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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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-- Wie konnte ich auch fragen, meinte der angehende Clerieus,
das mußte ich ja wissen! Aber ich suche nunmehr schon seit einem
Jahre den Weg in'S Himmelreich und habe ihn immer noch nicht
gefunden. Die frommen Herren im Kloster "rollten mir ihn zwar
zeigen, aber sie scheinen selbst nicht ans ihm zu wandeln. nachgerade
habe ich auch daS geistliche Leben satt, und seit ich Dich gesehen
habe, mag ich vollends gar nicht in's Kloster zurück, sondern ich will
mich von Dir in'S Himmelreich führen lassen und will Dir gewissen¬
hafter folgen, als ich dem Orden des heiligen Dominici gefolgt bin.

Das Mägdlein schaute den Junker vom Kopf bis zu den Füs¬
sen an und sah nicht ohne ein geheimes Wohlgefallen, wie er ein
gar schmucker Bursche war.

-- Aber Ihr dürft nicht glauben, sprach sie, daß das Leben im
Himmelreich eitel Liebe, Lust und Nichtsthun ist. Seid Ihr denn zu
etwas zu gebrauchen?

-- O ja! entgegnete der Liebauer, ich kann lesen, rechnen, schrei¬
ben, jagen, fechten, verstehe Latein, bin in der Geometrie und der
heiligen Theologie nicht unerfahren, und im Nothfälle kann ich dem
lieben Gott donnern helfen!

-- Nun seht, sprach das Mädchen, ich will Euch einen Vor¬
schlag machen. Mein Vater besitzt eine Mühle da droben hinter
Wernersreuth, und gleich daneben liegt das Forsthaus des gnädigen
Grafen von Asch. Das steht jetzt leer, denn der frühere Inhaber
ist gestorben, und unter den Bewerbern um die Stelle ist Keiner, der
ihn ersetzen könnte. Denn das war Euch ein gar gelehrter Mann,
und der war zugleich Informator der jungen Grafen, und der gnä¬
dige Herr möchte nun Einen haben, der eben so gelehrt wäre und
dasselbe Amt mit übernehmen könnte. Getraut Ihr Euch daS wohl?

-- Ich kann und will das! rief der Junker freudig; und nicht
wahr, wenn ich dem Grafen anstehe und die Stelle erhalte, so darf
ich oft bei Dir sein?

-- So oft Ihr wollt! sagte das süße Kind, leicht erröthend.
Dort ist das"Grafenschloß; geht und stellt Euch dem gnädigen Herrn
vor. Ich habe noch Geschäfte in der Stadt und will dort in dem
Haufe auf Euch warten. Dann könnt Ihr sogleich mit mir gehen
und Euere künftige Wohnung besehen, oder sagt mir wenigstens bald
Nachricht. Ich will mich recht freuen, wenn Ihr unser Nachbar werdet!


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— Wie konnte ich auch fragen, meinte der angehende Clerieus,
das mußte ich ja wissen! Aber ich suche nunmehr schon seit einem
Jahre den Weg in'S Himmelreich und habe ihn immer noch nicht
gefunden. Die frommen Herren im Kloster »rollten mir ihn zwar
zeigen, aber sie scheinen selbst nicht ans ihm zu wandeln. nachgerade
habe ich auch daS geistliche Leben satt, und seit ich Dich gesehen
habe, mag ich vollends gar nicht in's Kloster zurück, sondern ich will
mich von Dir in'S Himmelreich führen lassen und will Dir gewissen¬
hafter folgen, als ich dem Orden des heiligen Dominici gefolgt bin.

Das Mägdlein schaute den Junker vom Kopf bis zu den Füs¬
sen an und sah nicht ohne ein geheimes Wohlgefallen, wie er ein
gar schmucker Bursche war.

— Aber Ihr dürft nicht glauben, sprach sie, daß das Leben im
Himmelreich eitel Liebe, Lust und Nichtsthun ist. Seid Ihr denn zu
etwas zu gebrauchen?

— O ja! entgegnete der Liebauer, ich kann lesen, rechnen, schrei¬
ben, jagen, fechten, verstehe Latein, bin in der Geometrie und der
heiligen Theologie nicht unerfahren, und im Nothfälle kann ich dem
lieben Gott donnern helfen!

