Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.Anblick einer Gauermann'schen Landschaft hörte man das Glocken¬ 7 "
Anblick einer Gauermann'schen Landschaft hörte man das Glocken¬ 7 »
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0059" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180618"/> <p xml:id="ID_110" prev="#ID_109" next="#ID_111"> Anblick einer Gauermann'schen Landschaft hörte man das Glocken¬<lb/> geläute des Alpenviehs, den Jodler, sah man den Gemsenjäger, die<lb/> steiermärkischen gutmüthigen Gesichter und glaubte man vom Erz¬<lb/> herzog Johann sprechen zu hören. — Man hätte ihm noch lange<lb/> zuhören und zusehen können, aber er blieb klüglich aus, noch da man<lb/> ihn vermißt, während man die Andern gar nicht bemerkt, da sie noch<lb/> da sind. — Die Herren Alt, Vater und Sohn, machen von der<lb/> letzten Arrondirung der Monarchie einen vortrefflichen Gebrauch. —<lb/> Sie bringen alljährlich eine oder mehrere Landschaften aus dem Süden,<lb/> voll der heitersten Sonne und südlichsten Romantik. — Das Bild<lb/> von Rudolf Alt „die Certosa" ist so schön und wunderbar wie das<lb/> Original. — Wahrhaftig das höchste Lob. — Etwas Abwechslung<lb/> in die österreichische Gemüthlichkeit brachte der Franzose Tauneur<lb/> mit seinen wilden Seebildern, und der Holländer Van Haaren mit<lb/> seinen Winterlandschaften. In diesem Mann lebt der Genius der<lb/> Kunst noch fort, der so grillenhafter Weise sich vor Jahrhunderten<lb/> schon in dem flachen, kühlen Holland eingebürgert und die Ruis-<lb/> daels :c. aus baumwollenen Holländern zu Dichtern gemacht. Sollte<lb/> man nicht meinen, der Genius wohne gerne mit der Freiheit auf<lb/> einer Stube, auch wenn diese nicht Aussicht hat auf antike Ruinen,<lb/> grüne Berge und silberne Ströme? Van Haaren kennt die Poesie<lb/> des Winters und bannt sie auf die Leinwand, wie Niemand. —<lb/> Er könnte aus allen Maipoeten begeisterte Jänner-Besinger machen,<lb/> und Nikolaus könnte durch ihn viel leichter die Ehre seines Landes<lb/> retten, als durch alle Broschüren des Herrn von Gretsch. Neben<lb/> Van Haaren behauptet Kriehuber den ersten Platz mit seinen AquareU-<lb/> landschaften. — Der Mann ist auch ein Oesterreicher und wählt<lb/> meist dieselben sujets wie seine Landsleute; da erkennt man aber,<lb/> wie jedes Auge anders sieht, und sein Auge ist ein geniales. Nichts<lb/> von Gemüthlichkeit, Nichts von kleinlicher Sentimentalität, da ist Alles<lb/> wild, schroff, zerrissen. Seine Bilder sind die Porträts einer un.<lb/> glücklichen, verwilderten Erde; durch die Steinritzen sieht man i»<lb/> ihr innerstes Herz, und die Bäume und Sträucher sind nur das ver¬<lb/> wahrloste Haar einer Verzweifelnden. — Kriehuber's Gesicht hat<lb/> mich immer an das wilde, steinigte Graubünden erinnert mit seinen<lb/> Katarakten, Abgründen und verwitterten Felsen, und wie sein Gesicht,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 7 »</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0059]
Anblick einer Gauermann'schen Landschaft hörte man das Glocken¬
geläute des Alpenviehs, den Jodler, sah man den Gemsenjäger, die
steiermärkischen gutmüthigen Gesichter und glaubte man vom Erz¬
herzog Johann sprechen zu hören. — Man hätte ihm noch lange
zuhören und zusehen können, aber er blieb klüglich aus, noch da man
ihn vermißt, während man die Andern gar nicht bemerkt, da sie noch
da sind. — Die Herren Alt, Vater und Sohn, machen von der
letzten Arrondirung der Monarchie einen vortrefflichen Gebrauch. —
Sie bringen alljährlich eine oder mehrere Landschaften aus dem Süden,
voll der heitersten Sonne und südlichsten Romantik. — Das Bild
von Rudolf Alt „die Certosa" ist so schön und wunderbar wie das
Original. — Wahrhaftig das höchste Lob. — Etwas Abwechslung
in die österreichische Gemüthlichkeit brachte der Franzose Tauneur
mit seinen wilden Seebildern, und der Holländer Van Haaren mit
seinen Winterlandschaften. In diesem Mann lebt der Genius der
Kunst noch fort, der so grillenhafter Weise sich vor Jahrhunderten
schon in dem flachen, kühlen Holland eingebürgert und die Ruis-
daels :c. aus baumwollenen Holländern zu Dichtern gemacht. Sollte
man nicht meinen, der Genius wohne gerne mit der Freiheit auf
einer Stube, auch wenn diese nicht Aussicht hat auf antike Ruinen,
grüne Berge und silberne Ströme? Van Haaren kennt die Poesie
des Winters und bannt sie auf die Leinwand, wie Niemand. —
Er könnte aus allen Maipoeten begeisterte Jänner-Besinger machen,
und Nikolaus könnte durch ihn viel leichter die Ehre seines Landes
retten, als durch alle Broschüren des Herrn von Gretsch. Neben
Van Haaren behauptet Kriehuber den ersten Platz mit seinen AquareU-
landschaften. — Der Mann ist auch ein Oesterreicher und wählt
meist dieselben sujets wie seine Landsleute; da erkennt man aber,
wie jedes Auge anders sieht, und sein Auge ist ein geniales. Nichts
von Gemüthlichkeit, Nichts von kleinlicher Sentimentalität, da ist Alles
wild, schroff, zerrissen. Seine Bilder sind die Porträts einer un.
glücklichen, verwilderten Erde; durch die Steinritzen sieht man i»
ihr innerstes Herz, und die Bäume und Sträucher sind nur das ver¬
wahrloste Haar einer Verzweifelnden. — Kriehuber's Gesicht hat
mich immer an das wilde, steinigte Graubünden erinnert mit seinen
Katarakten, Abgründen und verwitterten Felsen, und wie sein Gesicht,
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