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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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für wohlhabend. Als der Alte nun endlich den Hergang der Sache
erfuhr, so meinte er: Der Wale hat es am Ende doch gut gemeint
und wird vielleicht auch unseren Sohn glücklich machen! Und sie
waren wieder fröhlich und guter Dinge.

Die Erzählerin hielt an. Ich schlug die Augen auf, neugierig
auf den Verlauf der Geschichte, meine Schwester fragte - Ist es alle ?
-- Dachte gar, meinte ich, wir wissen ja noch nicht, wie es mit
Georg geworden ist.

Die Alte pflückt.- sich schweigend eine Handvoll PreifielSbeeren.
Während sie die aß, sahen wir wieder eine Thräne in ihrem Auge,
sie dachte an ihren Traugott. Ich fühlte ihren Schmerz und schaute
andächtig in ihr tiefgeprägteö braunes Antlitz, meine Schwester aber
fragte ungeduldig: Nun, wie ist es denn mit Georg geworden?

-- Das will ich Euch jetzt erzählen, begann die Alte wieder.
Wie Georg in dem prächtigen Zimmer stand und durch die hohen
Bogenfenster hinausschaute auf eine große, herrliche Stadt und drü¬
ben das Meer sah mit Tausenden von Schiffen, die mit ihren Ma¬
sten und Flaggen über die Häuser hervorragten und unten in den
Straßen Gondeln und Kähne bunt durcheinander, und wie er immer
noch dachte, er träume, da trat ein hoher Mann herein, so glänzend
angethan, wie ein König, und fragte: Nun Georg, Du hast lange
geschlafen, bist Du endlich munter?

Georg erschrack und wußte nicht, wer es war, sondern schaute
den stattlichen Mann mit großen Augen an.

-- Kennst Du mich denn nicht mehr, Georg? frug der Herr
wieder, und wir haben so lange zusammen gelebt in Deines Vaters
Haus und sind mit einander her nach Venedig gereist, und jetzt bist
Du Gast in meinem Hause.

Da erkannte ihn Georg wieder und war voller Freude, aber,
rief er, wie bin ich denn hierher gekommen, ich weiß ja Nichts davon!

-- Wie, sagte der Nenetianer, weißt Du es denn nicht mehr,
wie wir bei Nacht und Nebel aus Deines Vaters Haus gingen?

-- Ja, aber ich glaubte, ich hätte das nur geträumt.

-- Weißt Du denn nicht mehr, wie wir mit einander durch
alle die schönen Städte gefahren sind und wie Du Dich wundertest
über die hohen Kirchen und Paläste?


für wohlhabend. Als der Alte nun endlich den Hergang der Sache
erfuhr, so meinte er: Der Wale hat es am Ende doch gut gemeint
und wird vielleicht auch unseren Sohn glücklich machen! Und sie
waren wieder fröhlich und guter Dinge.

Die Erzählerin hielt an. Ich schlug die Augen auf, neugierig
auf den Verlauf der Geschichte, meine Schwester fragte - Ist es alle ?
— Dachte gar, meinte ich, wir wissen ja noch nicht, wie es mit
Georg geworden ist.

Die Alte pflückt.- sich schweigend eine Handvoll PreifielSbeeren.
Während sie die aß, sahen wir wieder eine Thräne in ihrem Auge,
sie dachte an ihren Traugott. Ich fühlte ihren Schmerz und schaute
andächtig in ihr tiefgeprägteö braunes Antlitz, meine Schwester aber
fragte ungeduldig: Nun, wie ist es denn mit Georg geworden?

— Das will ich Euch jetzt erzählen, begann die Alte wieder.
Wie Georg in dem prächtigen Zimmer stand und durch die hohen
Bogenfenster hinausschaute auf eine große, herrliche Stadt und drü¬
ben das Meer sah mit Tausenden von Schiffen, die mit ihren Ma¬
sten und Flaggen über die Häuser hervorragten und unten in den
Straßen Gondeln und Kähne bunt durcheinander, und wie er immer
noch dachte, er träume, da trat ein hoher Mann herein, so glänzend
angethan, wie ein König, und fragte: Nun Georg, Du hast lange
geschlafen, bist Du endlich munter?

Georg erschrack und wußte nicht, wer es war, sondern schaute
den stattlichen Mann mit großen Augen an.

— Kennst Du mich denn nicht mehr, Georg? frug der Herr
wieder, und wir haben so lange zusammen gelebt in Deines Vaters
Haus und sind mit einander her nach Venedig gereist, und jetzt bist
Du Gast in meinem Hause.

Da erkannte ihn Georg wieder und war voller Freude, aber,
rief er, wie bin ich denn hierher gekommen, ich weiß ja Nichts davon!

— Wie, sagte der Nenetianer, weißt Du es denn nicht mehr,
wie wir bei Nacht und Nebel aus Deines Vaters Haus gingen?

— Ja, aber ich glaubte, ich hätte das nur geträumt.

— Weißt Du denn nicht mehr, wie wir mit einander durch
alle die schönen Städte gefahren sind und wie Du Dich wundertest
über die hohen Kirchen und Paläste?


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[0546] für wohlhabend. Als der Alte nun endlich den Hergang der Sache erfuhr, so meinte er: Der Wale hat es am Ende doch gut gemeint und wird vielleicht auch unseren Sohn glücklich machen! Und sie waren wieder fröhlich und guter Dinge. Die Erzählerin hielt an. Ich schlug die Augen auf, neugierig auf den Verlauf der Geschichte, meine Schwester fragte - Ist es alle ? — Dachte gar, meinte ich, wir wissen ja noch nicht, wie es mit Georg geworden ist. Die Alte pflückt.- sich schweigend eine Handvoll PreifielSbeeren. Während sie die aß, sahen wir wieder eine Thräne in ihrem Auge, sie dachte an ihren Traugott. Ich fühlte ihren Schmerz und schaute andächtig in ihr tiefgeprägteö braunes Antlitz, meine Schwester aber fragte ungeduldig: Nun, wie ist es denn mit Georg geworden? — Das will ich Euch jetzt erzählen, begann die Alte wieder. Wie Georg in dem prächtigen Zimmer stand und durch die hohen Bogenfenster hinausschaute auf eine große, herrliche Stadt und drü¬ ben das Meer sah mit Tausenden von Schiffen, die mit ihren Ma¬ sten und Flaggen über die Häuser hervorragten und unten in den Straßen Gondeln und Kähne bunt durcheinander, und wie er immer noch dachte, er träume, da trat ein hoher Mann herein, so glänzend angethan, wie ein König, und fragte: Nun Georg, Du hast lange geschlafen, bist Du endlich munter? Georg erschrack und wußte nicht, wer es war, sondern schaute den stattlichen Mann mit großen Augen an. — Kennst Du mich denn nicht mehr, Georg? frug der Herr wieder, und wir haben so lange zusammen gelebt in Deines Vaters Haus und sind mit einander her nach Venedig gereist, und jetzt bist Du Gast in meinem Hause. Da erkannte ihn Georg wieder und war voller Freude, aber, rief er, wie bin ich denn hierher gekommen, ich weiß ja Nichts davon! — Wie, sagte der Nenetianer, weißt Du es denn nicht mehr, wie wir bei Nacht und Nebel aus Deines Vaters Haus gingen? — Ja, aber ich glaubte, ich hätte das nur geträumt. — Weißt Du denn nicht mehr, wie wir mit einander durch alle die schönen Städte gefahren sind und wie Du Dich wundertest über die hohen Kirchen und Paläste?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/546>, abgerufen am 23.12.2024.