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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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II.

Verhältniß der Deutschen und Czechen. - Rußland und die Czechen. -- Cze¬
chen und Magyaren. -- Erzherzog Stephan. -- Aussichten.

Unser Alpha und Omega ist der Zwist zwischen Czechen und
Deutschen. Es klingt eintönig und man dürfte sich nicht wundern,
daß der Leser sich unwillig davon abwendet, wenn die Sache nicht
von so hoher Wichtigkeit wäre. Schlimm genug, daß jede Partei
genöthigt ist, ihre Zuflucht zur Aussprache ihrer Meinung in fremde
Blätter zu nehmen. Bei uns ist keine Möglichkeit vorhanden, ein unpar¬
teiisches Wort darüber fallen zu lassen. Die Einen vergehen sich so gut
wie die Andern, doch darf sich Keiner rühmen, von der Regierung
auf irgend eine Weise bevorzugt zu werden. Dies geht so weit, daß
in Palacky's Urkundensammlung alle böhmisch abgefaßten gestrichen
und ihr Druck nicht erlaubt wurde, obgleich er blos in den Acten
der Gesellschaft der Wissenschaften, also in kaum dreihundert Exem¬
plaren erfolgen, daher wenig oder- gar nicht in den öffentlichen
Buchhandel gelangen sollte. Da aber so Vieles der Willkür der
Beamten anheimgestellt bleibt, die das Gesetz nach Gefallen bald
umgehen, bald mit minutiöser Strenge in Anwendung bringen, so
fallen auch häusig lächerliche Inconsequenzen vor, die einen Theil
der Bevölkerung nichts desto weniger auf das Heftigste zu erbittern
vermögen. Ein von Professor S. in Pilsen, einem wüthenden Ger-
manophagm, geschriebener Aufsatz, der das: Treibt die Deutschen
aus dem Lande! unumwunden aussprach, wurde in der e/asopis ez-es-
Kvlin Ausmim abgedruckt und erregte großes Aufsehen. Ein reicher
Müller in Prag, ein Mann ohne Bildung, ließ von demselben zwei¬
tausend Exemplare abziehen und unentgeldlich vertheilen. ^) Hätte ein
Deutscher dergleichen wagen sollen! Man würde ihn mit Steinen gewor¬
fen haben, wie eine ähnliche Mißhandlung schon einem jungen Schrift¬
steller in Prag widerfahren ist, der in der Wiener Theaterzeitung
einige tadelnde Bemerkungen über daS Prager böhmische Theater



^) Seit einiger Aelt werde" uns aus Oesterreich, von deutscher, wie von
czcchischer Seite, Mittheilungen gemacht, deren Richtigkeit zu prüfen uns oft un¬
möglich ist und die wir doch, bei dem größten Widerwillen gegen das so>e-
trachtschürcn, der Wichtigkeit der Sache wegen, nicht immer zurücklegen rön¬
nen. Wir werden aber lebe Aufklärung über etwaige Irrthümer mit -vanr
Die Red. empfangen und gern beachten.
II.

Verhältniß der Deutschen und Czechen. - Rußland und die Czechen. -- Cze¬
chen und Magyaren. — Erzherzog Stephan. — Aussichten.

Unser Alpha und Omega ist der Zwist zwischen Czechen und
Deutschen. Es klingt eintönig und man dürfte sich nicht wundern,
daß der Leser sich unwillig davon abwendet, wenn die Sache nicht
von so hoher Wichtigkeit wäre. Schlimm genug, daß jede Partei
genöthigt ist, ihre Zuflucht zur Aussprache ihrer Meinung in fremde
Blätter zu nehmen. Bei uns ist keine Möglichkeit vorhanden, ein unpar¬
teiisches Wort darüber fallen zu lassen. Die Einen vergehen sich so gut
wie die Andern, doch darf sich Keiner rühmen, von der Regierung
auf irgend eine Weise bevorzugt zu werden. Dies geht so weit, daß
in Palacky's Urkundensammlung alle böhmisch abgefaßten gestrichen
und ihr Druck nicht erlaubt wurde, obgleich er blos in den Acten
der Gesellschaft der Wissenschaften, also in kaum dreihundert Exem¬
plaren erfolgen, daher wenig oder- gar nicht in den öffentlichen
Buchhandel gelangen sollte. Da aber so Vieles der Willkür der
Beamten anheimgestellt bleibt, die das Gesetz nach Gefallen bald
umgehen, bald mit minutiöser Strenge in Anwendung bringen, so
fallen auch häusig lächerliche Inconsequenzen vor, die einen Theil
der Bevölkerung nichts desto weniger auf das Heftigste zu erbittern
vermögen. Ein von Professor S. in Pilsen, einem wüthenden Ger-
manophagm, geschriebener Aufsatz, der das: Treibt die Deutschen
aus dem Lande! unumwunden aussprach, wurde in der e/asopis ez-es-
Kvlin Ausmim abgedruckt und erregte großes Aufsehen. Ein reicher
Müller in Prag, ein Mann ohne Bildung, ließ von demselben zwei¬
tausend Exemplare abziehen und unentgeldlich vertheilen. ^) Hätte ein
Deutscher dergleichen wagen sollen! Man würde ihn mit Steinen gewor¬
fen haben, wie eine ähnliche Mißhandlung schon einem jungen Schrift¬
steller in Prag widerfahren ist, der in der Wiener Theaterzeitung
einige tadelnde Bemerkungen über daS Prager böhmische Theater



