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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Augenblick,!, wo sich die Freunde in Antwerpen getrennt hatten. Du,
mein Geliebter, sagte er, wärest das belebende Princip unseres klei¬
nen Kreises gewesen und schlecht uns darum überall, so daß uns
selbst Antwerpen nicht länger fesseln konnte. Der niederländischen
Schule hatten wir ohnehin genug gehuldigt, es zog uns nach Rom,
um auch vor seinen Meisterwerken zu knieen und des Peruginers,
des Urbinaten einfach hohe Schönheit in die Farbengluth des Ru¬
bens zu tauchen. So pilgerten wir, Schneegas und ich, dem gött¬
lichen Hesperien zu.

-- Wo ist Schneegas? Lebt er noch, der dichterische Träumer,
von dem ich immer verlangte, er solle statt des Pinsels die Feder
ergreifen und mit Worten, aber nicht mit Farben malen! unterbrach
der Professor heftig die Erzählung Wendelin's.

-- Er lebt, doch nur in seinen Liedern, entgegnete mit Weh¬
muth der Freund. -- Je näher wir der ewigen Noma kamen, je
mehr die Wonne des Südens uns durchglühte, um so größer ward
die lyrische Begeisterung in seiner Brust. Wir hatten Italien die
Kreuz und Quere durchzogen, hatten in den höchsten Reizen der
Natur und Kunst geschwelgt, aber immer suchten wir noch mehr
und immer glühender ward unser Durst. Vorzüglich lange weilten
wir in Neapel, an seinem Golf, in den neu enthüllten Wunden
von Pompeji und Herculanum. -- Plötzlich riefen uns mahnende
Briefe nach der Heimath, in das kalte Deutschland zurück. Der
Gedanke an Trennung von diesem Paradiese war besonders für
Schneegas entsetzlich, und er suchte unter mancherlei Vorwänden die
Abreise von Tag zu Tag zu verschieben. Seine Reden und Lieder
athmeten die tiefste Trauer. Doch mußten wir endlich nachgeben.--
Noch einmal bestiegen wir den Vesuv, um das schönste Bild Italiens
uns unauslöschlich in die Seele zu graben. Der Abend war köstlich;
in entzückenden Glänze tauchte die Sonne in die westliche Fluch.
Schneegas hatte sprachlos dem erhabenen Schauspiele zugesehen.
Jetzt sprang er nach einer höhern Stelle des Kraters, an dem wir
standen. Vergebens warnten der Führer und ich zur Vorsicht auf
dem unsicheren Boden von Lava und Asche; der Verwegene hörte
nicht auf unser Rufen. Ich sah noch einmal in der schnell herein-
tretenden Dämmerung seine Gestalt hoch hervortreten und begra¬
ben war er auf ewig in den Kessel des Vulkans.


Augenblick,!, wo sich die Freunde in Antwerpen getrennt hatten. Du,
mein Geliebter, sagte er, wärest das belebende Princip unseres klei¬
nen Kreises gewesen und schlecht uns darum überall, so daß uns
selbst Antwerpen nicht länger fesseln konnte. Der niederländischen
Schule hatten wir ohnehin genug gehuldigt, es zog uns nach Rom,
um auch vor seinen Meisterwerken zu knieen und des Peruginers,
des Urbinaten einfach hohe Schönheit in die Farbengluth des Ru¬
bens zu tauchen. So pilgerten wir, Schneegas und ich, dem gött¬
lichen Hesperien zu.

— Wo ist Schneegas? Lebt er noch, der dichterische Träumer,
von dem ich immer verlangte, er solle statt des Pinsels die Feder
ergreifen und mit Worten, aber nicht mit Farben malen! unterbrach
der Professor heftig die Erzählung Wendelin's.

