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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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ist das Bild etwas unruhig gehalten.--Von Schmelz in Paris, der, wenn
ich nicht irre, Robert'S Meister war, ist auch ein Bild hier. "Sir¬
ius V. als Hirtenknabe, dem eine Zigeunerin wahrsagt."
Ein ganz hübscher Stoff; der Junge scheint sich förmlich gegen seine
künftige Größe, die ihm hier prophetisch entgegentritt, zu sträuben.
Die "betenden Römer" von Mach, einem Belgier, sind vorzüglich in
der Wirkung des Lichtes und der Neflere; die Frau mit dem Kinde
ist wunderschön. -- Julius Schmorr von KarolSfeld hat den Dich¬
ter der Nibelungen, der aus einer Reihe von Zeichnungen ist,
welche derselbe im königlichen Palais in München ausgeführt hat.
-- Lo Sposalizio aus dem Jahre 18Z6 von Overbeck in Rom,
muß, wie der Künstler selbst schreibt, in einer Kapelle oder minde¬
stens an einem ruhigen Orte, ohne störende Umgebung gesehen
werden. -- Wach hat in dem Heiland mit den Jüngern
versucht, dem Mäzzolino da Ferrara in der Tiefe und Kraft des
Colorits nachzukommen. Es scheint mir aber, daß diese Kraft für
ein so kleines Bild zu gewaltig ist. -- Ich komme jetzt zu einigen
Franzosen, unter denen Ary Scheffer obenall steht, mit einem
Genrebildc: das Almosen. Das Bild ist von jener zauberischen
Innigkeit und Gemüthstiefe übergössen, welche Scheffer vor allen
Franzosen auszeichnet. Auch hat er die Eigenthümlichkeit seines Co¬
lorits, jene beinah übergroße Weiche der Contouren, welche ihn nie
verkommen läßt. -- Eine ganz entgegengesetzte Behandlung hat
Roqueplan wie immer in seinem Castel Gandolfo angewandt. Ro-
queplan ist der fruchtbarste und vielseitigste Künstler der neueren
französischen Schule. Er malt Landschaften, Mariner, Genrebilder,
innere Ansichten von Kirchen:c. und Alles mit der größten Virtuo¬
sität, zuweilen sogar mit tiefem poetischem Gefühl. Die vorliegende
Landschaft ist reizend, sowohl in Farbe als in Zeichnung; ein Son¬
nenuntergang mit all dem herrlichen Lüstre, der sich nur wieder¬
geben läßt. In der Ferne das Castel Gandolfo, im Vorgrund mäch¬
tige Ruinen, in deren Schatten auf dem Nasen eine Gesellschaft im
Costum aus der Noccöcozeit lagert. Kleine zollhohe Figürchen, aber
voll Leben. Eine Katze, ein Kaninchen und ein Wie¬
sel von Decamps, und ein Affe, mit einem Kätzchen spie¬
lend von d'Orchevillers, sind gleich bedeutend durch die Natur¬
wahrheit und ein prächtiges Colorit. -- Eine überaus zarte Win-


ist das Bild etwas unruhig gehalten.—Von Schmelz in Paris, der, wenn
ich nicht irre, Robert'S Meister war, ist auch ein Bild hier. „Sir¬
ius V. als Hirtenknabe, dem eine Zigeunerin wahrsagt."
Ein ganz hübscher Stoff; der Junge scheint sich förmlich gegen seine
künftige Größe, die ihm hier prophetisch entgegentritt, zu sträuben.
Die „betenden Römer" von Mach, einem Belgier, sind vorzüglich in
der Wirkung des Lichtes und der Neflere; die Frau mit dem Kinde
ist wunderschön. — Julius Schmorr von KarolSfeld hat den Dich¬
ter der Nibelungen, der aus einer Reihe von Zeichnungen ist,
welche derselbe im königlichen Palais in München ausgeführt hat.
— Lo Sposalizio aus dem Jahre 18Z6 von Overbeck in Rom,
muß, wie der Künstler selbst schreibt, in einer Kapelle oder minde¬
stens an einem ruhigen Orte, ohne störende Umgebung gesehen
werden. — Wach hat in dem Heiland mit den Jüngern
versucht, dem Mäzzolino da Ferrara in der Tiefe und Kraft des
Colorits nachzukommen. Es scheint mir aber, daß diese Kraft für
ein so kleines Bild zu gewaltig ist. — Ich komme jetzt zu einigen
Franzosen, unter denen Ary Scheffer obenall steht, mit einem
Genrebildc: das Almosen. Das Bild ist von jener zauberischen
Innigkeit und Gemüthstiefe übergössen, welche Scheffer vor allen
Franzosen auszeichnet. Auch hat er die Eigenthümlichkeit seines Co¬
lorits, jene beinah übergroße Weiche der Contouren, welche ihn nie
verkommen läßt. — Eine ganz entgegengesetzte Behandlung hat
Roqueplan wie immer in seinem Castel Gandolfo angewandt. Ro-
queplan ist der fruchtbarste und vielseitigste Künstler der neueren
französischen Schule. Er malt Landschaften, Mariner, Genrebilder,
innere Ansichten von Kirchen:c. und Alles mit der größten Virtuo¬
sität, zuweilen sogar mit tiefem poetischem Gefühl. Die vorliegende
Landschaft ist reizend, sowohl in Farbe als in Zeichnung; ein Son¬
nenuntergang mit all dem herrlichen Lüstre, der sich nur wieder¬
geben läßt. In der Ferne das Castel Gandolfo, im Vorgrund mäch¬
tige Ruinen, in deren Schatten auf dem Nasen eine Gesellschaft im
Costum aus der Noccöcozeit lagert. Kleine zollhohe Figürchen, aber
voll Leben. Eine Katze, ein Kaninchen und ein Wie¬
sel von Decamps, und ein Affe, mit einem Kätzchen spie¬
lend von d'Orchevillers, sind gleich bedeutend durch die Natur¬
wahrheit und ein prächtiges Colorit. — Eine überaus zarte Win-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/155>, abgerufen am 01.09.2024.