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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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ausgestochen lind bin dann zweimal von meinem Schimmel herunter¬
gepurzelt. -- Waren Herr Oberstwachtmeister auf dem Gebhardsberg,
wo man den Bodensee, viele Städte, den Rhein und das ganze
Vorarlberg sehen kann?


Major. Da wäre ich ein Narr gewesen, einen hohen Berg
wegen einer Aussicht zu steigen. In Lindau, dort war ich, weil man
dort einen Rheinwein und ein excellentes Bier bekommt.
Langer Martin. Da haben der Herr Oberstwachtmeister
meinen Gusto. Ich war zwei Jahre in Innsbruck, und ich wäre
nicht in das Schloß Ambras gekommen, wenn mich nicht der Brauer,
der einen großen Keller dorr hat, mit Gewalt mitgenommen hätte.
Hören Sie, ist daS ein Keller! Ich habe viel Bier in meinem Leben
getrunken, aber diese Frische, diesen Geist habe ich noch nie gefunden.
Apoth. Ueberall kann man gut leben, aber ich glaube, daß
Ungarn doch in jeder Hinsicht den Vorzug vor allen anderen Ländern
verdient.
Geistlicher. Da stimme ich bei! Ungarn hat Ochsen, Wein
und Schweine in Ueberfluß, und der gute Rauchtabak, der wohl¬
feil ist!
Herr Joseph. Und die sauberen Mädchen in Pesth und in
! (Ein allgemeines Gelächter.)
Presburg, das wäre meine Passion Ich
für meinen Theil möchte nirgends leben, als in böhmisch Budweis,
da kostet eine ganze gebratene Gans einen Zwanziger.
Der gute Franzi. Geh mir mit Deinem Budweis! Was
hast Du dort für Unterhaltungen? Nicht einmal ein Theater! In
Italien, da kann man sich unterhalten. Diese prächtigen Opern! Ich
war sechzehn Jahre in Venedig und habe alle Jahre zwei- auch drei¬
mal die Oper und das Ballet besucht.
Langer Martin. Das ist meine Leidenschaft nicht. Ich war
acht Jahre in Italien und habe mich nie um ein Theater bekümmert.
Erstens singen sie Alles wälsch, und da versteht man ohnehin Nichts,
und dann muß ich auch aufrichtig sagen, daß ich auch in Wien, wo
man doch um vier Kreuzer in's Hoftheater kann, mich nie entschlie¬
ßen konnte, in's Theater zu gehen. Höchstens ging ich alle Viertel¬
jahre einmal in die Leopoldstadt, um mich dort tüchtig auszulachen.
Hauptmann. Ich war in meinem Leben auch nie für Thea¬
ter und Kaffeehäuser importirt, sondern wo ich hinkam, mußte ich
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GrcuMcii184-i, II. 76

ausgestochen lind bin dann zweimal von meinem Schimmel herunter¬
gepurzelt. — Waren Herr Oberstwachtmeister auf dem Gebhardsberg,
wo man den Bodensee, viele Städte, den Rhein und das ganze
Vorarlberg sehen kann?