— Er lebt, doch nur in seinen Liedern, entgegnete mit Weh¬
muth der Freund. — Je näher wir der ewigen Noma kamen, je
mehr die Wonne des Südens uns durchglühte, um so größer ward
die lyrische Begeisterung in seiner Brust. Wir hatten Italien die
Kreuz und Quere durchzogen, hatten in den höchsten Reizen der
Natur und Kunst geschwelgt, aber immer suchten wir noch mehr
und immer glühender ward unser Durst. Vorzüglich lange weilten
wir in Neapel, an seinem Golf, in den neu enthüllten Wunden
von Pompeji und Herculanum. — Plötzlich riefen uns mahnende
Briefe nach der Heimath, in das kalte Deutschland zurück. Der
Gedanke an Trennung von diesem Paradiese war besonders für
Schneegas entsetzlich, und er suchte unter mancherlei Vorwänden die
Abreise von Tag zu Tag zu verschieben. Seine Reden und Lieder
athmeten die tiefste Trauer. Doch mußten wir endlich nachgeben.—
Noch einmal bestiegen wir den Vesuv, um das schönste Bild Italiens
uns unauslöschlich in die Seele zu graben. Der Abend war köstlich;
in entzückenden Glänze tauchte die Sonne in die westliche Fluch.
Schneegas hatte sprachlos dem erhabenen Schauspiele zugesehen.
Jetzt sprang er nach einer höhern Stelle des Kraters, an dem wir
standen. Vergebens warnten der Führer und ich zur Vorsicht auf
dem unsicheren Boden von Lava und Asche; der Verwegene hörte
nicht auf unser Rufen. Ich sah noch einmal in der schnell herein-
tretenden Dämmerung seine Gestalt hoch hervortreten und begra¬
ben war er auf ewig in den Kessel des Vulkans.


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[0124] Augenblick,!, wo sich die Freunde in Antwerpen getrennt hatten. Du, mein Geliebter, sagte er, wärest das belebende Princip unseres klei¬ nen Kreises gewesen und schlecht uns darum überall, so daß uns selbst Antwerpen nicht länger fesseln konnte. Der niederländischen Schule hatten wir ohnehin genug gehuldigt, es zog uns nach Rom, um auch vor seinen Meisterwerken zu knieen und des Peruginers, des Urbinaten einfach hohe Schönheit in die Farbengluth des Ru¬ bens zu tauchen. So pilgerten wir, Schneegas und ich, dem gött¬ lichen Hesperien zu. — Wo ist Schneegas? Lebt er noch, der dichterische Träumer, von dem ich immer verlangte, er solle statt des Pinsels die Feder ergreifen und mit Worten, aber nicht mit Farben malen! unterbrach der Professor heftig die Erzählung Wendelin's. — Er lebt, doch nur in seinen Liedern, entgegnete mit Weh¬ muth der Freund. — Je näher wir der ewigen Noma kamen, je mehr die Wonne des Südens uns durchglühte, um so größer ward die lyrische Begeisterung in seiner Brust. Wir hatten Italien die Kreuz und Quere durchzogen, hatten in den höchsten Reizen der Natur und Kunst geschwelgt, aber immer suchten wir noch mehr und immer glühender ward unser Durst. Vorzüglich lange weilten wir in Neapel, an seinem Golf, in den neu enthüllten Wunden von Pompeji und Herculanum. — Plötzlich riefen uns mahnende Briefe nach der Heimath, in das kalte Deutschland zurück. Der Gedanke an Trennung von diesem Paradiese war besonders für Schneegas entsetzlich, und er suchte unter mancherlei Vorwänden die Abreise von Tag zu Tag zu verschieben. Seine Reden und Lieder athmeten die tiefste Trauer. Doch mußten wir endlich nachgeben.— Noch einmal bestiegen wir den Vesuv, um das schönste Bild Italiens uns unauslöschlich in die Seele zu graben. Der Abend war köstlich; in entzückenden Glänze tauchte die Sonne in die westliche Fluch. Schneegas hatte sprachlos dem erhabenen Schauspiele zugesehen. Jetzt sprang er nach einer höhern Stelle des Kraters, an dem wir standen. Vergebens warnten der Führer und ich zur Vorsicht auf dem unsicheren Boden von Lava und Asche; der Verwegene hörte nicht auf unser Rufen. Ich sah noch einmal in der schnell herein- tretenden Dämmerung seine Gestalt hoch hervortreten und begra¬ ben war er auf ewig in den Kessel des Vulkans.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/124>, abgerufen am 01.09.2024.