Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
VI.
Notizen ans Wien.

-- Zur Gewerbe-Ausstellung, die im Frühjahr 1845. statt¬
finden soll, werden schon jetzt Vorbereitungen getroffen. Aus
den Sälen des kaiserlich königlichen polytechnischen Instituts schafft
man die wissenschaftlichen Sammlungen weg; auch die Kunstausstel¬
lung wird unterbleiben müssen, -- um Platz zu machen. Die Kunst
weicht überall der Industrie. Kuppelwieser machte dem Fürsten Lich¬
tenstein, der sein Palais in der Schenkenstraße für zwei Millionen
Gulden C.-M. mit kostbaren Tapeten und Meubles herstellen laßt,
den Antrag, auch einige Fresken malen zu lassen, was der Fürst, den
seine Pferde zu viel kosten, natürlich ausschlug. -- Das Gerücht will
Freiherrn von Kübeck noch immer zum Finanzminister und zum Gra¬
fen (dazu ist er durch das Großkreuz des Leopoldordens gleichsam be¬
rechtigt) erheben. -- Die Eisenbahnen, besonders die Gloggnitzer, stel¬
len fortwährend unmäßige Fahrpreise, was bis jetzt, außer den "Sonn¬
tagsblättern", kein Blatt zu rügen wagte. Lobenswerth ist dagegen
die neue Einrichtung der Dampfschifffahrtsgesellschaft, daß die nach
Ungarn Fahrenden unmittelbar beim Rothenthurmthor landen und sich
embarkiren können. Eine ähnliche Einrichtung für die nach Linz Rei¬
senden verhindern bis jetzt die Holzschisszüge bei Nußdorf. Auch die
Besitzer der Schisshütten am Rothenthurm hatten bei Sr. Majestät
selbst eine Beschwerde eingereicht gegen das Landen des Dampfbootes
daselbst, weil durch die heftige Bewegung des Wassers -- einige
Karpfen abstehen. -- Prechrler's "Kconenwächter", dieser Tage in
der Burg ausgeführt, sind eine geschickte Virchpfeifserei, ohne Ideen
und Charaktere, haben jedoch eine klingendere Diction, als die wei¬
land Stegmayer'schen Stücke. Mehrere Wiener Journale sagen das¬
selbe, nur nicht "-ins >"i>ri"8e. -- Ein Localstück "Krämer und Com-
mis" (in der Josephstadt ausgeführt), wurde plötzlich verboten; der
Kaufmann "zum Bpsilanti" hatte nämlich geklagt, er sei im Krämer
und sein Schwiegersohn im Commis aristophanisirr. Doch dauerte
das Verbot nicht lange, da sich fand, daß kein Grund zum Jnjurien-
proceß vorlag. Aufsehen machte die Confiscirung mehrerer Nummern
des Frankfurter Eonversationsblattes und eines Heftes der "Grenz¬
boten", worin die "Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs"
von Stephan Thurm waren. Natürlich wurde die verbotene Waare
desto gieriger gesucht und gelesen.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur I. Kuranda
Druck von Friedrich Andrä.
VI.
Notizen ans Wien.

