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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Nicht eine Spur war von dem Leichnam zu finden, noch weni¬
ger an Rettung zu denken, da noch in derselben Nacht eine heftige
Eruption des Berges erfolgte. So ward ihm denn sein letzter Wunsch,
nicht von Italien scheiden zu müssen, gewährt, und ich mußte trau¬
rig und allem nach Deutschland reisen, seine Skizzen und letzten Lie¬
der als ein heiliges Vermächtniß bewahrend.

-- Za, Staub und Asche sind ein fürchterlicher Feind! sagte
tief seufzend der Schachtelmann.

-- Ich höre von Friedrich, daß Du von dem Staube leidest,
und dieses, so wie mehrere sonderbare Gerüchte, die mir gestern hier
zu Ohren kamen, -leiteten mich auf die Spur, durch die ich Dich
wieder gefunden, obgleich mir in S. überall Dein Tod versichert
ward.

-- Hast Du mich da aufgesucht? fragte der Professor gerührt
und mit sichtlicher Freude.

-- Natürlich. Es war mein erster Ausflug, nachdem ich er
der Heimath meine Sachen geordnet. Bei Dir wollte ich mich trö¬
sten über den verlorenen Freund; Dir wollte ich das, was ich seit¬
dem gethan und gesammelt hatte, vorlegen. Ich wußte, daß Du
verheirathet warst, und hoffte, Dich in der anmuthigsten Häuslichkeit
zu finden und schmeichelte ,mer, dieser Anblick werde vielleicht auch
mein Herz erwärmen, das selbst bei Italiens Gluthaugen ungerührt
geblieben war. Aber statt dessen fand ich Deine Elise von einem
bösartigen Fieber hingerafft und von Deinem Leben, Deinem Auf¬
enthalte konnte mir Niemand sichere Kunde geben.

-- Aber Toni, meine Toni! fuhr der Professor auf, hörtest Du
Nichts von ihr?

-- Mein Vater ! mein guter Vater! so rief plötzlich eine Stimme,
und Wilhelmine nebst der Tante Forsträthin stürzten in das Zimmer,
beide den Professor umhalsend und herzend.

Wendelin freute sich innig, daß ihm die Ueberraschung so ge¬
lungen war. Er hatte natürlich damals gleich den Aufenthalt der
Tochter seines Freundes erfahren, hatte den Forstrath Brandes öfter
besucht und war überhaupt auch jetzt der Tante und der schönen
Wilhelmine zu Gefallen nach Schönbrunn gekommen. Es galt nur,
Gewißheit über den Professor selbst zu erhalten, und diese war ihm
erst heute geworden. Mir selbst war nur noch ein Skrupel übrig,


Grciizbotell. 5844. i,.

Nicht eine Spur war von dem Leichnam zu finden, noch weni¬
ger an Rettung zu denken, da noch in derselben Nacht eine heftige
Eruption des Berges erfolgte. So ward ihm denn sein letzter Wunsch,
nicht von Italien scheiden zu müssen, gewährt, und ich mußte trau¬
rig und allem nach Deutschland reisen, seine Skizzen und letzten Lie¬
der als ein heiliges Vermächtniß bewahrend.

— Za, Staub und Asche sind ein fürchterlicher Feind! sagte
tief seufzend der Schachtelmann.

— Ich höre von Friedrich, daß Du von dem Staube leidest,
und dieses, so wie mehrere sonderbare Gerüchte, die mir gestern hier
zu Ohren kamen, -leiteten mich auf die Spur, durch die ich Dich
wieder gefunden, obgleich mir in S. überall Dein Tod versichert
ward.

— Hast Du mich da aufgesucht? fragte der Professor gerührt
und mit sichtlicher Freude.

