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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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-- Es ist eine liebliche Fügung des Himmels, welche mich Sie
hier finden ließ, sprach ich und faßte des Mädchens Hand. Schon
wollte ich die sich sanft Sträubende näher zu mir herüber ziehen,
wollte sie mit meinem Arm umschlingen und das Geständniß meiner
Liebe ihr von den Lippen küssen -- da rauschte die Tante mit dem
Professor hinter der Eremitage hervor und schloß mir den Mund.
Frauen haben ein scharfes Auge in solchen Dingen, und ein bedeut¬
samer Blick der Tante zeigte mir, daß sie wohl errathe, was vorge¬
fallen. Doch glaubte ich auch darin zu lesen, daß mir, im Fall ich
um Wilhelminens Hand werbe, vor einer abschlägigen Antwort nicht
zu bangen brauche.

So war also schon der erste Tag in Schönbrunn für mich ein
entscheidender geworden, und es bedarf wohl keiner weiteren Erläute¬
rung, daß ich auch an den folgenden der stete Begleiter der Forst¬
räthin blieb und mich immer fester in der Gunst der beiden Damen
setzte. Auch mein Kranker dankte mir aufrichtig für den vergnügten
Nachmittag. In angenehmer Gesellschaft, sagte er, unter frischem
Waldesgrün und beim Gezwitscher der Vögel habe der finstere Dä¬
mon keine Gewalt über ihn; er habe auch nicht die mindeste Placke¬
rei vom Staube zu leiden gehabt und freue sich schon auf morgen,
um mit der Frau Forsträthin, bei welcher er eine starke Passton für
Landschaftsmalerei entdeckt habe, wieder nach der KlauSnerhütte
zu pilgern.

Sonderbar war es jedoch, daß, je vertrauter ich mit Wilhelminen
wurde, der Professor eine Kälte und zuweilen eine Abneigung gegen
mich zeigte, die ich mir nicht erklären konnte und die mit seinem frühe¬
ren Benehmen im geraden Widerspruch stand. Er hatte gleich am
zweiten Tage Friedrich mit mehreren Briefen abgeschickt und auf
meine Frage nur mit einem sonderbaren geheimnißvollen Lächeln ge¬
antwortet. So mußte ich mich also gedulden und konnte es auch
um so leichter, als ich in der Gesellschaft Wilhelminens reichlichen
Ersatz sür die Launen des Schachtelmannes fand. Am Abend des
fünften oder sechsten Tages unsrer Anwesenheit in Schönbrunn end¬
lich schien Robert seinem Unmuth Worte geben zu wollen. Herr
Doctor, sagte er, Friedrich bleibt länger, als ich dachte. Es scheint


— Es ist eine liebliche Fügung des Himmels, welche mich Sie
hier finden ließ, sprach ich und faßte des Mädchens Hand. Schon
wollte ich die sich sanft Sträubende näher zu mir herüber ziehen,
wollte sie mit meinem Arm umschlingen und das Geständniß meiner
Liebe ihr von den Lippen küssen — da rauschte die Tante mit dem
Professor hinter der Eremitage hervor und schloß mir den Mund.
Frauen haben ein scharfes Auge in solchen Dingen, und ein bedeut¬
samer Blick der Tante zeigte mir, daß sie wohl errathe, was vorge¬
fallen. Doch glaubte ich auch darin zu lesen, daß mir, im Fall ich
um Wilhelminens Hand werbe, vor einer abschlägigen Antwort nicht
zu bangen brauche.

So war also schon der erste Tag in Schönbrunn für mich ein
entscheidender geworden, und es bedarf wohl keiner weiteren Erläute¬
rung, daß ich auch an den folgenden der stete Begleiter der Forst¬
räthin blieb und mich immer fester in der Gunst der beiden Damen
setzte. Auch mein Kranker dankte mir aufrichtig für den vergnügten
Nachmittag. In angenehmer Gesellschaft, sagte er, unter frischem
Waldesgrün und beim Gezwitscher der Vögel habe der finstere Dä¬
mon keine Gewalt über ihn; er habe auch nicht die mindeste Placke¬
rei vom Staube zu leiden gehabt und freue sich schon auf morgen,
um mit der Frau Forsträthin, bei welcher er eine starke Passton für
Landschaftsmalerei entdeckt habe, wieder nach der KlauSnerhütte
zu pilgern.

Sonderbar war es jedoch, daß, je vertrauter ich mit Wilhelminen
wurde, der Professor eine Kälte und zuweilen eine Abneigung gegen
mich zeigte, die ich mir nicht erklären konnte und die mit seinem frühe¬
ren Benehmen im geraden Widerspruch stand. Er hatte gleich am
zweiten Tage Friedrich mit mehreren Briefen abgeschickt und auf
meine Frage nur mit einem sonderbaren geheimnißvollen Lächeln ge¬
antwortet. So mußte ich mich also gedulden und konnte es auch
um so leichter, als ich in der Gesellschaft Wilhelminens reichlichen
Ersatz sür die Launen des Schachtelmannes fand. Am Abend des
fünften oder sechsten Tages unsrer Anwesenheit in Schönbrunn end¬
lich schien Robert seinem Unmuth Worte geben zu wollen. Herr
Doctor, sagte er, Friedrich bleibt länger, als ich dachte. Es scheint


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/120>, abgerufen am 01.09.2024.