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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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zcitstag nicht zu überlebe". Einmal in der Abenddämmerung kam
Laura'S Bruder zu ihm, lustig wie immer. Um Gotteswillen, Bru¬
der, rief er, wie siehst Du aus? Du wirst ja wie ein Schatten!
'

--- Habe ich nichtUrsache? entgegnete Georg kleinlaut, wann
wird mein Todestag sein?

-- Närrischer Kauz, lachte der Freund, willst Du, ein besonne¬
ner Deutscher von Geburt, den Kopf verlieren, wo ich erst recht für
Dich zu hoffen anfange? ES ist klar und leuchtet Dir wohl selbst
ein, daß dieser Sturm kommen mußte. Aber in wenig Tagen kann
und wird sich Alles ändern. Verlaß Dich auf mich, ich bin ein
Italiener und schlau wie ein Fuchs. Ich habe den Knoten in der
Hand und werde ihn lösen.

Georg lächelte wehmüthig, denn er glaubte, sein Freund wolle
ihn mit leeren Hoffnungen trösten.

-- Und Du zweifelst an mir? fragte der jetzt fest. Georg schüt¬
telte den Kopf, sein Freund fuhr fort: Verlaß Dich darauf, es geht
Alles besser, als ich selbst gedacht habe. Meine Schwester ist krank
vor Kummer, der größte Theil ihrer Krankheit aber ist Verstellung,
denn sie kennt meinen Plan. Wäre sie nicht krank geworden, so hätte
ich sie durch künstliche Mittel krank gemacht. Der Hausarzt ist von
mir bestochen und macht Höllenlärm um Laura's Krankheit. Mor¬
gen soll er aussagen, daß ihr Tod unvermeidlich ist, wenn nicht der
geheime Gram gehoben wird, an dem sie leidet. Darauf baue ich
meinen Plan. Ich bestürme den Herzog und seinen Sohn, zurück¬
zutreten, indem ich die Sachlage ihnen erzähle. Die Mutter muß
meinen Vater umstimmen, und im Nothfall erkläre ich, daß ich des
Herzogs Tochter nicht nehmen werde, wenn er durch seine Härte
meine Schwester tödte. Basta! mach Dich bereit, Laura bald wie¬
der zu sehen.

So stürmte er fort. Georg wurde wieder ruhiger, denn er be¬
gann wieder zu hoffen; aber doch mochte er seiner Hoffnung noch
nicht recht trauen. Es vergingen wieder einige Tage, da erscholl
durch die Stadt das Gerücht, die schöne Tochter des stolzen Raths-
herrn sei todtkrank und werde wohl heute noch sterben. Georg hatte
eben diese Kunde in Todesschreck vernommen, als plötzlich sein Freund,
Laura'S Bruder, hereinstürzte, Georg an die Brust drückte und jauchzte:
Das Spiel ist gewonnen, wenn Du es verstehst, meine Schwester


zcitstag nicht zu überlebe». Einmal in der Abenddämmerung kam
Laura'S Bruder zu ihm, lustig wie immer. Um Gotteswillen, Bru¬
der, rief er, wie siehst Du aus? Du wirst ja wie ein Schatten!
'

-— Habe ich nichtUrsache? entgegnete Georg kleinlaut, wann
wird mein Todestag sein?

— Närrischer Kauz, lachte der Freund, willst Du, ein besonne¬
ner Deutscher von Geburt, den Kopf verlieren, wo ich erst recht für
Dich zu hoffen anfange? ES ist klar und leuchtet Dir wohl selbst
ein, daß dieser Sturm kommen mußte. Aber in wenig Tagen kann
und wird sich Alles ändern. Verlaß Dich auf mich, ich bin ein
Italiener und schlau wie ein Fuchs. Ich habe den Knoten in der
Hand und werde ihn lösen.

Georg lächelte wehmüthig, denn er glaubte, sein Freund wolle
ihn mit leeren Hoffnungen trösten.

