Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Interesse der Naczynökischen Galerie mehr in den neueren Bildern, da
wir manches bekannte Gesicht wieder sehen, das uns einst entzückte.
Ein Vergleich zwischen dem, was man jetzt leistet, und dem vor zehn bis
zwölf Jahren Geleisteten muß natürlich angenehm sein. Da sind
zum Beispiel einige Bilder aus der Glanzperiode der Düsseldorfer
Schule, die mit ihrer Weinerlichkeit aussah wie ein Schuljunge, der
mit dem Thränenlappen in der Hand Besserung verspricht. Da sind
z. B. Stilete's Pilger in der Wüste, immer unangenehmer, je
öfter man es sieht. Dies Krümmen und Winden vor Durst mag
dem Arzt recht lehrreich sein, für uns hat es nichts Angenehmes.
Der Besitzer mag nur hinten drauf schreiben, daß der junge Krieger
Lessing's Porträt ist, dann hat es wenigstens einiges Interesse für
die Nachwelt. Wir sahen ferner Hildebrandt's Söhne Ed¬
ward'S, die eine neue Periode in der Malerei bezeichnen zu wollen
schienenz sie behalten ihren Werth zwar, man bedauert die hübschen
Kinder, man ängstigt sich, man wünscht ihre Errettung, aber vor
Allem denkt man doch daran, wie schnell Hildebrandt die Segel
wieder eingezogen hat. Er malt Porträts, das lohnt mehr; wenn
er wenigstens nur dabei bliebe, aber die neueren Bilder von ihm
der "Cardinal Wolsey", und nun gar der "Doge mit seiner Tochter"
auf der jetzigen Slusstellung, -- das ist schlimmer als Nichts. --
Hier die beiden Leonoren von Sohn, ein Paar schmucke Jung¬
frauen, dort die Tochter der Herodias und ein Templer von
Wilhelm Schadow, sind auch sehr hübsch, sehr zart und schön ge¬
malt. Sohn gibt sich wenigstens nicht die Mühe, zu thun, was er
nicht kann, nämlich historische Bilder zu malen. Er malt schone
Mädchen, und darin ist er Meister, wie sein Bild auf der Aus¬
stellung beweist, das Titian sehr nahe kommt. -- Einer von den
wenigen Düsseldorfern, welche vorwärts gegangen sind, Jacob Becker,
jetzt am Städel'sehen Institut in Frankfurt angestellt, ist hier durch
eines seiner am wenigsten bekannten Bilder vertreten. "Der ver¬
wundete Wildschütz" ist eben so wahr und treu wie alle Schil¬
derungen Becker's. Man bedauert den armen Mann unwillkürlich,
der auf den Arm seines Genossen gestützt, langsam mit den unsäg¬
lichsten Schmerzen von Fels zu Fels steigt. Er wagt kaum aufzu¬
treten, die Kugel in der Brust ist tödtlich, er wird nicht mehr wett
gehen. Das sieht man Alles, und das ist schon viel, aber leider


Interesse der Naczynökischen Galerie mehr in den neueren Bildern, da
wir manches bekannte Gesicht wieder sehen, das uns einst entzückte.
Ein Vergleich zwischen dem, was man jetzt leistet, und dem vor zehn bis
zwölf Jahren Geleisteten muß natürlich angenehm sein. Da sind
zum Beispiel einige Bilder aus der Glanzperiode der Düsseldorfer
Schule, die mit ihrer Weinerlichkeit aussah wie ein Schuljunge, der
mit dem Thränenlappen in der Hand Besserung verspricht. Da sind
z. B. Stilete's Pilger in der Wüste, immer unangenehmer, je
öfter man es sieht. Dies Krümmen und Winden vor Durst mag
dem Arzt recht lehrreich sein, für uns hat es nichts Angenehmes.
