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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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jetzt noch seine hoch- und sehr hochgeborenen Herren und Geschlecht
ter, und Hort man, daß der Fürst L.....seine Kinder böhmisch
lernen läßt, so wird ein 1'v l)e,in> in den Herzen aller treuen Pa¬
trioten angestimmt. Dabei sind sie noch so naiv, sich zu verwun¬
dern, wie der aufkeimende Magyarismus in Deutschland mehr Sym¬
pathie wecken könne, als der ungarische Panslavismus. Sie verden¬
ken es dem Magyaren, daß er sich, wie F. v. Pulszky, bei der Wahl
zwischen Czechen und Deutschen entschieden für die letzteren erklärt.
Haben aber nicht Deutsche in den Reihen der Polenkrieger nutge¬
fochten? Hat nicht Griechenland einen großen Theil seiner -- jetzt
freilich sogenannten -- Freiheit deutscher Tapferkeit zu verdanken?
Der Deutsche kämpft für jede Freiheit: sie mag sich erheben, wo sie
wolle; aber für ein Volk, das, ohne Sinn für wahrhaft politische
Emancipation, nur einen Käfig gegen den anderen vertauschen möchte,
ist die Stimme seines Herzens stumm.-- Erzherzog Stephan hat den
Ultrazcechen sehr in's Auge gestochen, aber seit den Druckerunruhen
haben sie von ihm abgelassen. Große Herren sind ärgere Sklaven
als wir. Das Herrschen hat Gott nie für einen Einzelnen bestimmt,
sonst müßte es möglich sein, daß ein Einzelner herrsche, wie es nicht
ist. Wie alle Prinzen des österreichischen Hauses, ist Stephan ein
liebenswürdiger Privatmann, sogar ein genialer Cavalier und treffli¬
cher kühner Reiter; vollkommen geeignet, der alten Moldaustadt durch
seinen Haus- und Hofstaat neuen Glanz zu geben und etwas gol¬
denen Sonnenschein in das graue Leben zwischen den schweigsamen
Palästen zu werfen. Mit tief- und weitgreifenden politischen Nefor-
mationstendenzen aber aufzutreten, dazu hat er wohl weder Beruf,
noch Macht und dazu ist der jugendliche Prinz gewiß nicht hierher
geschickt worden. Das Amt der Neuerung, wo sie einmal als un-
abweislich erkannt ist, wird hier zu Lande nur greisen Händen über¬
tragen. Während man daher im Auslande -- wie wir aus den Zeitungen
sahen -- gleich anfangs Stephan's Sendung richtig zu würdigen
wußte> wurden hier die überschwänglichsten Erwartungen genährt und
Ansprüche erhoben, deren Unbilligkeit wie immer sehr spät und un¬
gern eingesehen wird. Und doch thut Erzherzog Stephan, so viel er
kann, und hat in beschränkten Kreisen manches Gute gewirkt. Er
veranstaltet Marktrevisionen, Bestrafungen unrichtigen Maßes und
Gewichts, häufige.Bereisungen der Aemter, ja er hat sogar einen


jetzt noch seine hoch- und sehr hochgeborenen Herren und Geschlecht
ter, und Hort man, daß der Fürst L.....seine Kinder böhmisch
lernen läßt, so wird ein 1'v l)e,in> in den Herzen aller treuen Pa¬
trioten angestimmt. Dabei sind sie noch so naiv, sich zu verwun¬
dern, wie der aufkeimende Magyarismus in Deutschland mehr Sym¬
pathie wecken könne, als der ungarische Panslavismus. Sie verden¬
ken es dem Magyaren, daß er sich, wie F. v. Pulszky, bei der Wahl
zwischen Czechen und Deutschen entschieden für die letzteren erklärt.
Haben aber nicht Deutsche in den Reihen der Polenkrieger nutge¬
fochten? Hat nicht Griechenland einen großen Theil seiner — jetzt
freilich sogenannten — Freiheit deutscher Tapferkeit zu verdanken?
