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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Demoiselle Povuda, die als erste Sängerin gastiere, ist ^oll Tglent,
im Besitze schöner Stimmmittel und einnehmender Gestalt und dürfte
als .die -beste Gabe .der Sommersaison betrachtet werden. Vorzüglich
gelungen war ihre Durchführung der Gabriele im "Nachtlager von
Granada". Der im Gefolge des Herzogs Max von Baiern anwe¬
sende Aitherspieler Petzmaier gab ein Concert, in dem er viele Pie¬
ren mit großer Meisterschaft vortrug. Herr Moritz ,und Madame
Wittmann sprachen "Bekenntnisse eines Brautpaares" von Feldmann.
Der namenlose Unsinn und die gänzliche Gehaltlosigkeit dieses Mach¬
werks wurde durch den Vortrag des Künstlers erst recht hervorgeho¬
ben, .während ein minder gelungener Vortrag das Ganze hatte spur¬
los verschwinden lassen. Am I. kommenden Monats wird die Bühne
mit Th. West. "Wilhelm Teil" eröffnet werden.


IV.
Aus Hamburg.

Elbschifffahrtsvertrag. -- Ein "euer israelitischer Tempel. -- Israelitische Frei¬
schule. -- Toleranz. -- Theater-Kritik und Polemik.

Bei schönem Wetter -- Gott Lob, wir haben es endlich wieder!
-- sind wohl die Menschen freundlicher und.die Straßen gangbarer,
aber die Hamburger Bürgerschaft zeigte sich letzter Tage auch bei gol¬
denem Sonnenschein starrköpfig und mürrisch. Die Proposition des
Rathes in Betreff der Genehmigung des zu Dresden im April d. I.
abgeschlossenen ElbfchissfahrtSvcrtragcs ward abermals zurückgewiesen,
wie schon früher. Damit aber gibt sich ein hochedlcr Rath, wie er
ungefähr in gleichen Worten fagt, noch keinesweges zufrieden, son¬
dern begehrte, bei der außerordentlichen Wichtigkeit der Sache, eine
Wahl von Kirchspielsdeputirten, mit welchen Senatsbevollmächtigte
aufs Neue die Berathung der Sache vorzunehmen haben. Das Re¬
sultat wird jedoch schwerlich von dem bisherigen abweichen. Die all¬
gemeine Stimme ist entschieden gegen die Ratifikation, und ich habe
in ähnlichen Fällen noch immer wahrgenommen, daß der . kaufmänni¬
sche Instinkt fast unfehlbar Gutes vom Bösen zu unterscheiden weiß,
wenn seine eigenen nächsten Interessen in Frage stehen. Diesmal, ist
die Frage eine mercantilische. Darum wird die vox >>mal>i wohl einen
recht gescheidten Ausspruch gethan haben. -- An sonstigen Tages¬
ereignissen verdient noch die am 5. d. M. stattgefundene Eröffnung
des'neuen israelitischen Tempels Erwähnung. Unmittelbar an der
Straße darf sich ein jüdisches Gotteshaus in Hamburg noch immer
nicht blicken lassen. Die Toleranz erstreckt sich bis jetzt noch auf
Hintergebäude. Sie verbirgt ihr Angesicht halb vor der christlichen
Welt, aus welcher übrigens Repräsentanten der höchsten Staatsbür-


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Demoiselle Povuda, die als erste Sängerin gastiere, ist ^oll Tglent,
im Besitze schöner Stimmmittel und einnehmender Gestalt und dürfte
als .die -beste Gabe .der Sommersaison betrachtet werden. Vorzüglich
gelungen war ihre Durchführung der Gabriele im „Nachtlager von
Granada". Der im Gefolge des Herzogs Max von Baiern anwe¬
sende Aitherspieler Petzmaier gab ein Concert, in dem er viele Pie¬
ren mit großer Meisterschaft vortrug. Herr Moritz ,und Madame
Wittmann sprachen „Bekenntnisse eines Brautpaares" von Feldmann.
Der namenlose Unsinn und die gänzliche Gehaltlosigkeit dieses Mach¬
werks wurde durch den Vortrag des Künstlers erst recht hervorgeho¬
ben, .während ein minder gelungener Vortrag das Ganze hatte spur¬
los verschwinden lassen. Am I. kommenden Monats wird die Bühne
mit Th. West. „Wilhelm Teil" eröffnet werden.


IV.
Aus Hamburg.

Elbschifffahrtsvertrag. — Ein »euer israelitischer Tempel. — Israelitische Frei¬
schule. — Toleranz. — Theater-Kritik und Polemik.

