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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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fahre, in der baierischen Hauptstadt den größten Theatersturin erregte.
Ein jüngerer Lustspieldichter ist Feld manu, dessen Komödien, welche
zum Theil recht spaßhaft sind, auch im deutschen Norden gern gese¬
hen werden. Dagegen hat es den Münchner Trauerspieldichtern seit
Babo, unter dessen trefflicher Leitung bekanntlich die Münchner Bühne
in Bezug auf das recitirende Drama ihre höchste Blüthe erlebte, nicht
recht gelingen wollen, auf außerbaierischen Bühnen festen Fuß zu
fassen. Ich nenne Ulrich von Destouches, Löste, Philipp
Berg er, den Verfasser der Dramen: "Die Bastille" und "Maria
von Medicis", Köberle, der bei der Aufführung seines Stückes
"die Prätendenten" einige böse Theatererfahrungen gemacht zu habe"
scheint, und welcher für die Theaterchronik in zum Theil sehr schar¬
fer und offener Weise correspondirt. Wie ich höre, soll von ihm ein
neues Stück, "Ludwig der Gebartete", und von dem jungen Dichter
Trautmann ein im Voraus viel gerühmtes Trauerspiel "Jugur-
tha" der Theaterintendanz vorgelegt sein. Auch der hiesige Schau¬
spieler Heigel hat Mehreres für die Bühne geschrieben und'hier
aufführen lassen. Daß unter Einigen der hiesigen Bühnendichter eine
gewisse Verabredung bestehen soll, Stücke außermünchnerischer Büh¬
nendichter nicht aufkommen zu lassen, kann ich nicht glauben, da ich
die hiesigen Theaterschriftsteller für ehrenwerthe Männer halte. Man
beginge mit einem solchen Verfahren ein Unrecht an München, das
man ohnehin einer zu großen Ausschließlichkeit beschuldigt, an der
deutschen dramatischen Poesie, an der Intendanz, welche sich des
deutschen Dramas annimmt, an den Schauspielern, welche umsonst
Fleiß und Mühe verschwendet hätten, endlich an sich selbst, da die
Nemesis nicht ausbleiben würde. Am Ende haben wir gar keine
Theaterdichter; denn Fernau sagt: Es gibt keinen Theaterdichter hier,
aber Hunderte von Schau- und Trauerspielen sind in München
fruchtlos gedichtet worden. Ich bemerke hierbei, daß Darenberger-
Fernau selbst die "Cenci" und "Philippine Welser" schon vor Jah¬
ren in nicht aufgeführten und nur als Manuscript gedruckten Dra¬
men verarbeitet hat. Ueber die darstellenden Kräfte der Bühne, über
die Oper u. s. f. ein ander Mal.

Auch die Volksbühne in der An führt Originaldramen auf,
neulich eins unter dem Titel: "Der Kornwucher im Theuerungsjahre
1817" vom Professor Kimmacher inUeberlingen. Man füge also


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fahre, in der baierischen Hauptstadt den größten Theatersturin erregte.
Ein jüngerer Lustspieldichter ist Feld manu, dessen Komödien, welche
zum Theil recht spaßhaft sind, auch im deutschen Norden gern gese¬
hen werden. Dagegen hat es den Münchner Trauerspieldichtern seit
Babo, unter dessen trefflicher Leitung bekanntlich die Münchner Bühne
in Bezug auf das recitirende Drama ihre höchste Blüthe erlebte, nicht
recht gelingen wollen, auf außerbaierischen Bühnen festen Fuß zu
fassen. Ich nenne Ulrich von Destouches, Löste, Philipp
Berg er, den Verfasser der Dramen: „Die Bastille" und „Maria
von Medicis", Köberle, der bei der Aufführung seines Stückes
„die Prätendenten" einige böse Theatererfahrungen gemacht zu habe»
scheint, und welcher für die Theaterchronik in zum Theil sehr schar¬
fer und offener Weise correspondirt. Wie ich höre, soll von ihm ein
neues Stück, „Ludwig der Gebartete", und von dem jungen Dichter
Trautmann ein im Voraus viel gerühmtes Trauerspiel „Jugur-
tha" der Theaterintendanz vorgelegt sein. Auch der hiesige Schau¬
spieler Heigel hat Mehreres für die Bühne geschrieben und'hier
aufführen lassen. Daß unter Einigen der hiesigen Bühnendichter eine
gewisse Verabredung bestehen soll, Stücke außermünchnerischer Büh¬
nendichter nicht aufkommen zu lassen, kann ich nicht glauben, da ich
die hiesigen Theaterschriftsteller für ehrenwerthe Männer halte. Man
beginge mit einem solchen Verfahren ein Unrecht an München, das
man ohnehin einer zu großen Ausschließlichkeit beschuldigt, an der
deutschen dramatischen Poesie, an der Intendanz, welche sich des
deutschen Dramas annimmt, an den Schauspielern, welche umsonst
Fleiß und Mühe verschwendet hätten, endlich an sich selbst, da die
Nemesis nicht ausbleiben würde. Am Ende haben wir gar keine
Theaterdichter; denn Fernau sagt: Es gibt keinen Theaterdichter hier,
aber Hunderte von Schau- und Trauerspielen sind in München
fruchtlos gedichtet worden. Ich bemerke hierbei, daß Darenberger-
Fernau selbst die „Cenci" und „Philippine Welser" schon vor Jah¬
ren in nicht aufgeführten und nur als Manuscript gedruckten Dra¬
men verarbeitet hat. Ueber die darstellenden Kräfte der Bühne, über
die Oper u. s. f. ein ander Mal.

Auch die Volksbühne in der An führt Originaldramen auf,
neulich eins unter dem Titel: „Der Kornwucher im Theuerungsjahre
1817" vom Professor Kimmacher inUeberlingen. Man füge also


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/561>, abgerufen am 23.07.2024.