Der Deutsche kämpft für jede Freiheit: sie mag sich erheben, wo sie
wolle; aber für ein Volk, das, ohne Sinn für wahrhaft politische
Emancipation, nur einen Käfig gegen den anderen vertauschen möchte,
ist die Stimme seines Herzens stumm.— Erzherzog Stephan hat den
Ultrazcechen sehr in's Auge gestochen, aber seit den Druckerunruhen
haben sie von ihm abgelassen. Große Herren sind ärgere Sklaven
als wir. Das Herrschen hat Gott nie für einen Einzelnen bestimmt,
sonst müßte es möglich sein, daß ein Einzelner herrsche, wie es nicht
ist. Wie alle Prinzen des österreichischen Hauses, ist Stephan ein
liebenswürdiger Privatmann, sogar ein genialer Cavalier und treffli¬
cher kühner Reiter; vollkommen geeignet, der alten Moldaustadt durch
seinen Haus- und Hofstaat neuen Glanz zu geben und etwas gol¬
denen Sonnenschein in das graue Leben zwischen den schweigsamen
Palästen zu werfen. Mit tief- und weitgreifenden politischen Nefor-
mationstendenzen aber aufzutreten, dazu hat er wohl weder Beruf,
noch Macht und dazu ist der jugendliche Prinz gewiß nicht hierher
geschickt worden. Das Amt der Neuerung, wo sie einmal als un-
abweislich erkannt ist, wird hier zu Lande nur greisen Händen über¬
tragen. Während man daher im Auslande — wie wir aus den Zeitungen
sahen — gleich anfangs Stephan's Sendung richtig zu würdigen
wußte> wurden hier die überschwänglichsten Erwartungen genährt und
Ansprüche erhoben, deren Unbilligkeit wie immer sehr spät und un¬
gern eingesehen wird. Und doch thut Erzherzog Stephan, so viel er
kann, und hat in beschränkten Kreisen manches Gute gewirkt. Er
veranstaltet Marktrevisionen, Bestrafungen unrichtigen Maßes und
Gewichts, häufige.Bereisungen der Aemter, ja er hat sogar einen


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[0162] jetzt noch seine hoch- und sehr hochgeborenen Herren und Geschlecht ter, und Hort man, daß der Fürst L.....seine Kinder böhmisch lernen läßt, so wird ein 1'v l)e,in> in den Herzen aller treuen Pa¬ trioten angestimmt. Dabei sind sie noch so naiv, sich zu verwun¬ dern, wie der aufkeimende Magyarismus in Deutschland mehr Sym¬ pathie wecken könne, als der ungarische Panslavismus. Sie verden¬ ken es dem Magyaren, daß er sich, wie F. v. Pulszky, bei der Wahl zwischen Czechen und Deutschen entschieden für die letzteren erklärt. Haben aber nicht Deutsche in den Reihen der Polenkrieger nutge¬ fochten? Hat nicht Griechenland einen großen Theil seiner — jetzt freilich sogenannten — Freiheit deutscher Tapferkeit zu verdanken? Der Deutsche kämpft für jede Freiheit: sie mag sich erheben, wo sie wolle; aber für ein Volk, das, ohne Sinn für wahrhaft politische Emancipation, nur einen Käfig gegen den anderen vertauschen möchte, ist die Stimme seines Herzens stumm.— Erzherzog Stephan hat den Ultrazcechen sehr in's Auge gestochen, aber seit den Druckerunruhen haben sie von ihm abgelassen. Große Herren sind ärgere Sklaven als wir. Das Herrschen hat Gott nie für einen Einzelnen bestimmt, sonst müßte es möglich sein, daß ein Einzelner herrsche, wie es nicht ist. Wie alle Prinzen des österreichischen Hauses, ist Stephan ein liebenswürdiger Privatmann, sogar ein genialer Cavalier und treffli¬ cher kühner Reiter; vollkommen geeignet, der alten Moldaustadt durch seinen Haus- und Hofstaat neuen Glanz zu geben und etwas gol¬ denen Sonnenschein in das graue Leben zwischen den schweigsamen Palästen zu werfen. Mit tief- und weitgreifenden politischen Nefor- mationstendenzen aber aufzutreten, dazu hat er wohl weder Beruf, noch Macht und dazu ist der jugendliche Prinz gewiß nicht hierher geschickt worden. Das Amt der Neuerung, wo sie einmal als un- abweislich erkannt ist, wird hier zu Lande nur greisen Händen über¬ tragen. Während man daher im Auslande — wie wir aus den Zeitungen sahen — gleich anfangs Stephan's Sendung richtig zu würdigen wußte> wurden hier die überschwänglichsten Erwartungen genährt und Ansprüche erhoben, deren Unbilligkeit wie immer sehr spät und un¬ gern eingesehen wird. Und doch thut Erzherzog Stephan, so viel er kann, und hat in beschränkten Kreisen manches Gute gewirkt. Er veranstaltet Marktrevisionen, Bestrafungen unrichtigen Maßes und Gewichts, häufige.Bereisungen der Aemter, ja er hat sogar einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/162>, abgerufen am 01.09.2024.