Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.-- Ja, und wenn mir recht ist, ist uns vor Nürnberg ein Rad -- Nun hältst Du denn auch das für einen Traum, daß wir gestern -- Das ist mir erst recht wie ein Traum, und mir istS auch Georg mußte nun mit dem Walen in sin anderes Zimmer ge¬ Georg lebte um in Venedig, und das Haus, in dem er wie Wenn der Frühling kam, schickte er an die Seinen in Freiberg 68-"-
— Ja, und wenn mir recht ist, ist uns vor Nürnberg ein Rad — Nun hältst Du denn auch das für einen Traum, daß wir gestern — Das ist mir erst recht wie ein Traum, und mir istS auch Georg mußte nun mit dem Walen in sin anderes Zimmer ge¬ Georg lebte um in Venedig, und das Haus, in dem er wie Wenn der Frühling kam, schickte er an die Seinen in Freiberg 68-«-
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0547" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181106"/> <p xml:id="ID_1334"> — Ja, und wenn mir recht ist, ist uns vor Nürnberg ein Rad<lb/> gebrochen, und wir kamen erst bei Nacht und Nebel in die Stadt,<lb/> und der Gasthof, wo wir einkehrten, hieß das goldene Kreuz, und<lb/> war ein dicker, lustiger Wirth da — das weiß ich Alles noch, aber<lb/> mir ist es wie ein Traum.</p><lb/> <p xml:id="ID_1335"> — Nun hältst Du denn auch das für einen Traum, daß wir gestern<lb/> Abend hier ankamen, und daß großer Jubel war in meinem Hause<lb/> über unsere Ankunft, und daß Du meine Kinder nicht verstehen konn¬<lb/> test, weil sie italienisch sprachen und ich Dir erst Alles verdeutschen<lb/> mußte?'</p><lb/> <p xml:id="ID_1336"> — Das ist mir erst recht wie ein Traum, und mir istS auch<lb/> wie ein Traum, daß ich nun in Venedig bin, sagte Georg. Und es<lb/> war auch kein Wunder, daß all die Herrlichkeiten und das abwech¬<lb/> selnde Leben, in daS der arme Bauernknabe gekommen war auf der<lb/> Reise, ihn so betäubt hatten, daß ihm Alles wie ein Traum war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1337"> Georg mußte nun mit dem Walen in sin anderes Zimmer ge¬<lb/> hen. Als sie da eintraten, erschrack er gewaltig, denn alle Wände<lb/> waren große silberne Spiegel und überall, wohin er sah, erblickte er<lb/> sich als Junker gekleidet. Die Kinder aber sprangen ihm entgegen<lb/> und sagten ihm tausend schöne Sachen, wovon er aber Nichts ver¬<lb/> stand. Auch die schöne Hausfrau hatte große Freude über den'deut¬<lb/> schen Knaben, und für Georg begann ein herrliches Leben, wie wir.<lb/> es hier in unserem armen Voigtlande gar nicht denken können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1338"> Georg lebte um in Venedig, und das Haus, in dem er wie<lb/> ein lieber Sohn gehalten war, wurde ihm immer theurer. Er lernte<lb/> gar bald die welsche Sprache und wurde nun von gelehrten Män¬<lb/> nern mit den Kindern des Hauses in Sprachen, in der Weltkunde<lb/> und in anderen schönen Dingen unterrichtet. Es dauerte gar nicht<lb/> lange, so war er weiter als die Andern gekommen, und sie konnten<lb/> sich ein Beispiel im fleißigen Lernen an ihm nehmen. Was er aber<lb/> am schnellsten begriff, war das Lautenspiel, und dazu sang er so<lb/> schön, daß man meinte, man höre einen Engel vom Himmel singen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1339" next="#ID_1340"> Wenn der Frühling kam, schickte er an die Seinen in Freiberg<lb/> durch einen Walen. der jedes Jahr dahin ging, einen Brief und<lb/> sagte ihnen, wie gut es ihm gehe. Da freuten sich denn die Alten</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 68-«-</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0547]
— Ja, und wenn mir recht ist, ist uns vor Nürnberg ein Rad
gebrochen, und wir kamen erst bei Nacht und Nebel in die Stadt,
und der Gasthof, wo wir einkehrten, hieß das goldene Kreuz, und
war ein dicker, lustiger Wirth da — das weiß ich Alles noch, aber
mir ist es wie ein Traum.
— Nun hältst Du denn auch das für einen Traum, daß wir gestern
Abend hier ankamen, und daß großer Jubel war in meinem Hause
über unsere Ankunft, und daß Du meine Kinder nicht verstehen konn¬
test, weil sie italienisch sprachen und ich Dir erst Alles verdeutschen
mußte?'
— Das ist mir erst recht wie ein Traum, und mir istS auch
wie ein Traum, daß ich nun in Venedig bin, sagte Georg. Und es
war auch kein Wunder, daß all die Herrlichkeiten und das abwech¬
selnde Leben, in daS der arme Bauernknabe gekommen war auf der
Reise, ihn so betäubt hatten, daß ihm Alles wie ein Traum war.
Georg mußte nun mit dem Walen in sin anderes Zimmer ge¬
hen. Als sie da eintraten, erschrack er gewaltig, denn alle Wände
waren große silberne Spiegel und überall, wohin er sah, erblickte er
sich als Junker gekleidet. Die Kinder aber sprangen ihm entgegen
und sagten ihm tausend schöne Sachen, wovon er aber Nichts ver¬
stand. Auch die schöne Hausfrau hatte große Freude über den'deut¬
schen Knaben, und für Georg begann ein herrliches Leben, wie wir.
es hier in unserem armen Voigtlande gar nicht denken können.
Georg lebte um in Venedig, und das Haus, in dem er wie
ein lieber Sohn gehalten war, wurde ihm immer theurer. Er lernte
gar bald die welsche Sprache und wurde nun von gelehrten Män¬
nern mit den Kindern des Hauses in Sprachen, in der Weltkunde
und in anderen schönen Dingen unterrichtet. Es dauerte gar nicht
lange, so war er weiter als die Andern gekommen, und sie konnten
sich ein Beispiel im fleißigen Lernen an ihm nehmen. Was er aber
am schnellsten begriff, war das Lautenspiel, und dazu sang er so
schön, daß man meinte, man höre einen Engel vom Himmel singen.
Wenn der Frühling kam, schickte er an die Seinen in Freiberg
durch einen Walen. der jedes Jahr dahin ging, einen Brief und
sagte ihnen, wie gut es ihm gehe. Da freuten sich denn die Alten
68-«-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |