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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Füßen lag, während er den Lehren des Meisters lauschte, sah die
Mutter mit dem Kinde aus dem Bilde lächelnd auf den blutigen
Körper nieder,, der sie geschaffen, umtanzten die Schnitter Den, der
sie tanzen lehrte, starrten die Stiere stumpf und gleichgiltig Den an,
der sie gebildet. -- Wenn wir in dem letzten Werke eines Dichters
oft eine Todesahnung ausgesprochen sehen, so hat Leopold ^Robert in
seine Schnitter die vollkräftigen Beweise der höchsten lebendigsten Ge¬
nialität hineingelegt, jenes Ringen nach der wahren Schönheit in
der ihm eigenthümlichen einfachen Form, die ihn zum ersten und
größten Künstler der Neuzeit gemacht hat. Der jetzige Besitzer hatte
das Bild im Jahre 1834 in Venedig beim Künstler bestellt, aber
aus einem Briefwechsel des Grafen Raczynski mit dem Bruder des
Verstorbenen geht hervor, daß die Familie die Auslieferung verwei¬
gerte.....um" 1'In"vo, schreibt Aurele Robert an Graf Rac¬
zynski, nue <-'est I'cuvr.iAe uunuel it u, traviullv ^us^u' im ,lor-
nier momoor, an pica "üinuel je l'lei troave mort! . . . . " zwur
von" ,moi"jue curso <1e si attaclmnt, on' it peut ce me 8emI>Jo
svrvlr .... Man einigte sich endlich auf den Preis
von fünfzehntausend Franken. Zu bemerken ist, daß dasselbe Bild im
Besitz Louis Philipp's zu Neuilly sich befindet. Nichts desto weniger
ist das Bild, vor dem wir stehen, ein originales, da es in Venedig ge¬
malt wurde, während jenes in Neuilly sich befand. Verschieden von
jenem in diesem ist die Stellung des einen tanzenden Schmieders, der
Horizont und der Ton in der Landschaft. Es drängte mich, dies
Bild zuerst zu erwähnen, obgleich es sich wohl schickte, daß ich mich
zuerst dem Theil der Galerie zugewendet hätte, welcher die Werke
älterer Meister enthält. Da ist eine Maria mit dem Kinde von
Sandro Botticelli, eine andere von Borgognone, eine Kreuzabnahme
von Girolamo da Sermoneta, eine Madonna von Dominichino, eine
heilige Familie von Giovanni Bellino, über die sich Friedrich Schle¬
gel in seiner Europa entzückt äußerte, ein Lot mit seinen Töchtern,
der sehr schöne Farbe hat, von Schidone, eine Entführung derEuropa von
Strozzi, deren Ausführung beweist, daß Gallait in seiner mächtigen
Pinselführung eben nicht sehr original ist, eine Schachpartie von
Sofonisba Angussola und viele Andere, die Alle, mehr oder weniger
M erhalten, die Anerkennung für ihre ursprüngliche Schönheit in
Anspruch nehmen. Dennoch liegt der Werth oder wenigstens das


Füßen lag, während er den Lehren des Meisters lauschte, sah die
Mutter mit dem Kinde aus dem Bilde lächelnd auf den blutigen
Körper nieder,, der sie geschaffen, umtanzten die Schnitter Den, der
sie tanzen lehrte, starrten die Stiere stumpf und gleichgiltig Den an,
der sie gebildet. — Wenn wir in dem letzten Werke eines Dichters
oft eine Todesahnung ausgesprochen sehen, so hat Leopold ^Robert in
seine Schnitter die vollkräftigen Beweise der höchsten lebendigsten Ge¬
nialität hineingelegt, jenes Ringen nach der wahren Schönheit in
der ihm eigenthümlichen einfachen Form, die ihn zum ersten und
größten Künstler der Neuzeit gemacht hat. Der jetzige Besitzer hatte
das Bild im Jahre 1834 in Venedig beim Künstler bestellt, aber
aus einem Briefwechsel des Grafen Raczynski mit dem Bruder des
Verstorbenen geht hervor, daß die Familie die Auslieferung verwei¬
gerte.....um« 1'In"vo, schreibt Aurele Robert an Graf Rac¬
zynski, nue <-'est I'cuvr.iAe uunuel it u, traviullv ^us^u' im ,lor-
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svrvlr .... Man einigte sich endlich auf den Preis
von fünfzehntausend Franken. Zu bemerken ist, daß dasselbe Bild im