— Zur Gewerbe-Ausstellung, die im Frühjahr 1845. statt¬
finden soll, werden schon jetzt Vorbereitungen getroffen. Aus
den Sälen des kaiserlich königlichen polytechnischen Instituts schafft
man die wissenschaftlichen Sammlungen weg; auch die Kunstausstel¬
lung wird unterbleiben müssen, — um Platz zu machen. Die Kunst
weicht überall der Industrie. Kuppelwieser machte dem Fürsten Lich¬
tenstein, der sein Palais in der Schenkenstraße für zwei Millionen
Gulden C.-M. mit kostbaren Tapeten und Meubles herstellen laßt,
den Antrag, auch einige Fresken malen zu lassen, was der Fürst, den
seine Pferde zu viel kosten, natürlich ausschlug. — Das Gerücht will
Freiherrn von Kübeck noch immer zum Finanzminister und zum Gra¬
fen (dazu ist er durch das Großkreuz des Leopoldordens gleichsam be¬
rechtigt) erheben. — Die Eisenbahnen, besonders die Gloggnitzer, stel¬
len fortwährend unmäßige Fahrpreise, was bis jetzt, außer den „Sonn¬
tagsblättern", kein Blatt zu rügen wagte. Lobenswerth ist dagegen
die neue Einrichtung der Dampfschifffahrtsgesellschaft, daß die nach
Ungarn Fahrenden unmittelbar beim Rothenthurmthor landen und sich
embarkiren können. Eine ähnliche Einrichtung für die nach Linz Rei¬
senden verhindern bis jetzt die Holzschisszüge bei Nußdorf. Auch die
Besitzer der Schisshütten am Rothenthurm hatten bei Sr. Majestät
selbst eine Beschwerde eingereicht gegen das Landen des Dampfbootes
daselbst, weil durch die heftige Bewegung des Wassers — einige
Karpfen abstehen. — Prechrler's „Kconenwächter", dieser Tage in
der Burg ausgeführt, sind eine geschickte Virchpfeifserei, ohne Ideen
und Charaktere, haben jedoch eine klingendere Diction, als die wei¬
land Stegmayer'schen Stücke. Mehrere Wiener Journale sagen das¬
selbe, nur nicht «-ins >»i>ri»8e. — Ein Localstück „Krämer und Com-
mis" (in der Josephstadt ausgeführt), wurde plötzlich verboten; der
Kaufmann „zum Bpsilanti" hatte nämlich geklagt, er sei im Krämer
und sein Schwiegersohn im Commis aristophanisirr. Doch dauerte
das Verbot nicht lange, da sich fand, daß kein Grund zum Jnjurien-
proceß vorlag. Aufsehen machte die Confiscirung mehrerer Nummern
des Frankfurter Eonversationsblattes und eines Heftes der „Grenz¬
boten", worin die „Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs"
von Stephan Thurm waren. Natürlich wurde die verbotene Waare
desto gieriger gesucht und gelesen.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda
Druck von Friedrich Andrä.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0148" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181332"/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> VI.<lb/>
Notizen ans Wien.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_453"> &#x2014; Zur Gewerbe-Ausstellung, die im Frühjahr 1845. statt¬<lb/>
finden soll, werden schon jetzt Vorbereitungen getroffen. Aus<lb/>
den Sälen des kaiserlich königlichen polytechnischen Instituts schafft<lb/>
man die wissenschaftlichen Sammlungen weg; auch die Kunstausstel¬<lb/>
lung wird unterbleiben müssen, &#x2014; um Platz zu machen. Die Kunst<lb/>
weicht überall der Industrie. Kuppelwieser machte dem Fürsten Lich¬<lb/>
tenstein, der sein Palais in der Schenkenstraße für zwei Millionen<lb/>
Gulden C.-M. mit kostbaren Tapeten und Meubles herstellen laßt,<lb/>
den Antrag, auch einige Fresken malen zu lassen, was der Fürst, den<lb/>
seine Pferde zu viel kosten, natürlich ausschlug. &#x2014; Das Gerücht will<lb/>
Freiherrn von Kübeck noch immer zum Finanzminister und zum Gra¬<lb/>
fen (dazu ist er durch das Großkreuz des Leopoldordens gleichsam be¬<lb/>
rechtigt) erheben. &#x2014; Die Eisenbahnen, besonders die Gloggnitzer, stel¬<lb/>
len fortwährend unmäßige Fahrpreise, was bis jetzt, außer den &#x201E;Sonn¬<lb/>
tagsblättern", kein Blatt zu rügen wagte. Lobenswerth ist dagegen<lb/>
die neue Einrichtung der Dampfschifffahrtsgesellschaft, daß die nach<lb/>
Ungarn Fahrenden unmittelbar beim Rothenthurmthor landen und sich<lb/>
embarkiren können. Eine ähnliche Einrichtung für die nach Linz Rei¬<lb/>
senden verhindern bis jetzt die Holzschisszüge bei Nußdorf. Auch die<lb/>
