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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Leben der biederen Leute sehr gefiel, in Freiberg bei seinen Eltern
und sah noch die Hochzeit seiner Schwester Christel mit ihrem Fried¬
rich. Wenn Georg den Eltern sein Leben erzählte, und wie er jetzt
so glücklich sei, so sagte er oft: War es nun nicht gut, daß ich in
die Fremde ging, statt in der Heimath zu bleiben? Und seine Eltern
weinten Freudenthränen und segneren ihn tausendmal. Als er end¬
lich mit Laura wieder von dannen fuhr, Heini nach seinem Venedig,
so that er es nicht anders, sein kleiner Bruder Hans mußte mit
ihm und soll nachmals auch ein großer Mann geworden sein.

Seine Geschichte ist noch heute da oben im Munde der Leute,
und jetzt habt Ihr sie auch gehört. Hat sie Euch gefallen?




Die Alte stand auf -- meine Schwester dankte für die schone
Geschichte, ich gab der Erzählerin mit Thränen die Hand, legte mich
dann in das Moos zurück und schaute auf zum blauen Himmel.
Zum ersten Male fühlte ich da das sehnsüchtige Klopfen in meiner
Brust, das seitdem immer wiederkehrt; ich wußte nicht, wie mir ge¬
schah. Da sah ich obenhin eine Schaar Schwalben fliegen. Nehmt
mich mit! nehmt mich mit! rief ich, aber sie nahmen mich nicht mit.
Jetzt ward mir, als rufe das Elsterbächlein plätschernd und neckend
zu mir her: Komm mit! komm mit! und ich konnte nicht anders,
ich sprang auf und lief der davoneilenden Quelle nach, und lief
immerfort den Berg hinunter, bis ich bei meinem Vetter in Werners-
reuth war. Ich glühte über und über und antwortete verkehrtes
Zeug auf die Fragen meines Vetters. Venedig, Italien, Laura, wei¬
ter konnte man aus mir Nichts herausbringen.

-- Gewiß, meinte die Muhme, hat die alte katholische Kräutcr-
here ihm ihr dummes Märchen erzählt, womit sie den Kindern den
Kopf verwirrt! Diese Vermuthung bestätigte sich denn auch, wie die
Magd mit den Kindern später nachkam.

In der Nacht träumte ich bunte Bilder durcheinander. Jetzt
war mir, als wäre ich Georg und der Wale rufe mir; ich stand auf,
schlich auf den Zehen aus der Kammer, die Treppe hinunter, und
arbeitete an der verschlossenen Hausthüre, aber vergebens. Wer ist
unten? hörte ich jetzt rufen, vernahm, wie mein Vetter aus dem


Leben der biederen Leute sehr gefiel, in Freiberg bei seinen Eltern
und sah noch die Hochzeit seiner Schwester Christel mit ihrem Fried¬
rich. Wenn Georg den Eltern sein Leben erzählte, und wie er jetzt
so glücklich sei, so sagte er oft: War es nun nicht gut, daß ich in
die Fremde ging, statt in der Heimath zu bleiben? Und seine Eltern
weinten Freudenthränen und segneren ihn tausendmal. Als er end¬
lich mit Laura wieder von dannen fuhr, Heini nach seinem Venedig,
so that er es nicht anders, sein kleiner Bruder Hans mußte mit
ihm und soll nachmals auch ein großer Mann geworden sein.

Seine Geschichte ist noch heute da oben im Munde der Leute,
und jetzt habt Ihr sie auch gehört. Hat sie Euch gefallen?