— Nun seht, sprach das Mädchen, ich will Euch einen Vor¬
schlag machen. Mein Vater besitzt eine Mühle da droben hinter
Wernersreuth, und gleich daneben liegt das Forsthaus des gnädigen
Grafen von Asch. Das steht jetzt leer, denn der frühere Inhaber
ist gestorben, und unter den Bewerbern um die Stelle ist Keiner, der
ihn ersetzen könnte. Denn das war Euch ein gar gelehrter Mann,
und der war zugleich Informator der jungen Grafen, und der gnä¬
dige Herr möchte nun Einen haben, der eben so gelehrt wäre und
dasselbe Amt mit übernehmen könnte. Getraut Ihr Euch daS wohl?

— Ich kann und will das! rief der Junker freudig; und nicht
wahr, wenn ich dem Grafen anstehe und die Stelle erhalte, so darf
ich oft bei Dir sein?

— So oft Ihr wollt! sagte das süße Kind, leicht erröthend.
Dort ist das"Grafenschloß; geht und stellt Euch dem gnädigen Herrn
vor. Ich habe noch Geschäfte in der Stadt und will dort in dem
Haufe auf Euch warten. Dann könnt Ihr sogleich mit mir gehen
und Euere künftige Wohnung besehen, oder sagt mir wenigstens bald
Nachricht. Ich will mich recht freuen, wenn Ihr unser Nachbar werdet!


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[0531] — Wie konnte ich auch fragen, meinte der angehende Clerieus, das mußte ich ja wissen! Aber ich suche nunmehr schon seit einem Jahre den Weg in'S Himmelreich und habe ihn immer noch nicht gefunden. Die frommen Herren im Kloster »rollten mir ihn zwar zeigen, aber sie scheinen selbst nicht ans ihm zu wandeln. nachgerade habe ich auch daS geistliche Leben satt, und seit ich Dich gesehen habe, mag ich vollends gar nicht in's Kloster zurück, sondern ich will mich von Dir in'S Himmelreich führen lassen und will Dir gewissen¬ hafter folgen, als ich dem Orden des heiligen Dominici gefolgt bin. Das Mägdlein schaute den Junker vom Kopf bis zu den Füs¬ sen an und sah nicht ohne ein geheimes Wohlgefallen, wie er ein gar schmucker Bursche war. — Aber Ihr dürft nicht glauben, sprach sie, daß das Leben im Himmelreich eitel Liebe, Lust und Nichtsthun ist. Seid Ihr denn zu etwas zu gebrauchen? — O ja! entgegnete der Liebauer, ich kann lesen, rechnen, schrei¬ ben, jagen, fechten, verstehe Latein, bin in der Geometrie und der heiligen Theologie nicht unerfahren, und im Nothfälle kann ich dem lieben Gott donnern helfen! — Nun seht, sprach das Mädchen, ich will Euch einen Vor¬ schlag machen. Mein Vater besitzt eine Mühle da droben hinter Wernersreuth, und gleich daneben liegt das Forsthaus des gnädigen Grafen von Asch. Das steht jetzt leer, denn der frühere Inhaber ist gestorben, und unter den Bewerbern um die Stelle ist Keiner, der ihn ersetzen könnte. Denn das war Euch ein gar gelehrter Mann, und der war zugleich Informator der jungen Grafen, und der gnä¬ dige Herr möchte nun Einen haben, der eben so gelehrt wäre und dasselbe Amt mit übernehmen könnte. Getraut Ihr Euch daS wohl? — Ich kann und will das! rief der Junker freudig; und nicht wahr, wenn ich dem Grafen anstehe und die Stelle erhalte, so darf ich oft bei Dir sein? — So oft Ihr wollt! sagte das süße Kind, leicht erröthend. Dort ist das"Grafenschloß; geht und stellt Euch dem gnädigen Herrn vor. Ich habe noch Geschäfte in der Stadt und will dort in dem Haufe auf Euch warten. Dann könnt Ihr sogleich mit mir gehen und Euere künftige Wohnung besehen, oder sagt mir wenigstens bald Nachricht. Ich will mich recht freuen, wenn Ihr unser Nachbar werdet! 66 »

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/531>, abgerufen am 23.12.2024.