Besitzer der Schisshütten am Rothenthurm hatten bei Sr. Majestät<lb/>
selbst eine Beschwerde eingereicht gegen das Landen des Dampfbootes<lb/>
daselbst, weil durch die heftige Bewegung des Wassers &#x2014; einige<lb/>
Karpfen abstehen. &#x2014; Prechrler's &#x201E;Kconenwächter", dieser Tage in<lb/>
der Burg ausgeführt, sind eine geschickte Virchpfeifserei, ohne Ideen<lb/>
und Charaktere, haben jedoch eine klingendere Diction, als die wei¬<lb/>
land Stegmayer'schen Stücke. Mehrere Wiener Journale sagen das¬<lb/>
selbe, nur nicht «-ins &gt;»i&gt;ri»8e. &#x2014; Ein Localstück &#x201E;Krämer und Com-<lb/>
mis" (in der Josephstadt ausgeführt), wurde plötzlich verboten; der<lb/>
Kaufmann &#x201E;zum Bpsilanti" hatte nämlich geklagt, er sei im Krämer<lb/>
und sein Schwiegersohn im Commis aristophanisirr. Doch dauerte<lb/>
das Verbot nicht lange, da sich fand, daß kein Grund zum Jnjurien-<lb/>
proceß vorlag. Aufsehen machte die Confiscirung mehrerer Nummern<lb/>
des Frankfurter Eonversationsblattes und eines Heftes der &#x201E;Grenz¬<lb/>
boten", worin die &#x201E;Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs"<lb/>
von Stephan Thurm waren. Natürlich wurde die verbotene Waare<lb/>
desto gieriger gesucht und gelesen.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <note type="byline"> Verlag von Fr. Ludw. Herbig. &#x2014; Redacteur I. Kuranda<lb/>
Druck von Friedrich Andrä.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0148] VI. Notizen ans Wien. — Zur Gewerbe-Ausstellung, die im Frühjahr 1845. statt¬ finden soll, werden schon jetzt Vorbereitungen getroffen. Aus den Sälen des kaiserlich königlichen polytechnischen Instituts schafft man die wissenschaftlichen Sammlungen weg; auch die Kunstausstel¬ lung wird unterbleiben müssen, — um Platz zu machen. Die Kunst weicht überall der Industrie. Kuppelwieser machte dem Fürsten Lich¬ tenstein, der sein Palais in der Schenkenstraße für zwei Millionen Gulden C.-M. mit kostbaren Tapeten und Meubles herstellen laßt, den Antrag, auch einige Fresken malen zu lassen, was der Fürst, den seine Pferde zu viel kosten, natürlich ausschlug. — Das Gerücht will Freiherrn von Kübeck noch immer zum Finanzminister und zum Gra¬ fen (dazu ist er durch das Großkreuz des Leopoldordens gleichsam be¬ rechtigt) erheben. — Die Eisenbahnen, besonders die Gloggnitzer, stel¬ len fortwährend unmäßige Fahrpreise, was bis jetzt, außer den „Sonn¬ tagsblättern", kein Blatt zu rügen wagte. Lobenswerth ist dagegen die neue Einrichtung der Dampfschifffahrtsgesellschaft, daß die nach Ungarn Fahrenden unmittelbar beim Rothenthurmthor landen und sich embarkiren können. Eine ähnliche Einrichtung für die nach Linz Rei¬ senden verhindern bis jetzt die Holzschisszüge bei Nußdorf. Auch die Besitzer der Schisshütten am Rothenthurm hatten bei Sr. Majestät selbst eine Beschwerde eingereicht gegen das Landen des Dampfbootes daselbst, weil durch die heftige Bewegung des Wassers — einige Karpfen abstehen. — Prechrler's „Kconenwächter", dieser Tage in der Burg ausgeführt, sind eine geschickte Virchpfeifserei, ohne Ideen und Charaktere, haben jedoch eine klingendere Diction, als die wei¬ land Stegmayer'schen Stücke. Mehrere Wiener Journale sagen das¬ selbe, nur nicht «-ins >»i>ri»8e. — Ein Localstück „Krämer und Com- mis" (in der Josephstadt ausgeführt), wurde plötzlich verboten; der Kaufmann „zum Bpsilanti" hatte nämlich geklagt, er sei im Krämer und sein Schwiegersohn im Commis aristophanisirr. Doch dauerte das Verbot nicht lange, da sich fand, daß kein Grund zum Jnjurien- proceß vorlag. Aufsehen machte die Confiscirung mehrerer Nummern des Frankfurter Eonversationsblattes und eines Heftes der „Grenz¬ boten", worin die „Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs" von Stephan Thurm waren. Natürlich wurde die verbotene Waare desto gieriger gesucht und gelesen. Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda Druck von Friedrich Andrä.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/148
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/148>, abgerufen am 05.12.2024.