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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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verschiedene geheime Mittheilungen eine unbegrenzte Freundschaft und
Wohlwollen; aber im Geheimen suchte ich auszuspähen, ob ihm nicht
auf der einen oder anderen Seite beizukommen wäre. Sein Privat¬
diener hat mir Manches mitgetheilt, was ich und mein Pauli früher
nicht gewußt hatten, obschon wir noch vor seiner Ankunft nebst sei¬
ner Eonduitenliste und Nationale auch eine Warnung und eine um¬
ständliche Beschreibung dieses merkwürdigen Subjects von seinrm
früheren Commandanten erhielten. Er schrieb uns, wie Sie selbst
hier lesen können, Folgendes: "Der Lieutenant, der auf dem Hin¬
marsche sich befindet, ist ein äußerst brauchbarer Mensch, -- er ist
sehr belesen, im Dienste pünktlich und eifrig, in der Gesellschaft sehr
angenehm, beredsam; aber er ist ein sehr gefährlicher Mensch. Er
ist mit seinen Untergebenen nicht gemein, aber er übt gegen sie eine
gewisse Toleranz aus, daß sie ihm Alle nach und nach geneigt wer¬
den und alle ihre übrigen Vorgesetzten zu hassen anfangen. Er ist
oft sehr streng gegen seine Untergebenen, aber diese Strenge ist im¬
mer so politisch angebracht, daß alle Uebrigen den Betreffenden darum
nur hassen und ihn noch mehr lieben. Alle freuen sich, wenn sie
unter seinem Commando irgend eine Arbeit oder einen Dienst ver¬
richten müssen; denn er unterhält sie mit seinen Scherzen, weiß ihre
Ambition zu spornen, und was ein anderer Offizier mit all seinem
Ernste, Eifer, Schelten und Fluchen in einem Tage nicht verrichtet,
das verrichtet er spielend, lachend, scherzend in zwei Stunden unter
Singen und mit einer solchen Accuratesse, daß auch sein größter
Feind nicht das Mindeste auszustellen im Stande wäre. Er pflegt
nicht, wie andere Offiziere, selbst Alles anzuordnen, sondern er be¬
fragt gewöhnlich seine Untergebenen, -- wie werden wir dieses oder
jenes machen? -- Schlägt ihm Einer einen Plan vor, der ihm der
beste zu sein scheint, und treten ihm die anderen bei, dann sagt er
gewöhnlich zu dem Proponenten: Gut, so machen nur es und Er
wird das Ganze leiten! Dann sieht er ganz gleichgültig zu, -- die
Kanoniere singen oder erzählen allerlei lustige Stückchen, und er --
statt selbe abzumahnen und sich solche Freiheiten, die seine Offiziers-
charge nur herabwürdigen, zu verbieten, -- lacht und singt mit.
Wenn auch auf diese Art die ihm übertragenen Arbeiten, Verrichtun¬
gen und Manipulationen erstaunungswürdig schnell und präcise aus¬
geführt werden, - so leidet doch das Ansehen des Offiziers und


Gicnzbvtm ,,.