Die Alte stand auf — meine Schwester dankte für die schone
Geschichte, ich gab der Erzählerin mit Thränen die Hand, legte mich
dann in das Moos zurück und schaute auf zum blauen Himmel.
Zum ersten Male fühlte ich da das sehnsüchtige Klopfen in meiner
Brust, das seitdem immer wiederkehrt; ich wußte nicht, wie mir ge¬
schah. Da sah ich obenhin eine Schaar Schwalben fliegen. Nehmt
mich mit! nehmt mich mit! rief ich, aber sie nahmen mich nicht mit.
Jetzt ward mir, als rufe das Elsterbächlein plätschernd und neckend
zu mir her: Komm mit! komm mit! und ich konnte nicht anders,
ich sprang auf und lief der davoneilenden Quelle nach, und lief
immerfort den Berg hinunter, bis ich bei meinem Vetter in Werners-
reuth war. Ich glühte über und über und antwortete verkehrtes
Zeug auf die Fragen meines Vetters. Venedig, Italien, Laura, wei¬
ter konnte man aus mir Nichts herausbringen.

— Gewiß, meinte die Muhme, hat die alte katholische Kräutcr-
here ihm ihr dummes Märchen erzählt, womit sie den Kindern den
Kopf verwirrt! Diese Vermuthung bestätigte sich denn auch, wie die
Magd mit den Kindern später nachkam.

In der Nacht träumte ich bunte Bilder durcheinander. Jetzt
war mir, als wäre ich Georg und der Wale rufe mir; ich stand auf,
schlich auf den Zehen aus der Kammer, die Treppe hinunter, und
arbeitete an der verschlossenen Hausthüre, aber vergebens. Wer ist
unten? hörte ich jetzt rufen, vernahm, wie mein Vetter aus dem


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[0598] Leben der biederen Leute sehr gefiel, in Freiberg bei seinen Eltern und sah noch die Hochzeit seiner Schwester Christel mit ihrem Fried¬ rich. Wenn Georg den Eltern sein Leben erzählte, und wie er jetzt so glücklich sei, so sagte er oft: War es nun nicht gut, daß ich in die Fremde ging, statt in der Heimath zu bleiben? Und seine Eltern weinten Freudenthränen und segneren ihn tausendmal. Als er end¬ lich mit Laura wieder von dannen fuhr, Heini nach seinem Venedig, so that er es nicht anders, sein kleiner Bruder Hans mußte mit ihm und soll nachmals auch ein großer Mann geworden sein. Seine Geschichte ist noch heute da oben im Munde der Leute, und jetzt habt Ihr sie auch gehört. Hat sie Euch gefallen? Die Alte stand auf — meine Schwester dankte für die schone Geschichte, ich gab der Erzählerin mit Thränen die Hand, legte mich dann in das Moos zurück und schaute auf zum blauen Himmel. Zum ersten Male fühlte ich da das sehnsüchtige Klopfen in meiner Brust, das seitdem immer wiederkehrt; ich wußte nicht, wie mir ge¬ schah. Da sah ich obenhin eine Schaar Schwalben fliegen. Nehmt mich mit! nehmt mich mit! rief ich, aber sie nahmen mich nicht mit. Jetzt ward mir, als rufe das Elsterbächlein plätschernd und neckend zu mir her: Komm mit! komm mit! und ich konnte nicht anders, ich sprang auf und lief der davoneilenden Quelle nach, und lief immerfort den Berg hinunter, bis ich bei meinem Vetter in Werners- reuth war. Ich glühte über und über und antwortete verkehrtes Zeug auf die Fragen meines Vetters. Venedig, Italien, Laura, wei¬ ter konnte man aus mir Nichts herausbringen. — Gewiß, meinte die Muhme, hat die alte katholische Kräutcr- here ihm ihr dummes Märchen erzählt, womit sie den Kindern den Kopf verwirrt! Diese Vermuthung bestätigte sich denn auch, wie die Magd mit den Kindern später nachkam. In der Nacht träumte ich bunte Bilder durcheinander. Jetzt war mir, als wäre ich Georg und der Wale rufe mir; ich stand auf, schlich auf den Zehen aus der Kammer, die Treppe hinunter, und arbeitete an der verschlossenen Hausthüre, aber vergebens. Wer ist unten? hörte ich jetzt rufen, vernahm, wie mein Vetter aus dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/598>, abgerufen am 23.07.2024.