— Natürlich. Es war mein erster Ausflug, nachdem ich er
der Heimath meine Sachen geordnet. Bei Dir wollte ich mich trö¬
sten über den verlorenen Freund; Dir wollte ich das, was ich seit¬
dem gethan und gesammelt hatte, vorlegen. Ich wußte, daß Du
verheirathet warst, und hoffte, Dich in der anmuthigsten Häuslichkeit
zu finden und schmeichelte ,mer, dieser Anblick werde vielleicht auch
mein Herz erwärmen, das selbst bei Italiens Gluthaugen ungerührt
geblieben war. Aber statt dessen fand ich Deine Elise von einem
bösartigen Fieber hingerafft und von Deinem Leben, Deinem Auf¬
enthalte konnte mir Niemand sichere Kunde geben.

— Aber Toni, meine Toni! fuhr der Professor auf, hörtest Du
Nichts von ihr?

— Mein Vater ! mein guter Vater! so rief plötzlich eine Stimme,
und Wilhelmine nebst der Tante Forsträthin stürzten in das Zimmer,
beide den Professor umhalsend und herzend.

Wendelin freute sich innig, daß ihm die Ueberraschung so ge¬
lungen war. Er hatte natürlich damals gleich den Aufenthalt der
Tochter seines Freundes erfahren, hatte den Forstrath Brandes öfter
besucht und war überhaupt auch jetzt der Tante und der schönen
Wilhelmine zu Gefallen nach Schönbrunn gekommen. Es galt nur,
Gewißheit über den Professor selbst zu erhalten, und diese war ihm
erst heute geworden. Mir selbst war nur noch ein Skrupel übrig,


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[0125] Nicht eine Spur war von dem Leichnam zu finden, noch weni¬ ger an Rettung zu denken, da noch in derselben Nacht eine heftige Eruption des Berges erfolgte. So ward ihm denn sein letzter Wunsch, nicht von Italien scheiden zu müssen, gewährt, und ich mußte trau¬ rig und allem nach Deutschland reisen, seine Skizzen und letzten Lie¬ der als ein heiliges Vermächtniß bewahrend. — Za, Staub und Asche sind ein fürchterlicher Feind! sagte tief seufzend der Schachtelmann. — Ich höre von Friedrich, daß Du von dem Staube leidest, und dieses, so wie mehrere sonderbare Gerüchte, die mir gestern hier zu Ohren kamen, -leiteten mich auf die Spur, durch die ich Dich wieder gefunden, obgleich mir in S. überall Dein Tod versichert ward. — Hast Du mich da aufgesucht? fragte der Professor gerührt und mit sichtlicher Freude. — Natürlich. Es war mein erster Ausflug, nachdem ich er der Heimath meine Sachen geordnet. Bei Dir wollte ich mich trö¬ sten über den verlorenen Freund; Dir wollte ich das, was ich seit¬ dem gethan und gesammelt hatte, vorlegen. Ich wußte, daß Du verheirathet warst, und hoffte, Dich in der anmuthigsten Häuslichkeit zu finden und schmeichelte ,mer, dieser Anblick werde vielleicht auch mein Herz erwärmen, das selbst bei Italiens Gluthaugen ungerührt geblieben war. Aber statt dessen fand ich Deine Elise von einem bösartigen Fieber hingerafft und von Deinem Leben, Deinem Auf¬ enthalte konnte mir Niemand sichere Kunde geben. — Aber Toni, meine Toni! fuhr der Professor auf, hörtest Du Nichts von ihr? — Mein Vater ! mein guter Vater! so rief plötzlich eine Stimme, und Wilhelmine nebst der Tante Forsträthin stürzten in das Zimmer, beide den Professor umhalsend und herzend. Wendelin freute sich innig, daß ihm die Ueberraschung so ge¬ lungen war. Er hatte natürlich damals gleich den Aufenthalt der Tochter seines Freundes erfahren, hatte den Forstrath Brandes öfter besucht und war überhaupt auch jetzt der Tante und der schönen Wilhelmine zu Gefallen nach Schönbrunn gekommen. Es galt nur, Gewißheit über den Professor selbst zu erhalten, und diese war ihm erst heute geworden. Mir selbst war nur noch ein Skrupel übrig, Grciizbotell. 5844. i,.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/125>, abgerufen am 27.07.2024.