Major. Da wäre ich ein Narr gewesen, einen hohen Berg
wegen einer Aussicht zu steigen. In Lindau, dort war ich, weil man
dort einen Rheinwein und ein excellentes Bier bekommt.
Langer Martin. Da haben der Herr Oberstwachtmeister
meinen Gusto. Ich war zwei Jahre in Innsbruck, und ich wäre
nicht in das Schloß Ambras gekommen, wenn mich nicht der Brauer,
der einen großen Keller dorr hat, mit Gewalt mitgenommen hätte.
Hören Sie, ist daS ein Keller! Ich habe viel Bier in meinem Leben
getrunken, aber diese Frische, diesen Geist habe ich noch nie gefunden.
Apoth. Ueberall kann man gut leben, aber ich glaube, daß
Ungarn doch in jeder Hinsicht den Vorzug vor allen anderen Ländern
verdient.
Geistlicher. Da stimme ich bei! Ungarn hat Ochsen, Wein
und Schweine in Ueberfluß, und der gute Rauchtabak, der wohl¬
feil ist!
Herr Joseph. Und die sauberen Mädchen in Pesth und in
! (Ein allgemeines Gelächter.)
Presburg, das wäre meine Passion Ich
für meinen Theil möchte nirgends leben, als in böhmisch Budweis,
da kostet eine ganze gebratene Gans einen Zwanziger.
Der gute Franzi. Geh mir mit Deinem Budweis! Was
hast Du dort für Unterhaltungen? Nicht einmal ein Theater! In
Italien, da kann man sich unterhalten. Diese prächtigen Opern! Ich
war sechzehn Jahre in Venedig und habe alle Jahre zwei- auch drei¬
mal die Oper und das Ballet besucht.
Langer Martin. Das ist meine Leidenschaft nicht. Ich war
acht Jahre in Italien und habe mich nie um ein Theater bekümmert.
Erstens singen sie Alles wälsch, und da versteht man ohnehin Nichts,
und dann muß ich auch aufrichtig sagen, daß ich auch in Wien, wo
man doch um vier Kreuzer in's Hoftheater kann, mich nie entschlie¬
ßen konnte, in's Theater zu gehen. Höchstens ging ich alle Viertel¬
jahre einmal in die Leopoldstadt, um mich dort tüchtig auszulachen.
Hauptmann. Ich war in meinem Leben auch nie für Thea¬
ter und Kaffeehäuser importirt, sondern wo ich hinkam, mußte ich
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[0609] ausgestochen lind bin dann zweimal von meinem Schimmel herunter¬ gepurzelt. — Waren Herr Oberstwachtmeister auf dem Gebhardsberg, wo man den Bodensee, viele Städte, den Rhein und das ganze Vorarlberg sehen kann? Major. Da wäre ich ein Narr gewesen, einen hohen Berg wegen einer Aussicht zu steigen. In Lindau, dort war ich, weil man dort einen Rheinwein und ein excellentes Bier bekommt. Langer Martin. Da haben der Herr Oberstwachtmeister meinen Gusto. Ich war zwei Jahre in Innsbruck, und ich wäre nicht in das Schloß Ambras gekommen, wenn mich nicht der Brauer, der einen großen Keller dorr hat, mit Gewalt mitgenommen hätte. Hören Sie, ist daS ein Keller! Ich habe viel Bier in meinem Leben getrunken, aber diese Frische, diesen Geist habe ich noch nie gefunden. Apoth. Ueberall kann man gut leben, aber ich glaube, daß Ungarn doch in jeder Hinsicht den Vorzug vor allen anderen Ländern verdient. Geistlicher. Da stimme ich bei! Ungarn hat Ochsen, Wein und Schweine in Ueberfluß, und der gute Rauchtabak, der wohl¬ feil ist! Herr Joseph. Und die sauberen Mädchen in Pesth und in ! (Ein allgemeines Gelächter.) Presburg, das wäre meine Passion Ich für meinen Theil möchte nirgends leben, als in böhmisch Budweis, da kostet eine ganze gebratene Gans einen Zwanziger. Der gute Franzi. Geh mir mit Deinem Budweis! Was hast Du dort für Unterhaltungen? Nicht einmal ein Theater! In Italien, da kann man sich unterhalten. Diese prächtigen Opern! Ich war sechzehn Jahre in Venedig und habe alle Jahre zwei- auch drei¬ mal die Oper und das Ballet besucht. Langer Martin. Das ist meine Leidenschaft nicht. Ich war acht Jahre in Italien und habe mich nie um ein Theater bekümmert. Erstens singen sie Alles wälsch, und da versteht man ohnehin Nichts, und dann muß ich auch aufrichtig sagen, daß ich auch in Wien, wo man doch um vier Kreuzer in's Hoftheater kann, mich nie entschlie¬ ßen konnte, in's Theater zu gehen. Höchstens ging ich alle Viertel¬ jahre einmal in die Leopoldstadt, um mich dort tüchtig auszulachen. Hauptmann. Ich war in meinem Leben auch nie für Thea¬ ter und Kaffeehäuser importirt, sondern wo ich hinkam, mußte ich ' GrcuMcii184-i, II. 76

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/609>, abgerufen am 03.07.2024.