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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Der Wale, der ihn mit nach Venedig genommen, dessen Gemah¬
lin und die drei Söhne liebten Alle den jungen Voigtländer, als ob
er ein Kind deö Hauses gewesen wäre. Sie merkten gar wohl, daß
die Liebe ihm einen Streich gespielt habe, denn das sieht man den
Leuten gleich am Gesichte an.

-- Woran sieht man denn das? fragte meine Schwester wie¬
der. Ich stieß sie, daß sie ruhig sein sollte, denn ich mochte Störung
nicht leiden. Die Alte lächelte und sagte- I, Du willst auch Alles
gar zu gern wissen! Sieh, Verliebte haben ganz absonderliche Augen,
die man gar nicht beschreiben kann, sehen entweder auf den Boden,
oder stieren den blauen Himmel an. Sie halten immer auf saubere
Kleider, schmücken sich mit wohlriechenden Blumen, antworten nicht,
wenn man sie fragt, machen Gedichte und sonst noch tausend dum¬
mes Zeug. Aber hört jetzt nur zu, meine Geschichte wird bald zu
Ende sein!

Die Söhne deö Hauses suchten also Georg auszuhorchen, er
wich aber immer ihren Fragen geschickt aus. Zuletzt erkundschafteten
sie aber doch das Haus, wo er immer Ständchen brachte. Sie
wußten, daß dort der reiche Rathsherr wohne, konnten sich aber nicht
denken, daß Georg sein Auge so hoch erhoben habe, denn deS Raths¬
herrn Stolz war bekannt, und man wußte auch, daß er gern mit
dem Herzog verwandt werden wollte. Als sie aber Georg mit des
Rathsherrn Sohn zusammensahen, ging ihnen ein Licht auf. Als
sie dem Vater ihre Vermuthungen sagten, erschrack der gewaltig und
beschloß, nun doch Georg einmal in die Beichte zu nehmen, um viel¬
leicht mit Vernunft ihn zur Vernunft zurückzubringen.

So that er denn auch. Er rief Georg in sein Cabinet und
sagte ihm: Er wisse längst, daß Georg etwas auf dem Herzen trage,
habe aber geglaubt, sein Vertrauen in vollem Maße zu verdienen,
den" er sei fein ausrichtigster Freund und liebe ihn mehr, als wenn
er sein Vater wäre. So sprach er manches Wort, das zu Georg's
Herzen drang. Der fiel seinem Beschützer endlich um den
Hals und gestand ihm Alles, verschwieg auch nicht, daß er nicht
leben möge, wenn nicht Laura sein Weib werde. Der Wale erschrack
und setzte Georg anfangs auseinander, wie er sich diese Dinge aus
dem Kopf schlagen müsse, denn es sei nicht daran zu denken, daß
der stolze Rathsherr seine Einwilligung geben werde. Da kam aber


Der Wale, der ihn mit nach Venedig genommen, dessen Gemah¬
lin und die drei Söhne liebten Alle den jungen Voigtländer, als ob
er ein Kind deö Hauses gewesen wäre. Sie merkten gar wohl, daß
die Liebe ihm einen Streich gespielt habe, denn das sieht man den
Leuten gleich am Gesichte an.

— Woran sieht man denn das? fragte meine Schwester wie¬
der. Ich stieß sie, daß sie ruhig sein sollte, denn ich mochte Störung
nicht leiden. Die Alte lächelte und sagte- I, Du willst auch Alles
gar zu gern wissen! Sieh, Verliebte haben ganz absonderliche Augen,
die man gar nicht beschreiben kann, sehen entweder auf den Boden,
oder stieren den blauen Himmel an. Sie halten immer auf saubere
Kleider, schmücken sich mit wohlriechenden Blumen, antworten nicht,
wenn man sie fragt, machen Gedichte und sonst noch tausend dum¬
mes Zeug. Aber hört jetzt nur zu, meine Geschichte wird bald zu
Ende sein!