Der Besitzer mag nur hinten drauf schreiben, daß der junge Krieger
Lessing's Porträt ist, dann hat es wenigstens einiges Interesse für
die Nachwelt. Wir sahen ferner Hildebrandt's Söhne Ed¬
ward'S, die eine neue Periode in der Malerei bezeichnen zu wollen
schienenz sie behalten ihren Werth zwar, man bedauert die hübschen
Kinder, man ängstigt sich, man wünscht ihre Errettung, aber vor
Allem denkt man doch daran, wie schnell Hildebrandt die Segel
wieder eingezogen hat. Er malt Porträts, das lohnt mehr; wenn
er wenigstens nur dabei bliebe, aber die neueren Bilder von ihm
der „Cardinal Wolsey", und nun gar der „Doge mit seiner Tochter"
auf der jetzigen Slusstellung, — das ist schlimmer als Nichts. —
Hier die beiden Leonoren von Sohn, ein Paar schmucke Jung¬
frauen, dort die Tochter der Herodias und ein Templer von
Wilhelm Schadow, sind auch sehr hübsch, sehr zart und schön ge¬
malt. Sohn gibt sich wenigstens nicht die Mühe, zu thun, was er
nicht kann, nämlich historische Bilder zu malen. Er malt schone
Mädchen, und darin ist er Meister, wie sein Bild auf der Aus¬
stellung beweist, das Titian sehr nahe kommt. — Einer von den
wenigen Düsseldorfern, welche vorwärts gegangen sind, Jacob Becker,
jetzt am Städel'sehen Institut in Frankfurt angestellt, ist hier durch
eines seiner am wenigsten bekannten Bilder vertreten. „Der ver¬
wundete Wildschütz" ist eben so wahr und treu wie alle Schil¬
derungen Becker's. Man bedauert den armen Mann unwillkürlich,
der auf den Arm seines Genossen gestützt, langsam mit den unsäg¬
lichsten Schmerzen von Fels zu Fels steigt. Er wagt kaum aufzu¬
treten, die Kugel in der Brust ist tödtlich, er wird nicht mehr wett
gehen. Das sieht man Alles, und das ist schon viel, aber leider


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0154" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181338"/>
            <p xml:id="ID_462" prev="#ID_461" next="#ID_463"> Interesse der Naczynökischen Galerie mehr in den neueren Bildern, da<lb/>
wir manches bekannte Gesicht wieder sehen, das uns einst entzückte.<lb/>
Ein Vergleich zwischen dem, was man jetzt leistet, und dem vor zehn bis<lb/>
zwölf Jahren Geleisteten muß natürlich angenehm sein. Da sind<lb/>
zum Beispiel einige Bilder aus der Glanzperiode der Düsseldorfer<lb/>
Schule, die mit ihrer Weinerlichkeit aussah wie ein Schuljunge, der<lb/>
mit dem Thränenlappen in der Hand Besserung verspricht. Da sind<lb/>
z. B. Stilete's Pilger in der Wüste, immer unangenehmer, je<lb/>
öfter man es sieht. Dies Krümmen und Winden vor Durst mag<lb/>
dem Arzt recht lehrreich sein, für uns hat es nichts Angenehmes.<lb/>
Der Besitzer mag nur hinten drauf schreiben, daß der junge Krieger<lb/>
Lessing's Porträt ist, dann hat es wenigstens einiges Interesse für<lb/>
die Nachwelt. Wir sahen ferner Hildebrandt's Söhne Ed¬<lb/>
ward'S, die eine neue Periode in der Malerei bezeichnen zu wollen<lb/>
schienenz sie behalten ihren Werth zwar, man bedauert die hübschen<lb/>
Kinder, man ängstigt sich, man wünscht ihre Errettung, aber vor<lb/>
Allem denkt man doch daran, wie schnell Hildebrandt die Segel<lb/>
wieder eingezogen hat. Er malt Porträts, das lohnt mehr; wenn<lb/>
er wenigstens nur dabei bliebe, aber die neueren Bilder von ihm<lb/>
der &#x201E;Cardinal Wolsey", und nun gar der &#x201E;Doge mit seiner Tochter"<lb/>
auf der jetzigen Slusstellung, &#x2014; das ist schlimmer als Nichts. &#x2014;<lb/>
Hier die beiden Leonoren von Sohn, ein Paar schmucke Jung¬<lb/>
frauen, dort die Tochter der Herodias und ein Templer von<lb/>
