Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.zig Jahren eine gefährliche Ueberzeugung ist. Um so sonderbarer hatte Nachdem ich noch die Erlaubniß erhalten, die beiden Damen zu -- Daß Du die Pest hättest! rief auf einmal Friedrich's mi߬ Der Schachtelmann, gleich mir durch Friedrich'S Schreien und Grenzboten 184i. II.
zig Jahren eine gefährliche Ueberzeugung ist. Um so sonderbarer hatte Nachdem ich noch die Erlaubniß erhalten, die beiden Damen zu — Daß Du die Pest hättest! rief auf einmal Friedrich's mi߬ Der Schachtelmann, gleich mir durch Friedrich'S Schreien und Grenzboten 184i. II.
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zig Jahren eine gefährliche Ueberzeugung ist. Um so sonderbarer hatte
das reizende Mädchen doch durchaus nichts Fremdes für mich, und
ich hätte darauf schwören wollen, ich habe sie schon früher als Kind
einmal gesehen, ohne mich besinnen zu können, wo und wie? Die
Stunden flogen uns gleich Minuten dahin, und erst Wilhelminens
Fragen nach dem Kranken ließen mich wieder an den Professor den¬
ken, den ich wahrlich ganz vergessen hatte.
Nachdem ich noch die Erlaubniß erhalten, die beiden Damen zu
einem Spaziergang in den Anlagen begleiten zu dürfen, wenn es
kühl geworden, eilte ich auf mein Zimmer und fand hier Friedrich,
den treuen Diener und Leidensgefährten, wahrscheinlich aus purer
Sympathie für seinen Herrn, gleichfalls in einen süßen Schlummer
versunken. Ich mußte unwillkürlich lächeln, als die beiden Schild¬
kröten so brüderlich schnarchten, und setzte mich auf das Sopha, um,
wenn auch nicht zu schlafen, doch die seligen Stunden, die ich ver¬
lebt, noch einmal zu durchleben.
— Daß Du die Pest hättest! rief auf einmal Friedrich's mi߬
tönende Stimme, und er schlug mit beiden Händen nach einer großen
Schmeißfliege, welche die Kühnheit gehabt hatte, seine Nase zu kiz-
zeln, fiel aber durch die vergeblichen Lufthiebe vom Stuhle und er¬
wachte so vollends. Der arme Teufel, der sich wahrscheinlich zu
Hause in seiner einsamen Kammer wähnte, die seit Jahren außer
ihm kein menschlicher Fuß betreten, geriet!) in eine grenzenlose Verle¬
genheit, als er bemerkte, wo er war und daß er sich in meiner und
seines Herrn Gegenwart habe vom Schlafe überraschen lassen. Seine
Geberden waren höchst komisch, Thränen der SchaM rannen zuletzt
über seine gefurchte Wange, und seine Lippen stammelten unverständ¬
liche Betheuerungen seiner Dienstergebenheit und Unschuld.
Der Schachtelmann, gleich mir durch Friedrich'S Schreien und
Fall aus dem Schlummer aufgeschreckt, konnte doch bei dem Anblick
des flehenden Dieners und der Schnelligkeit, womit sich dieser von
der Erde aufraffte, ein herzliches Lachen nicht unterdrücken und rief
mit jugendlicher Munterkeit: Was den Henker treibst Du da für
närrische Possen? Ha, ha, ha! hätt' ich doch nimmer geglaubt, daß
Du so flink sein könntest? — Du springst ja wie ein Eichkätzchen,
während Du die Größe und Farbe eines Bären hast! —Herr Doc-
tor, ich bitte, sahen Sie jemals etwas Aehnliches?
Grenzboten 184i. II.
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