Die Söhne deö Hauses suchten also Georg auszuhorchen, er
wich aber immer ihren Fragen geschickt aus. Zuletzt erkundschafteten
sie aber doch das Haus, wo er immer Ständchen brachte. Sie
wußten, daß dort der reiche Rathsherr wohne, konnten sich aber nicht
denken, daß Georg sein Auge so hoch erhoben habe, denn deS Raths¬
herrn Stolz war bekannt, und man wußte auch, daß er gern mit
dem Herzog verwandt werden wollte. Als sie aber Georg mit des
Rathsherrn Sohn zusammensahen, ging ihnen ein Licht auf. Als
sie dem Vater ihre Vermuthungen sagten, erschrack der gewaltig und
beschloß, nun doch Georg einmal in die Beichte zu nehmen, um viel¬
leicht mit Vernunft ihn zur Vernunft zurückzubringen.

So that er denn auch. Er rief Georg in sein Cabinet und
sagte ihm: Er wisse längst, daß Georg etwas auf dem Herzen trage,
habe aber geglaubt, sein Vertrauen in vollem Maße zu verdienen,
den» er sei fein ausrichtigster Freund und liebe ihn mehr, als wenn
er sein Vater wäre. So sprach er manches Wort, das zu Georg's
Herzen drang. Der fiel seinem Beschützer endlich um den
Hals und gestand ihm Alles, verschwieg auch nicht, daß er nicht
leben möge, wenn nicht Laura sein Weib werde. Der Wale erschrack
und setzte Georg anfangs auseinander, wie er sich diese Dinge aus
dem Kopf schlagen müsse, denn es sei nicht daran zu denken, daß
der stolze Rathsherr seine Einwilligung geben werde. Da kam aber


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[0588] Der Wale, der ihn mit nach Venedig genommen, dessen Gemah¬ lin und die drei Söhne liebten Alle den jungen Voigtländer, als ob er ein Kind deö Hauses gewesen wäre. Sie merkten gar wohl, daß die Liebe ihm einen Streich gespielt habe, denn das sieht man den Leuten gleich am Gesichte an. — Woran sieht man denn das? fragte meine Schwester wie¬ der. Ich stieß sie, daß sie ruhig sein sollte, denn ich mochte Störung nicht leiden. Die Alte lächelte und sagte- I, Du willst auch Alles gar zu gern wissen! Sieh, Verliebte haben ganz absonderliche Augen, die man gar nicht beschreiben kann, sehen entweder auf den Boden, oder stieren den blauen Himmel an. Sie halten immer auf saubere Kleider, schmücken sich mit wohlriechenden Blumen, antworten nicht, wenn man sie fragt, machen Gedichte und sonst noch tausend dum¬ mes Zeug. Aber hört jetzt nur zu, meine Geschichte wird bald zu Ende sein! Die Söhne deö Hauses suchten also Georg auszuhorchen, er wich aber immer ihren Fragen geschickt aus. Zuletzt erkundschafteten sie aber doch das Haus, wo er immer Ständchen brachte. Sie wußten, daß dort der reiche Rathsherr wohne, konnten sich aber nicht denken, daß Georg sein Auge so hoch erhoben habe, denn deS Raths¬ herrn Stolz war bekannt, und man wußte auch, daß er gern mit dem Herzog verwandt werden wollte. Als sie aber Georg mit des Rathsherrn Sohn zusammensahen, ging ihnen ein Licht auf. Als sie dem Vater ihre Vermuthungen sagten, erschrack der gewaltig und beschloß, nun doch Georg einmal in die Beichte zu nehmen, um viel¬ leicht mit Vernunft ihn zur Vernunft zurückzubringen. So that er denn auch. Er rief Georg in sein Cabinet und sagte ihm: Er wisse längst, daß Georg etwas auf dem Herzen trage, habe aber geglaubt, sein Vertrauen in vollem Maße zu verdienen, den» er sei fein ausrichtigster Freund und liebe ihn mehr, als wenn er sein Vater wäre. So sprach er manches Wort, das zu Georg's Herzen drang. Der fiel seinem Beschützer endlich um den Hals und gestand ihm Alles, verschwieg auch nicht, daß er nicht leben möge, wenn nicht Laura sein Weib werde. Der Wale erschrack und setzte Georg anfangs auseinander, wie er sich diese Dinge aus dem Kopf schlagen müsse, denn es sei nicht daran zu denken, daß der stolze Rathsherr seine Einwilligung geben werde. Da kam aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/588>, abgerufen am 23.12.2024.