^) Seit einiger Aelt werde» uns aus Oesterreich, von deutscher, wie von
czcchischer Seite, Mittheilungen gemacht, deren Richtigkeit zu prüfen uns oft un¬
möglich ist und die wir doch, bei dem größten Widerwillen gegen das so>e-
trachtschürcn, der Wichtigkeit der Sache wegen, nicht immer zurücklegen rön¬
nen. Wir werden aber lebe Aufklärung über etwaige Irrthümer mit -vanr
Die Red. empfangen und gern beachten.
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[0160] II. Verhältniß der Deutschen und Czechen. - Rußland und die Czechen. -- Cze¬ chen und Magyaren. — Erzherzog Stephan. — Aussichten. Unser Alpha und Omega ist der Zwist zwischen Czechen und Deutschen. Es klingt eintönig und man dürfte sich nicht wundern, daß der Leser sich unwillig davon abwendet, wenn die Sache nicht von so hoher Wichtigkeit wäre. Schlimm genug, daß jede Partei genöthigt ist, ihre Zuflucht zur Aussprache ihrer Meinung in fremde Blätter zu nehmen. Bei uns ist keine Möglichkeit vorhanden, ein unpar¬ teiisches Wort darüber fallen zu lassen. Die Einen vergehen sich so gut wie die Andern, doch darf sich Keiner rühmen, von der Regierung auf irgend eine Weise bevorzugt zu werden. Dies geht so weit, daß in Palacky's Urkundensammlung alle böhmisch abgefaßten gestrichen und ihr Druck nicht erlaubt wurde, obgleich er blos in den Acten der Gesellschaft der Wissenschaften, also in kaum dreihundert Exem¬ plaren erfolgen, daher wenig oder- gar nicht in den öffentlichen Buchhandel gelangen sollte. Da aber so Vieles der Willkür der Beamten anheimgestellt bleibt, die das Gesetz nach Gefallen bald umgehen, bald mit minutiöser Strenge in Anwendung bringen, so fallen auch häusig lächerliche Inconsequenzen vor, die einen Theil der Bevölkerung nichts desto weniger auf das Heftigste zu erbittern vermögen. Ein von Professor S. in Pilsen, einem wüthenden Ger- manophagm, geschriebener Aufsatz, der das: Treibt die Deutschen aus dem Lande! unumwunden aussprach, wurde in der e/asopis ez-es- Kvlin Ausmim abgedruckt und erregte großes Aufsehen. Ein reicher Müller in Prag, ein Mann ohne Bildung, ließ von demselben zwei¬ tausend Exemplare abziehen und unentgeldlich vertheilen. ^) Hätte ein Deutscher dergleichen wagen sollen! Man würde ihn mit Steinen gewor¬ fen haben, wie eine ähnliche Mißhandlung schon einem jungen Schrift¬ steller in Prag widerfahren ist, der in der Wiener Theaterzeitung einige tadelnde Bemerkungen über daS Prager böhmische Theater ^) Seit einiger Aelt werde» uns aus Oesterreich, von deutscher, wie von czcchischer Seite, Mittheilungen gemacht, deren Richtigkeit zu prüfen uns oft un¬ möglich ist und die wir doch, bei dem größten Widerwillen gegen das so>e- trachtschürcn, der Wichtigkeit der Sache wegen, nicht immer zurücklegen rön¬ nen. Wir werden aber lebe Aufklärung über etwaige Irrthümer mit -vanr Die Red. empfangen und gern beachten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/160>, abgerufen am 05.12.2024.