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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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chologe" ist, vielleicht nicht ganz freiwillig, ausgewandert, Maß manu,
der Turner und deutsche Sprachforscher, hat Urlaub nach Berlin ge¬
nommen. Mehrere angesehene Mitglieder verlor die Gesellschaft durch
den unerbittlichen "Gevatter Tod", so Eduard von Schenk, den
Dichter des Belisar, Aloys Büffel, und erst im Laufe des gegen¬
wärtigen Jahres den Gymnasialdirector, Franz Paula v. Hoch-
eder. welcher den Verein durch satyrisch-humoristische Aufsätze zu
erheitern pflegte. Andere erscheinen gar nicht mehr oder nur selten,
wie z. B. Weichselbaumer, welcher als Tragödiendichter berühm¬
ter sein würde, wenn nicht zwischen ihm und der norddeutschen Jour¬
nalistik die Donau flöße, und dessen jüngste Tragödien: "Die Lon-
gobarden" und "Wladimir und seine Söhne" von eben so viel
künstlerischem Bewußtsein, als dramatischem Talente zeigen. sollt,
hiesiger quiescirter Professor, bekannt als Geschichtschreiber der Deutschen,
der Pfalzgräfin Elisabeth u. s. w., auch Verfasser eines Werkes über
München, worin der geschichtliche, auf tolerant-humaner Gesinnung
und tüchtigen Studien beruhende Theil sehr beachtenswerth ist. Z uc-
carini, ein ehrenhafter Charakter, naturgeschichtlicher, besonders im
botanischen Fache ausgezeichneter Autor, auch Herausgeber einer
Sammlung von Gedichten unter dem Titel "Kleeblätter"; der als
Kenner des Altdeutschen berühmte I. A. Schmeller, Verfasser des
vortrefflichen "baierischen Wörterbuchs"; der mystische Arzt Um göeis;
Franz von Kobell, der gemüthvolle Verfasser der "Gedichte in
südbaierischer Mundart", wovon jetzt der zweite Band, Berchtesgaden
umfassend, erschienen ist, und Andere. Die jetzigen Stammhalter sind
vorzugsweise wohl folgende: Hofrath Thiersch, der Reisende von
Martius, Heumann, der gründliche Kenner chinesischer Liter"'
tur, Franz Graf von Pocal, auch im Norden durch anmuthige
Märchen, durch seine Soldatenlieder u. f. w. bekannt, zu denen er
selbst Illustrationen lieferte; ferner or. Darenberger, genannt
Carl Fernau, dessen "Münchner Hundert und Eins" treffliche, die
geistige Physiognomie Münchens abschildernde Skizzen enthält, welche
von eben so zartem als tiefem Gemüth zeigen und mich häufig
an die lyrische Auffassungsweise des verstorbenen Berliner Ferrand
unwkürli erinnerten.

Ernst Förster, der bekannte Mitredacteur des Cotta'schen
Kunstblatts, bildet in diesem Kreise ein Element, wie es in keiner


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chologe" ist, vielleicht nicht ganz freiwillig, ausgewandert, Maß manu,
der Turner und deutsche Sprachforscher, hat Urlaub nach Berlin ge¬
nommen. Mehrere angesehene Mitglieder verlor die Gesellschaft durch
den unerbittlichen „Gevatter Tod", so Eduard von Schenk, den
Dichter des Belisar, Aloys Büffel, und erst im Laufe des gegen¬
wärtigen Jahres den Gymnasialdirector, Franz Paula v. Hoch-
eder. welcher den Verein durch satyrisch-humoristische Aufsätze zu
erheitern pflegte. Andere erscheinen gar nicht mehr oder nur selten,
wie z. B. Weichselbaumer, welcher als Tragödiendichter berühm¬
ter sein würde, wenn nicht zwischen ihm und der norddeutschen Jour¬
nalistik die Donau flöße, und dessen jüngste Tragödien: „Die Lon-
gobarden" und „Wladimir und seine Söhne" von eben so viel
künstlerischem Bewußtsein, als dramatischem Talente zeigen. sollt,
hiesiger quiescirter Professor, bekannt als Geschichtschreiber der Deutschen,
der Pfalzgräfin Elisabeth u. s. w., auch Verfasser eines Werkes über
München, worin der geschichtliche, auf tolerant-humaner Gesinnung
und tüchtigen Studien beruhende Theil sehr beachtenswerth ist. Z uc-
carini, ein ehrenhafter Charakter, naturgeschichtlicher, besonders im
botanischen Fache ausgezeichneter Autor, auch Herausgeber einer
Sammlung von Gedichten unter dem Titel „Kleeblätter"; der als
Kenner des Altdeutschen berühmte I. A. Schmeller, Verfasser des
vortrefflichen „baierischen Wörterbuchs"; der mystische Arzt Um göeis;
Franz von Kobell, der gemüthvolle Verfasser der „Gedichte in
südbaierischer Mundart", wovon jetzt der zweite Band, Berchtesgaden
umfassend, erschienen ist, und Andere. Die jetzigen Stammhalter sind
vorzugsweise wohl folgende: Hofrath Thiersch, der Reisende von
Martius, Heumann, der gründliche Kenner chinesischer Liter«'
tur, Franz Graf von Pocal, auch im Norden durch anmuthige
Märchen, durch seine Soldatenlieder u. f. w. bekannt, zu denen er
selbst Illustrationen lieferte; ferner or. Darenberger, genannt
Carl Fernau, dessen „Münchner Hundert und Eins" treffliche, die
geistige Physiognomie Münchens abschildernde Skizzen enthält, welche
von eben so zartem als tiefem Gemüth zeigen und mich häufig
an die lyrische Auffassungsweise des verstorbenen Berliner Ferrand
unwkürli erinnerten.

Ernst Förster, der bekannte Mitredacteur des Cotta'schen
Kunstblatts, bildet in diesem Kreise ein Element, wie es in keiner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/555>, abgerufen am 23.07.2024.