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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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gen hatte, that sich oben ein Fenster auf und er erkannte beim Mon¬
denschein Laura's Antlitz. Da flatterte ein weißes Tuch hernieder,
er fing es glücklich auf, als er aber wieder emporsah, war das
Fenster geschlossen. DaS Tuch war an einer Ecke zusammengeknüpft.
In banger und doch freudiger Erwartung fuhr er seinem Hause z".
Damit ihn Niemand bemerke, fuhr er dahin, wo die Häuser ihren
Schatten über das Wasser warfen, und öffnete den Knoten. Er fand
ein Briefchen. Eben wollte er einen Versuch machen, es im Mond¬
schein zu lesen, da hörte er nicht gar weit von sich einen Hilferuf.
Er verbarg also schnell Tuch und Brief und fuhr pfeilschnell dahin,
woher der Ruf kam. Unter einem Brückenbogen vernahm er ein
Aechzen und sah, wie in einem Kahn ein wilder Kerl mit einem
jungen Menschen rang und ihm eben einen Dolch in die Brust sto¬
ßen wollte. In demselben Augenblick sprang Georg in jenen Kahn,
packte mit starken Händen den Banditen bei den Armen und entriß
ihm den Dolch; der junge Mann sprang auf, und nun hatte sich
das Blatt gewendet. Der Bandit flehte um Schonung seines Lebens
und sagte, daß er von einem vornehmen Jüngling mit vielem Gelde
bestochen worden sei, diese That auszuführen, schwur auch bei seinem
Schutzpatron und bei allen Heiligen, ihm ewig dankbar zu sein und
sich durch alle Schätze der Welt nicht mehr zu solch einer Schänd¬
lichkeit verführen zu lassen, sondern aus allen Kräften ihm zu dienen.
So wurde ihm endlich die Strafe erlassen. Der junge Mann aber
sagte zu Georg: Ihr habt mir das Leben gerettet, und ich werde
Euch ewig dankbar sein. Sagt mir Eueren Namen und wenn ich
in irgend einer Sache Euch dienen kann, so verlaßt Euch aus mich!
Wollt Ihr mir jetzt einen Platz in Euerem Kahn gönnen, so will
ich Euch erzählen, wie ich in diese Lebensgefahr gerathen bin. Sie
stiegen Beide in Georg's Kahn, der Schiffer fuhr mit tausend Ge¬
lübden und Danksagungen von dannen.

Der junge Venetianer erzählte nun, wie er ein Mädchen liebe,
um dessen Gunst sich auch ein Anderer bewerbe. Er aber habe mehr
Glück gehabt, als jener; der sei deshalb fast rasend und habe nun
den Schiffer, der ihn jeden Abend zu seiner Geliebten fahre, besto¬
chen, ihn zu ermorden. Er habe lange so Etwas vorausgesehen und
freue sich, daß durch Georg's Hilft der Anschlag verunglückt sei. Er
würde nun seinem Nebenbuhler die Lust zur Wiederholung seiner


Grknzbvtcii 1844. >,.

gen hatte, that sich oben ein Fenster auf und er erkannte beim Mon¬
denschein Laura's Antlitz. Da flatterte ein weißes Tuch hernieder,
er fing es glücklich auf, als er aber wieder emporsah, war das
Fenster geschlossen. DaS Tuch war an einer Ecke zusammengeknüpft.
In banger und doch freudiger Erwartung fuhr er seinem Hause z„.
Damit ihn Niemand bemerke, fuhr er dahin, wo die Häuser ihren
Schatten über das Wasser warfen, und öffnete den Knoten. Er fand
ein Briefchen. Eben wollte er einen Versuch machen, es im Mond¬
schein zu lesen, da hörte er nicht gar weit von sich einen Hilferuf.
Er verbarg also schnell Tuch und Brief und fuhr pfeilschnell dahin,
woher der Ruf kam. Unter einem Brückenbogen vernahm er ein
Aechzen und sah, wie in einem Kahn ein wilder Kerl mit einem
jungen Menschen rang und ihm eben einen Dolch in die Brust sto¬
ßen wollte. In demselben Augenblick sprang Georg in jenen Kahn,
packte mit starken Händen den Banditen bei den Armen und entriß
ihm den Dolch; der junge Mann sprang auf, und nun hatte sich
das Blatt gewendet. Der Bandit flehte um Schonung seines Lebens
und sagte, daß er von einem vornehmen Jüngling mit vielem Gelde
bestochen worden sei, diese That auszuführen, schwur auch bei seinem
Schutzpatron und bei allen Heiligen, ihm ewig dankbar zu sein und
sich durch alle Schätze der Welt nicht mehr zu solch einer Schänd¬
lichkeit verführen zu lassen, sondern aus allen Kräften ihm zu dienen.
So wurde ihm endlich die Strafe erlassen. Der junge Mann aber
sagte zu Georg: Ihr habt mir das Leben gerettet, und ich werde
Euch ewig dankbar sein. Sagt mir Eueren Namen und wenn ich
in irgend einer Sache Euch dienen kann, so verlaßt Euch aus mich!
Wollt Ihr mir jetzt einen Platz in Euerem Kahn gönnen, so will
ich Euch erzählen, wie ich in diese Lebensgefahr gerathen bin. Sie
stiegen Beide in Georg's Kahn, der Schiffer fuhr mit tausend Ge¬
lübden und Danksagungen von dannen.

Der junge Venetianer erzählte nun, wie er ein Mädchen liebe,
um dessen Gunst sich auch ein Anderer bewerbe. Er aber habe mehr
Glück gehabt, als jener; der sei deshalb fast rasend und habe nun
den Schiffer, der ihn jeden Abend zu seiner Geliebten fahre, besto¬
chen, ihn zu ermorden. Er habe lange so Etwas vorausgesehen und
freue sich, daß durch Georg's Hilft der Anschlag verunglückt sei. Er
würde nun seinem Nebenbuhler die Lust zur Wiederholung seiner


Grknzbvtcii 1844. >,.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/585>, abgerufen am 23.12.2024.