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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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und damit Du das Ruder weglegen kannst, steige in unsere Gon¬
del und binde Deinen Kahn daran fest! -- Ach, meinte Georg, ich
klimpere nur bisweilen ein wenig! Doch als selbst Laura und ihre
Mutter baten, that er, wie ihm geheißen war. Nun sang er ein
schönes deutsches Lied und Alle bewunderten ihn wegen seines Ge¬
sanges und die deutsche Sprache wegen ihres volltönenden Wohl¬
lautes.

Viel zu früh für den Glücklichen sank die Nacht herab. Sie
kehrten zurück in die Stadt und Georg wurde freundlichst eingeladen,
seinen Freund oft zu besuchen. Darauf schied er und fuhr allein sei¬
nem Hause zu. In der Nacht träumte er natürlich von Nichts, als
von seiner Liebe und am nächsten Tage verfehlte er nicht, seinen
Freund zu besuchen.

Laura's Vater war ein reicher Rathsherr, aber ein stolzer, hoch¬
fahrender Mann, der den Plan hatte, seinen Sohn mit der Tochter,
Laura mit dem Sohne des Herzogs zu vermählen, um immer höher
an Macht und Ansehen zu steigen. Er durfte deshalb Nichts davon
merken, daß sein Sohn ein Liebesverhältniß mit einem anderen Mäd¬
chen hatte, und so durfte auch Georg sich wenig Hoffnung machen,
seine Geliebte einstmals zu besitzen. Doch war er gern gesehen in
dem Hause als lieber Freund des Sohnes, und auch Laura liebte
ihn immer schwärmerischer, je öfter sie ihn sah, und wenn er vollends
zu erzählen begann von seinem Heimathlande und von den dunklen
Fichtenwäldern, von den schlichten, biederen Sitten seiner Bewoh¬
ner, und wenn er unsere Märchen erzählte, so hing ihr Auge so an¬
dächtig an seinen Lippen, daß sie schier die ganze Welt vergaß. Er
wußte es eben so gut, wie sie, daß sie einander von ganzer Seele
liebten, obwohl es Keines dem Andern sagte, denn sie waren nie
allein.

Wenn aber Georg nicht in Laura's Nähe war, so hing er den
Kopf wie eine Blume, die nach Regen schmachtet, und er glaubte,
ohne sie nicht leben zu können. Weil er aber nun doch einsah, daß
er nicht die geringste Hoffnung haben konnte, so wurde er niederge¬
schlagen und traurig, und wenn er sich dachte, daß Laura eines an¬
deren Mannes Weib werden müsse, so wünschte er lieber nicht zu
leben, oder daß er in der Heimath geblieben und Bauer geworden
.wäre.


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und damit Du das Ruder weglegen kannst, steige in unsere Gon¬
del und binde Deinen Kahn daran fest! — Ach, meinte Georg, ich
klimpere nur bisweilen ein wenig! Doch als selbst Laura und ihre
Mutter baten, that er, wie ihm geheißen war. Nun sang er ein
schönes deutsches Lied und Alle bewunderten ihn wegen seines Ge¬
sanges und die deutsche Sprache wegen ihres volltönenden Wohl¬
lautes.

Viel zu früh für den Glücklichen sank die Nacht herab. Sie
kehrten zurück in die Stadt und Georg wurde freundlichst eingeladen,
seinen Freund oft zu besuchen. Darauf schied er und fuhr allein sei¬
nem Hause zu. In der Nacht träumte er natürlich von Nichts, als
von seiner Liebe und am nächsten Tage verfehlte er nicht, seinen
Freund zu besuchen.

Laura's Vater war ein reicher Rathsherr, aber ein stolzer, hoch¬
fahrender Mann, der den Plan hatte, seinen Sohn mit der Tochter,
Laura mit dem Sohne des Herzogs zu vermählen, um immer höher
an Macht und Ansehen zu steigen. Er durfte deshalb Nichts davon
merken, daß sein Sohn ein Liebesverhältniß mit einem anderen Mäd¬
chen hatte, und so durfte auch Georg sich wenig Hoffnung machen,
seine Geliebte einstmals zu besitzen. Doch war er gern gesehen in
dem Hause als lieber Freund des Sohnes, und auch Laura liebte
ihn immer schwärmerischer, je öfter sie ihn sah, und wenn er vollends
zu erzählen begann von seinem Heimathlande und von den dunklen
Fichtenwäldern, von den schlichten, biederen Sitten seiner Bewoh¬
ner, und wenn er unsere Märchen erzählte, so hing ihr Auge so an¬
dächtig an seinen Lippen, daß sie schier die ganze Welt vergaß. Er
wußte es eben so gut, wie sie, daß sie einander von ganzer Seele
liebten, obwohl es Keines dem Andern sagte, denn sie waren nie
allein.

Wenn aber Georg nicht in Laura's Nähe war, so hing er den
Kopf wie eine Blume, die nach Regen schmachtet, und er glaubte,
ohne sie nicht leben zu können. Weil er aber nun doch einsah, daß
er nicht die geringste Hoffnung haben konnte, so wurde er niederge¬
schlagen und traurig, und wenn er sich dachte, daß Laura eines an¬
deren Mannes Weib werden müsse, so wünschte er lieber nicht zu
leben, oder daß er in der Heimath geblieben und Bauer geworden
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/587>, abgerufen am 23.12.2024.