Besitz Louis Philipp's zu Neuilly sich befindet. Nichts desto weniger
ist das Bild, vor dem wir stehen, ein originales, da es in Venedig ge¬
malt wurde, während jenes in Neuilly sich befand. Verschieden von
jenem in diesem ist die Stellung des einen tanzenden Schmieders, der
Horizont und der Ton in der Landschaft. Es drängte mich, dies
Bild zuerst zu erwähnen, obgleich es sich wohl schickte, daß ich mich
zuerst dem Theil der Galerie zugewendet hätte, welcher die Werke
älterer Meister enthält. Da ist eine Maria mit dem Kinde von
Sandro Botticelli, eine andere von Borgognone, eine Kreuzabnahme
von Girolamo da Sermoneta, eine Madonna von Dominichino, eine
heilige Familie von Giovanni Bellino, über die sich Friedrich Schle¬
gel in seiner Europa entzückt äußerte, ein Lot mit seinen Töchtern,
der sehr schöne Farbe hat, von Schidone, eine Entführung derEuropa von
Strozzi, deren Ausführung beweist, daß Gallait in seiner mächtigen
Pinselführung eben nicht sehr original ist, eine Schachpartie von
Sofonisba Angussola und viele Andere, die Alle, mehr oder weniger
M erhalten, die Anerkennung für ihre ursprüngliche Schönheit in
Anspruch nehmen. Dennoch liegt der Werth oder wenigstens das


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[0153] Füßen lag, während er den Lehren des Meisters lauschte, sah die Mutter mit dem Kinde aus dem Bilde lächelnd auf den blutigen Körper nieder,, der sie geschaffen, umtanzten die Schnitter Den, der sie tanzen lehrte, starrten die Stiere stumpf und gleichgiltig Den an, der sie gebildet. — Wenn wir in dem letzten Werke eines Dichters oft eine Todesahnung ausgesprochen sehen, so hat Leopold ^Robert in seine Schnitter die vollkräftigen Beweise der höchsten lebendigsten Ge¬ nialität hineingelegt, jenes Ringen nach der wahren Schönheit in der ihm eigenthümlichen einfachen Form, die ihn zum ersten und größten Künstler der Neuzeit gemacht hat. Der jetzige Besitzer hatte das Bild im Jahre 1834 in Venedig beim Künstler bestellt, aber aus einem Briefwechsel des Grafen Raczynski mit dem Bruder des Verstorbenen geht hervor, daß die Familie die Auslieferung verwei¬ gerte.....um« 1'In"vo, schreibt Aurele Robert an Graf Rac¬ zynski, nue <-'est I'cuvr.iAe uunuel it u, traviullv ^us^u' im ,lor- nier momoor, an pica «üinuel je l'lei troave mort! . . . . » zwur von« ,moi«jue curso <1e si attaclmnt, on' it peut ce me 8emI>Jo svrvlr .... Man einigte sich endlich auf den Preis von fünfzehntausend Franken. Zu bemerken ist, daß dasselbe Bild im Besitz Louis Philipp's zu Neuilly sich befindet. Nichts desto weniger ist das Bild, vor dem wir stehen, ein originales, da es in Venedig ge¬ malt wurde, während jenes in Neuilly sich befand. Verschieden von jenem in diesem ist die Stellung des einen tanzenden Schmieders, der Horizont und der Ton in der Landschaft. Es drängte mich, dies Bild zuerst zu erwähnen, obgleich es sich wohl schickte, daß ich mich zuerst dem Theil der Galerie zugewendet hätte, welcher die Werke älterer Meister enthält. Da ist eine Maria mit dem Kinde von Sandro Botticelli, eine andere von Borgognone, eine Kreuzabnahme von Girolamo da Sermoneta, eine Madonna von Dominichino, eine heilige Familie von Giovanni Bellino, über die sich Friedrich Schle¬ gel in seiner Europa entzückt äußerte, ein Lot mit seinen Töchtern, der sehr schöne Farbe hat, von Schidone, eine Entführung derEuropa von Strozzi, deren Ausführung beweist, daß Gallait in seiner mächtigen Pinselführung eben nicht sehr original ist, eine Schachpartie von Sofonisba Angussola und viele Andere, die Alle, mehr oder weniger M erhalten, die Anerkennung für ihre ursprüngliche Schönheit in Anspruch nehmen. Dennoch liegt der Werth oder wenigstens das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/153>, abgerufen am 01.09.2024.