Wilhelm Schadow, sind auch sehr hübsch, sehr zart und schön ge¬<lb/>
malt. Sohn gibt sich wenigstens nicht die Mühe, zu thun, was er<lb/>
nicht kann, nämlich historische Bilder zu malen. Er malt schone<lb/>
Mädchen, und darin ist er Meister, wie sein Bild auf der Aus¬<lb/>
stellung beweist, das Titian sehr nahe kommt. &#x2014; Einer von den<lb/>
wenigen Düsseldorfern, welche vorwärts gegangen sind, Jacob Becker,<lb/>
jetzt am Städel'sehen Institut in Frankfurt angestellt, ist hier durch<lb/>
eines seiner am wenigsten bekannten Bilder vertreten. &#x201E;Der ver¬<lb/>
wundete Wildschütz" ist eben so wahr und treu wie alle Schil¬<lb/>
derungen Becker's. Man bedauert den armen Mann unwillkürlich,<lb/>
der auf den Arm seines Genossen gestützt, langsam mit den unsäg¬<lb/>
lichsten Schmerzen von Fels zu Fels steigt. Er wagt kaum aufzu¬<lb/>
treten, die Kugel in der Brust ist tödtlich, er wird nicht mehr wett<lb/>
gehen. Das sieht man Alles, und das ist schon viel, aber leider</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0154] Interesse der Naczynökischen Galerie mehr in den neueren Bildern, da wir manches bekannte Gesicht wieder sehen, das uns einst entzückte. Ein Vergleich zwischen dem, was man jetzt leistet, und dem vor zehn bis zwölf Jahren Geleisteten muß natürlich angenehm sein. Da sind zum Beispiel einige Bilder aus der Glanzperiode der Düsseldorfer Schule, die mit ihrer Weinerlichkeit aussah wie ein Schuljunge, der mit dem Thränenlappen in der Hand Besserung verspricht. Da sind z. B. Stilete's Pilger in der Wüste, immer unangenehmer, je öfter man es sieht. Dies Krümmen und Winden vor Durst mag dem Arzt recht lehrreich sein, für uns hat es nichts Angenehmes. Der Besitzer mag nur hinten drauf schreiben, daß der junge Krieger Lessing's Porträt ist, dann hat es wenigstens einiges Interesse für die Nachwelt. Wir sahen ferner Hildebrandt's Söhne Ed¬ ward'S, die eine neue Periode in der Malerei bezeichnen zu wollen schienenz sie behalten ihren Werth zwar, man bedauert die hübschen Kinder, man ängstigt sich, man wünscht ihre Errettung, aber vor Allem denkt man doch daran, wie schnell Hildebrandt die Segel wieder eingezogen hat. Er malt Porträts, das lohnt mehr; wenn er wenigstens nur dabei bliebe, aber die neueren Bilder von ihm der „Cardinal Wolsey", und nun gar der „Doge mit seiner Tochter" auf der jetzigen Slusstellung, — das ist schlimmer als Nichts. — Hier die beiden Leonoren von Sohn, ein Paar schmucke Jung¬ frauen, dort die Tochter der Herodias und ein Templer von Wilhelm Schadow, sind auch sehr hübsch, sehr zart und schön ge¬ malt. Sohn gibt sich wenigstens nicht die Mühe, zu thun, was er nicht kann, nämlich historische Bilder zu malen. Er malt schone Mädchen, und darin ist er Meister, wie sein Bild auf der Aus¬ stellung beweist, das Titian sehr nahe kommt. — Einer von den wenigen Düsseldorfern, welche vorwärts gegangen sind, Jacob Becker, jetzt am Städel'sehen Institut in Frankfurt angestellt, ist hier durch eines seiner am wenigsten bekannten Bilder vertreten. „Der ver¬ wundete Wildschütz" ist eben so wahr und treu wie alle Schil¬ derungen Becker's. Man bedauert den armen Mann unwillkürlich, der auf den Arm seines Genossen gestützt, langsam mit den unsäg¬ lichsten Schmerzen von Fels zu Fels steigt. Er wagt kaum aufzu¬ treten, die Kugel in der Brust ist tödtlich, er wird nicht mehr wett gehen. Das sieht man Alles, und das ist schon viel, aber leider

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/154
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/154>, abgerufen am 01.09.2024.