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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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einzigen Leidenschaft desselben, dem Geiz, sehr geschmeichelt habe" mag,
während sie selbst im Gegentheil zu Verschwendung geneigt, das be¬
deutende Vermögen ihrer Mutter rasch unter die Leute brachte, im
Jahr 1841 aber so glücklich war, den reichen Vater wiederum zu
beerben!

Fürst Felir Bacciochi, dessen einziger Sohn vor neun Jahren im
Jünglingsalter an einem unglücklichen Sturz mit dem Pferde in der
Villa Borghese zu Rom starb, und dessen alleinige Erbin daher die
Prinzessin blieb, war aber, die Meinungen seiner Tochter kennend,
bei Abfassung des Testaments vorsichtig genug gewesen, die größere
Hälfte seines Nachlasses in ein Fidel-Commiß zu verwandeln, so
daß jene nun zwar 200,000 Franken jährlicher Renten bezieht, den
Haupttheil des Capitals anzugreifen jedoch keine Befugniß hat. Da¬
gegen blieb ihr das Recht, im Fall ihr Sohn ohne Erben das Zeit¬
liche segnen sollte, einen Andern aus der Familie Bonaparte oder
der Familie Bacciochi noch bei ihren Lebzeiten zu substituiren, und
man sagt, daß sie hievon zu Gunsten ihres Neffen, des Prinzen Na¬
poleon Montfort, den sie sehr liebt, Gebrauch machen werde. Dieser
Prinz ist ein sehr ausgezeichneter junger Mann, der ganz die Phy¬
siognomie Napoleons hat, und von dem es sich nur bedauern läßt,
daß er nicht eine seinen Fähigkeiten und Kräften angemessene Stel¬
lung einnimmt. Das Dateo la- niente in Italien eignet sich nicht
dazu, Charaktere zu befestigen und ein sprudelndes Jugendleben wür¬
dig auszufüllen. Freilich mag der Gedanke an das, wozu man bet
mehr Gunst des Schicksals hätte berufen sein können, die Ansprüche
überhaupt auch wohl etwas zu hoch spannen. Gestürzte Throne
geben immer falsche Stellungen und der legitime Herzog v. Bordcam-
gilt in seiner jetzigen eben so wenig als die napoleoniden.

Auch daS sehr markirte Gesicht der Prinzessin ist ganz der Na¬
poleonische TvpuS; ihr Wuchs von mittlerer Größe geht zu sehr in's
Breite und hat keine gefällige Formen. Als junges Mädchen soll
sie äußerst lieblich gewesen sein, doch seitdem- sie sich zu sehr vernach¬
lässigt, aller Toilette und Eleganz Haß geschworen hat und absicht¬
lich weder weiblich noch graziös erscheinen will, kann ihr ArußereS
auch keinen angenehmen Eindruck mehr machen! Dennoch überrascht
sie bei all diesen Mängeln an Reiz, ja wohl gar an Anstand, oft¬
mals durch ein wahrhaft imposantes Wesen, das jedoch mehr den


einzigen Leidenschaft desselben, dem Geiz, sehr geschmeichelt habe» mag,
während sie selbst im Gegentheil zu Verschwendung geneigt, das be¬
deutende Vermögen ihrer Mutter rasch unter die Leute brachte, im
Jahr 1841 aber so glücklich war, den reichen Vater wiederum zu
beerben!

Fürst Felir Bacciochi, dessen einziger Sohn vor neun Jahren im
Jünglingsalter an einem unglücklichen Sturz mit dem Pferde in der
Villa Borghese zu Rom starb, und dessen alleinige Erbin daher die
Prinzessin blieb, war aber, die Meinungen seiner Tochter kennend,
bei Abfassung des Testaments vorsichtig genug gewesen, die größere
Hälfte seines Nachlasses in ein Fidel-Commiß zu verwandeln, so
daß jene nun zwar 200,000 Franken jährlicher Renten bezieht, den
Haupttheil des Capitals anzugreifen jedoch keine Befugniß hat. Da¬
gegen blieb ihr das Recht, im Fall ihr Sohn ohne Erben das Zeit¬
liche segnen sollte, einen Andern aus der Familie Bonaparte oder
der Familie Bacciochi noch bei ihren Lebzeiten zu substituiren, und
man sagt, daß sie hievon zu Gunsten ihres Neffen, des Prinzen Na¬
poleon Montfort, den sie sehr liebt, Gebrauch machen werde. Dieser
Prinz ist ein sehr ausgezeichneter junger Mann, der ganz die Phy¬
siognomie Napoleons hat, und von dem es sich nur bedauern läßt,
daß er nicht eine seinen Fähigkeiten und Kräften angemessene Stel¬
lung einnimmt. Das Dateo la- niente in Italien eignet sich nicht
dazu, Charaktere zu befestigen und ein sprudelndes Jugendleben wür¬
dig auszufüllen. Freilich mag der Gedanke an das, wozu man bet
mehr Gunst des Schicksals hätte berufen sein können, die Ansprüche
überhaupt auch wohl etwas zu hoch spannen. Gestürzte Throne
geben immer falsche Stellungen und der legitime Herzog v. Bordcam-
gilt in seiner jetzigen eben so wenig als die napoleoniden.

Auch daS sehr markirte Gesicht der Prinzessin ist ganz der Na¬
poleonische TvpuS; ihr Wuchs von mittlerer Größe geht zu sehr in's
Breite und hat keine gefällige Formen. Als junges Mädchen soll
sie äußerst lieblich gewesen sein, doch seitdem- sie sich zu sehr vernach¬
lässigt, aller Toilette und Eleganz Haß geschworen hat und absicht¬
lich weder weiblich noch graziös erscheinen will, kann ihr ArußereS
auch keinen angenehmen Eindruck mehr machen! Dennoch überrascht
sie bei all diesen Mängeln an Reiz, ja wohl gar an Anstand, oft¬
mals durch ein wahrhaft imposantes Wesen, das jedoch mehr den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/82>, abgerufen am 23.07.2024.