verschiedene geheime Mittheilungen eine unbegrenzte Freundschaft und
Wohlwollen; aber im Geheimen suchte ich auszuspähen, ob ihm nicht
auf der einen oder anderen Seite beizukommen wäre. Sein Privat¬
diener hat mir Manches mitgetheilt, was ich und mein Pauli früher
nicht gewußt hatten, obschon wir noch vor seiner Ankunft nebst sei¬
ner Eonduitenliste und Nationale auch eine Warnung und eine um¬
ständliche Beschreibung dieses merkwürdigen Subjects von seinrm
früheren Commandanten erhielten. Er schrieb uns, wie Sie selbst
hier lesen können, Folgendes: „Der Lieutenant, der auf dem Hin¬
marsche sich befindet, ist ein äußerst brauchbarer Mensch, — er ist
sehr belesen, im Dienste pünktlich und eifrig, in der Gesellschaft sehr
angenehm, beredsam; aber er ist ein sehr gefährlicher Mensch. Er
ist mit seinen Untergebenen nicht gemein, aber er übt gegen sie eine
gewisse Toleranz aus, daß sie ihm Alle nach und nach geneigt wer¬
den und alle ihre übrigen Vorgesetzten zu hassen anfangen. Er ist
oft sehr streng gegen seine Untergebenen, aber diese Strenge ist im¬
mer so politisch angebracht, daß alle Uebrigen den Betreffenden darum
nur hassen und ihn noch mehr lieben. Alle freuen sich, wenn sie
unter seinem Commando irgend eine Arbeit oder einen Dienst ver¬
richten müssen; denn er unterhält sie mit seinen Scherzen, weiß ihre
Ambition zu spornen, und was ein anderer Offizier mit all seinem
Ernste, Eifer, Schelten und Fluchen in einem Tage nicht verrichtet,
das verrichtet er spielend, lachend, scherzend in zwei Stunden unter
Singen und mit einer solchen Accuratesse, daß auch sein größter
Feind nicht das Mindeste auszustellen im Stande wäre. Er pflegt
nicht, wie andere Offiziere, selbst Alles anzuordnen, sondern er be¬
fragt gewöhnlich seine Untergebenen, — wie werden wir dieses oder
jenes machen? — Schlägt ihm Einer einen Plan vor, der ihm der
beste zu sein scheint, und treten ihm die anderen bei, dann sagt er
gewöhnlich zu dem Proponenten: Gut, so machen nur es und Er
wird das Ganze leiten! Dann sieht er ganz gleichgültig zu, — die
Kanoniere singen oder erzählen allerlei lustige Stückchen, und er —
statt selbe abzumahnen und sich solche Freiheiten, die seine Offiziers-
charge nur herabwürdigen, zu verbieten, — lacht und singt mit.
Wenn auch auf diese Art die ihm übertragenen Arbeiten, Verrichtun¬
gen und Manipulationen erstaunungswürdig schnell und präcise aus¬
geführt werden, - so leidet doch das Ansehen des Offiziers und


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[0601] verschiedene geheime Mittheilungen eine unbegrenzte Freundschaft und Wohlwollen; aber im Geheimen suchte ich auszuspähen, ob ihm nicht auf der einen oder anderen Seite beizukommen wäre. Sein Privat¬ diener hat mir Manches mitgetheilt, was ich und mein Pauli früher nicht gewußt hatten, obschon wir noch vor seiner Ankunft nebst sei¬ ner Eonduitenliste und Nationale auch eine Warnung und eine um¬ ständliche Beschreibung dieses merkwürdigen Subjects von seinrm früheren Commandanten erhielten. Er schrieb uns, wie Sie selbst hier lesen können, Folgendes: „Der Lieutenant, der auf dem Hin¬ marsche sich befindet, ist ein äußerst brauchbarer Mensch, — er ist sehr belesen, im Dienste pünktlich und eifrig, in der Gesellschaft sehr angenehm, beredsam; aber er ist ein sehr gefährlicher Mensch. Er ist mit seinen Untergebenen nicht gemein, aber er übt gegen sie eine gewisse Toleranz aus, daß sie ihm Alle nach und nach geneigt wer¬ den und alle ihre übrigen Vorgesetzten zu hassen anfangen. Er ist oft sehr streng gegen seine Untergebenen, aber diese Strenge ist im¬ mer so politisch angebracht, daß alle Uebrigen den Betreffenden darum nur hassen und ihn noch mehr lieben. Alle freuen sich, wenn sie unter seinem Commando irgend eine Arbeit oder einen Dienst ver¬ richten müssen; denn er unterhält sie mit seinen Scherzen, weiß ihre Ambition zu spornen, und was ein anderer Offizier mit all seinem Ernste, Eifer, Schelten und Fluchen in einem Tage nicht verrichtet, das verrichtet er spielend, lachend, scherzend in zwei Stunden unter Singen und mit einer solchen Accuratesse, daß auch sein größter Feind nicht das Mindeste auszustellen im Stande wäre. Er pflegt nicht, wie andere Offiziere, selbst Alles anzuordnen, sondern er be¬ fragt gewöhnlich seine Untergebenen, — wie werden wir dieses oder jenes machen? — Schlägt ihm Einer einen Plan vor, der ihm der beste zu sein scheint, und treten ihm die anderen bei, dann sagt er gewöhnlich zu dem Proponenten: Gut, so machen nur es und Er wird das Ganze leiten! Dann sieht er ganz gleichgültig zu, — die Kanoniere singen oder erzählen allerlei lustige Stückchen, und er — statt selbe abzumahnen und sich solche Freiheiten, die seine Offiziers- charge nur herabwürdigen, zu verbieten, — lacht und singt mit. Wenn auch auf diese Art die ihm übertragenen Arbeiten, Verrichtun¬ gen und Manipulationen erstaunungswürdig schnell und präcise aus¬ geführt werden, - so leidet doch das Ansehen des Offiziers und Gicnzbvtm ,,.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/601>, abgerufen am 23.12.2024.