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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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werden konnte in diesem großartigen Institute, weil er wußte, daß
der bescheidene Fleiß seiner kleinen Werkstatt von dem Pomp des
großen Fabrikanten erdrückt werden würde, weil er glaubte, es achte
dort doch Niemand auf ihn und sein achtbares Streben. Alle Per¬
suche aber, dem Mittelstande den alten Boden wieder zu geben, sind
unmöglich) sie scheitern nicht nur an dem höheren Freiheitsbewußt¬
sein, sondern auch am Concurrenzprincipe. Nichts beruht daher auf
einer größeren Unkenntniß der gegenwärtigen Zustände, als wenn
man in Preußen glaubt, dem kleinen Bürger, dem Mittelstande,
durch eine Aufhebung der Gewerbefreiheit, durch Restitution der
Zünfte, durch beschränkende Gewcrbevereine wieder Boden gewinnen
zu können. Was habt Ihr gewonnen, wenn Ihr einige Wenige wie¬
der privilegirt und in geschlossene Zünfte einpfercht? Habt Ihr da¬
rum weniger Erbitterung und weniger hungernde Massen draußen,
als jetzt bei der gewerblichen Freiheit? Habt Ihr damit die Con-
currenz aufgehoben? Wird sie nicht vielmehr auch dann die Massen
stürzen? Und was habt Ihr erreicht, wenn Eure Handwerker wie¬
der fromm werden und beten? Sind sie dadurch beruhigt geworden?
Duldet die Concmrenz sie in einem christlich-beschaulichen Glücke?
Lassen sich die sittlichen Uebel, welche die Concmrenz mit sich bringt,
durch ein Tractätchcn vertreiben?

Wenn schon der Mittelstand durch die Concurrenz in großes
Elend versinkt, so stellt sich den Massen der Proletarier das Mono-
pol der wenigen Eigenthümer noch weit schroffer gegenüber. Indem
wir in diese Sphären steigen, treten die giftigen Wirkungen der Con¬
cmrenz noch viel nackter hervor. Hier haben wir es mit einer Menge
zu thun, die zum Theil einmal kleiner Besitzer, Mittelstand gewesen
und durch die Macht der Capitalien gestürzt worden ist, der aber
zum größten Theil schon in jenem Sündenpfuhl geboren wurde, auf
dem sich das ganze Gebäude dieser Welt aufgethürmt hat und in
den weder die Sirahlen einer Sonne, noch eines Mondes fallen.

Die Pyramide unserer Gesellschaft hat sich nicht langsam und
sicher von unten auf erhoben und die Sittlichkeit, die Vernünftigkeit,
die Organisation der Massen zu ihrer Basis genommen; sie hat
vielmehr ihre Spitze hoch in der Luft, über den irdischen Wolken be¬
festigt. Sie ist von oben nach unten gegangen, sie hat den unteren


werden konnte in diesem großartigen Institute, weil er wußte, daß
der bescheidene Fleiß seiner kleinen Werkstatt von dem Pomp des
großen Fabrikanten erdrückt werden würde, weil er glaubte, es achte
dort doch Niemand auf ihn und sein achtbares Streben. Alle Per¬
suche aber, dem Mittelstande den alten Boden wieder zu geben, sind
unmöglich) sie scheitern nicht nur an dem höheren Freiheitsbewußt¬
sein, sondern auch am Concurrenzprincipe. Nichts beruht daher auf
einer größeren Unkenntniß der gegenwärtigen Zustände, als wenn
man in Preußen glaubt, dem kleinen Bürger, dem Mittelstande,
durch eine Aufhebung der Gewerbefreiheit, durch Restitution der
Zünfte, durch beschränkende Gewcrbevereine wieder Boden gewinnen
zu können. Was habt Ihr gewonnen, wenn Ihr einige Wenige wie¬
der privilegirt und in geschlossene Zünfte einpfercht? Habt Ihr da¬
rum weniger Erbitterung und weniger hungernde Massen draußen,
als jetzt bei der gewerblichen Freiheit? Habt Ihr damit die Con-
currenz aufgehoben? Wird sie nicht vielmehr auch dann die Massen
stürzen? Und was habt Ihr erreicht, wenn Eure Handwerker wie¬
der fromm werden und beten? Sind sie dadurch beruhigt geworden?
Duldet die Concmrenz sie in einem christlich-beschaulichen Glücke?
Lassen sich die sittlichen Uebel, welche die Concmrenz mit sich bringt,
durch ein Tractätchcn vertreiben?

Wenn schon der Mittelstand durch die Concurrenz in großes
Elend versinkt, so stellt sich den Massen der Proletarier das Mono-
pol der wenigen Eigenthümer noch weit schroffer gegenüber. Indem
wir in diese Sphären steigen, treten die giftigen Wirkungen der Con¬
cmrenz noch viel nackter hervor. Hier haben wir es mit einer Menge
zu thun, die zum Theil einmal kleiner Besitzer, Mittelstand gewesen
und durch die Macht der Capitalien gestürzt worden ist, der aber
zum größten Theil schon in jenem Sündenpfuhl geboren wurde, auf
dem sich das ganze Gebäude dieser Welt aufgethürmt hat und in
den weder die Sirahlen einer Sonne, noch eines Mondes fallen.

Die Pyramide unserer Gesellschaft hat sich nicht langsam und
sicher von unten auf erhoben und die Sittlichkeit, die Vernünftigkeit,
die Organisation der Massen zu ihrer Basis genommen; sie hat
vielmehr ihre Spitze hoch in der Luft, über den irdischen Wolken be¬
festigt. Sie ist von oben nach unten gegangen, sie hat den unteren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/172>, abgerufen am 01.09.2024.