— Und Du zweifelst an mir? fragte der jetzt fest. Georg schüt¬
telte den Kopf, sein Freund fuhr fort: Verlaß Dich darauf, es geht
Alles besser, als ich selbst gedacht habe. Meine Schwester ist krank
vor Kummer, der größte Theil ihrer Krankheit aber ist Verstellung,
denn sie kennt meinen Plan. Wäre sie nicht krank geworden, so hätte
ich sie durch künstliche Mittel krank gemacht. Der Hausarzt ist von
mir bestochen und macht Höllenlärm um Laura's Krankheit. Mor¬
gen soll er aussagen, daß ihr Tod unvermeidlich ist, wenn nicht der
geheime Gram gehoben wird, an dem sie leidet. Darauf baue ich
meinen Plan. Ich bestürme den Herzog und seinen Sohn, zurück¬
zutreten, indem ich die Sachlage ihnen erzähle. Die Mutter muß
meinen Vater umstimmen, und im Nothfall erkläre ich, daß ich des
Herzogs Tochter nicht nehmen werde, wenn er durch seine Härte
meine Schwester tödte. Basta! mach Dich bereit, Laura bald wie¬
der zu sehen.

So stürmte er fort. Georg wurde wieder ruhiger, denn er be¬
gann wieder zu hoffen; aber doch mochte er seiner Hoffnung noch
nicht recht trauen. Es vergingen wieder einige Tage, da erscholl
durch die Stadt das Gerücht, die schöne Tochter des stolzen Raths-
herrn sei todtkrank und werde wohl heute noch sterben. Georg hatte
eben diese Kunde in Todesschreck vernommen, als plötzlich sein Freund,
Laura'S Bruder, hereinstürzte, Georg an die Brust drückte und jauchzte:
Das Spiel ist gewonnen, wenn Du es verstehst, meine Schwester


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[0594] zcitstag nicht zu überlebe». Einmal in der Abenddämmerung kam Laura'S Bruder zu ihm, lustig wie immer. Um Gotteswillen, Bru¬ der, rief er, wie siehst Du aus? Du wirst ja wie ein Schatten! ' -— Habe ich nichtUrsache? entgegnete Georg kleinlaut, wann wird mein Todestag sein? — Närrischer Kauz, lachte der Freund, willst Du, ein besonne¬ ner Deutscher von Geburt, den Kopf verlieren, wo ich erst recht für Dich zu hoffen anfange? ES ist klar und leuchtet Dir wohl selbst ein, daß dieser Sturm kommen mußte. Aber in wenig Tagen kann und wird sich Alles ändern. Verlaß Dich auf mich, ich bin ein Italiener und schlau wie ein Fuchs. Ich habe den Knoten in der Hand und werde ihn lösen. Georg lächelte wehmüthig, denn er glaubte, sein Freund wolle ihn mit leeren Hoffnungen trösten. — Und Du zweifelst an mir? fragte der jetzt fest. Georg schüt¬ telte den Kopf, sein Freund fuhr fort: Verlaß Dich darauf, es geht Alles besser, als ich selbst gedacht habe. Meine Schwester ist krank vor Kummer, der größte Theil ihrer Krankheit aber ist Verstellung, denn sie kennt meinen Plan. Wäre sie nicht krank geworden, so hätte ich sie durch künstliche Mittel krank gemacht. Der Hausarzt ist von mir bestochen und macht Höllenlärm um Laura's Krankheit. Mor¬ gen soll er aussagen, daß ihr Tod unvermeidlich ist, wenn nicht der geheime Gram gehoben wird, an dem sie leidet. Darauf baue ich meinen Plan. Ich bestürme den Herzog und seinen Sohn, zurück¬ zutreten, indem ich die Sachlage ihnen erzähle. Die Mutter muß meinen Vater umstimmen, und im Nothfall erkläre ich, daß ich des Herzogs Tochter nicht nehmen werde, wenn er durch seine Härte meine Schwester tödte. Basta! mach Dich bereit, Laura bald wie¬ der zu sehen. So stürmte er fort. Georg wurde wieder ruhiger, denn er be¬ gann wieder zu hoffen; aber doch mochte er seiner Hoffnung noch nicht recht trauen. Es vergingen wieder einige Tage, da erscholl durch die Stadt das Gerücht, die schöne Tochter des stolzen Raths- herrn sei todtkrank und werde wohl heute noch sterben. Georg hatte eben diese Kunde in Todesschreck vernommen, als plötzlich sein Freund, Laura'S Bruder, hereinstürzte, Georg an die Brust drückte und jauchzte: Das Spiel ist gewonnen, wenn Du es verstehst, meine Schwester

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/594>, abgerufen am 23.07.2024.