalt geschehe.
Wohlgemerkt, in Italien vertritt Oesterreich das progressive Princip!!!
Aber der italienische Zollverein, der Oesterreich in Italien dieselbe
Hegemonie verschaffen würde, die der deutsche Preußen brachte, ist
Frankreich einDorn imAuge und der Ehrgeiz dcrneapolitanischen Negierung
kommt ihm dabei vortrefflich zu Statten. Der König von Neapel,
Besitzer des größten Landstrichs, der größten Stadt Italiens, ist am
eifersüchtigsten auf die Stellung, die Oesterreich auf der Halbinsel
einnimmt. Denn die Industrie der Lombardei ist so überwiegend,
daß bei einem allgÄneinen Zollverband das lombardisch-venerianische
Königreich offenbar den Hauptvortheil davon tragen würde, um so
mehr, als Oesterreich dann wahrscheinlich alle seine Erbstaaten in's
Schlepptau der italienischen nehmen würde. Zudem glaubt man hier,
daß ein Anschluß Oesterreichs an den Zollverein am Ende doch Statt
finden und Italien somit Succursale des deutschen Zollvereins wer¬
den wird. -- So wenigstens lautet der Geist der vielfachen Noten
die Frankreich seit vierzehn Monaten mit der hiesigen Negierung wech¬
selt. Bei der im Falle eines Krieges vorauszusetzenden Reorganisirung
der italienischen Staatseintheilung -- setzt das französische Cabinet


neapolitanisch«« Hofe^ Diese beiden hat Frankreich bei ihrer schwa¬
chen Seite zu fesseln gewußt, nämlich bei der maritimen. Frankreich,
dessen Seemacht zu schwach ist, um England im Falle eines Krieges
zu widerstehen, sucht Verstärkung bei den Seemachten zweiten und
dritten Ranges. Die Schiffe Hollands und die Neapels wären für
Frankreich eine willkommene Allianz. Holland in seiner natürlichen
Abneigung gegen Preußen, so wie gegen England, ist auf
die Vorschläge des pariser Cabinets. ohne Rückhalt eingegan¬
gen. Nicht so leicht wird es den italienischen Secstaaten. Die kon¬
stitutionellen Principien Frankreichs, die revolutionäre Propaganda
sind ihnen eine gefährliche Brüderschaft, und der absolut traurige und
traurig absolute Zustand ihrer Negierung ist ihnen werther als alle
maritime Allianz. So fühlen sie sich parterre zu Oesterreichs Schutz
in Gefahr hingedrängt, während sie per »are zu den Offerten Frank¬
reichs und zu seinem Anerbieten gegen das drückende Britanien sich gezo¬
gen fühlen. Sardinien ist aus diesem Schwanken noch nicht heraus¬
gekommen, aber Neapel scheint seinen Entschluß gefaßt zu haben. Es
war von dem Wiener Cabinet vorausgesetzt worden, daß bei der An¬
wesenheit des Kaisers in Tuche die italienischen Monarchen die Ge¬
legenheit ergreifen werden, dem Kaiser einen Besuch abzustatten. Viele
wichtige Maßregeln machten dem Fürsten Metternich diesen italieni¬
schen Congreß wünschenswerth. Vor Allem zwei Dinge: die Verhand¬
lungen wegen eines italienischen Zollvereins und die Vorschlage zur
Aenderung einiger innern Verwaltungsmaßregeln, namentlich des Kir¬
chenstaates, da die Unruhen in Italien ausgedehnter zu werden dro¬
hen, wenn nicht einigen schreienden Mißbräuchen Einhalt geschehe.
Wohlgemerkt, in Italien vertritt Oesterreich das progressive Princip!!!
Aber der italienische Zollverein, der Oesterreich in Italien dieselbe
Hegemonie verschaffen würde, die der deutsche Preußen brachte, ist
Frankreich einDorn imAuge und der Ehrgeiz dcrneapolitanischen Negierung
kommt ihm dabei vortrefflich zu Statten. Der König von Neapel,
Besitzer des größten Landstrichs, der größten Stadt Italiens, ist am
eifersüchtigsten auf die Stellung, die Oesterreich auf der Halbinsel
einnimmt. Denn die Industrie der Lombardei ist so überwiegend,
daß bei einem allgÄneinen Zollverband das lombardisch-venerianische
Königreich offenbar den Hauptvortheil davon tragen würde, um so
mehr, als Oesterreich dann wahrscheinlich alle seine Erbstaaten in's
Schlepptau der italienischen nehmen würde. Zudem glaubt man hier,
daß ein Anschluß Oesterreichs an den Zollverein am Ende doch Statt
finden und Italien somit Succursale des deutschen Zollvereins wer¬
den wird. — So wenigstens lautet der Geist der vielfachen Noten
die Frankreich seit vierzehn Monaten mit der hiesigen Negierung wech¬
selt. Bei der im Falle eines Krieges vorauszusetzenden Reorganisirung
der italienischen Staatseintheilung — setzt das französische Cabinet


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/185>, abgerufen am 01.09.2024.