Bei schönem Wetter — Gott Lob, wir haben es endlich wieder!
— sind wohl die Menschen freundlicher und.die Straßen gangbarer,
aber die Hamburger Bürgerschaft zeigte sich letzter Tage auch bei gol¬
denem Sonnenschein starrköpfig und mürrisch. Die Proposition des
Rathes in Betreff der Genehmigung des zu Dresden im April d. I.
abgeschlossenen ElbfchissfahrtSvcrtragcs ward abermals zurückgewiesen,
wie schon früher. Damit aber gibt sich ein hochedlcr Rath, wie er
ungefähr in gleichen Worten fagt, noch keinesweges zufrieden, son¬
dern begehrte, bei der außerordentlichen Wichtigkeit der Sache, eine
Wahl von Kirchspielsdeputirten, mit welchen Senatsbevollmächtigte
aufs Neue die Berathung der Sache vorzunehmen haben. Das Re¬
sultat wird jedoch schwerlich von dem bisherigen abweichen. Die all¬
gemeine Stimme ist entschieden gegen die Ratifikation, und ich habe
in ähnlichen Fällen noch immer wahrgenommen, daß der . kaufmänni¬
sche Instinkt fast unfehlbar Gutes vom Bösen zu unterscheiden weiß,
wenn seine eigenen nächsten Interessen in Frage stehen. Diesmal, ist
die Frage eine mercantilische. Darum wird die vox >>mal>i wohl einen
recht gescheidten Ausspruch gethan haben. — An sonstigen Tages¬
ereignissen verdient noch die am 5. d. M. stattgefundene Eröffnung
des'neuen israelitischen Tempels Erwähnung. Unmittelbar an der
Straße darf sich ein jüdisches Gotteshaus in Hamburg noch immer
nicht blicken lassen. Die Toleranz erstreckt sich bis jetzt noch auf
Hintergebäude. Sie verbirgt ihr Angesicht halb vor der christlichen
Welt, aus welcher übrigens Repräsentanten der höchsten Staatsbür-


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[0571] Demoiselle Povuda, die als erste Sängerin gastiere, ist ^oll Tglent, im Besitze schöner Stimmmittel und einnehmender Gestalt und dürfte als .die -beste Gabe .der Sommersaison betrachtet werden. Vorzüglich gelungen war ihre Durchführung der Gabriele im „Nachtlager von Granada". Der im Gefolge des Herzogs Max von Baiern anwe¬ sende Aitherspieler Petzmaier gab ein Concert, in dem er viele Pie¬ ren mit großer Meisterschaft vortrug. Herr Moritz ,und Madame Wittmann sprachen „Bekenntnisse eines Brautpaares" von Feldmann. Der namenlose Unsinn und die gänzliche Gehaltlosigkeit dieses Mach¬ werks wurde durch den Vortrag des Künstlers erst recht hervorgeho¬ ben, .während ein minder gelungener Vortrag das Ganze hatte spur¬ los verschwinden lassen. Am I. kommenden Monats wird die Bühne mit Th. West. „Wilhelm Teil" eröffnet werden. IV. Aus Hamburg. Elbschifffahrtsvertrag. — Ein »euer israelitischer Tempel. — Israelitische Frei¬ schule. — Toleranz. — Theater-Kritik und Polemik. Bei schönem Wetter — Gott Lob, wir haben es endlich wieder! — sind wohl die Menschen freundlicher und.die Straßen gangbarer, aber die Hamburger Bürgerschaft zeigte sich letzter Tage auch bei gol¬ denem Sonnenschein starrköpfig und mürrisch. Die Proposition des Rathes in Betreff der Genehmigung des zu Dresden im April d. I. abgeschlossenen ElbfchissfahrtSvcrtragcs ward abermals zurückgewiesen, wie schon früher. Damit aber gibt sich ein hochedlcr Rath, wie er ungefähr in gleichen Worten fagt, noch keinesweges zufrieden, son¬ dern begehrte, bei der außerordentlichen Wichtigkeit der Sache, eine Wahl von Kirchspielsdeputirten, mit welchen Senatsbevollmächtigte aufs Neue die Berathung der Sache vorzunehmen haben. Das Re¬ sultat wird jedoch schwerlich von dem bisherigen abweichen. Die all¬ gemeine Stimme ist entschieden gegen die Ratifikation, und ich habe in ähnlichen Fällen noch immer wahrgenommen, daß der . kaufmänni¬ sche Instinkt fast unfehlbar Gutes vom Bösen zu unterscheiden weiß, wenn seine eigenen nächsten Interessen in Frage stehen. Diesmal, ist die Frage eine mercantilische. Darum wird die vox >>mal>i wohl einen recht gescheidten Ausspruch gethan haben. — An sonstigen Tages¬ ereignissen verdient noch die am 5. d. M. stattgefundene Eröffnung des'neuen israelitischen Tempels Erwähnung. Unmittelbar an der Straße darf sich ein jüdisches Gotteshaus in Hamburg noch immer nicht blicken lassen. Die Toleranz erstreckt sich bis jetzt noch auf Hintergebäude. Sie verbirgt ihr Angesicht halb vor der christlichen Welt, aus welcher übrigens Repräsentanten der höchsten Staatsbür- 71»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/571>, abgerufen am 01.10.2024.