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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Da hörte er denn den Kaplan predigen vom Himmelreich, wie es
da gar schön und lieblich wäre, und wie eS die Armen zuerst crober^
ten, während die Kaiser und Könige die Letzten wären, so hinein¬
kämen. Das gefiel denn dem Junker Heinrich gar sehr -- denn so
hieß er, und von ihm führen alle Erstgebornen unserer Familie die¬
sen Namen -- und er ging stracks hin zu dem Kaplan und frug
ihn mit dürr.n Worten: wo der Weg zum Himmelreich wäre, denn
er sei gesonnen, es im Guten oder mit Gewalt zu erobern. Der
ehrsame Pfaff frug ihn dies und jenes aus dem Christenthume und
dem Latein, worin er so wohl bestand, daß der fromme Vater ihn
in sein Herz schloß, einen langen Brief schrieb und ihn mit diesem
hinübersendete gen Plauen, allwo fromme Brüder dem heiligen Do-
minico dienten.

Junker Heinrich machte sich alsobald auf den Weg und kam
nach Plauen, ward auch von den frommen Brüdern wohl empfan¬
gen und aufgenommen in ihr Kloster. Aber er mußte gar harte
Arbeiten tragen, und wenn er nur einmal von einem Mägdlein ge¬
träumt hatte, was er immer aufrichtig gestand, so mußte er Buße
thun und mußte sich kasteien, während sich die heiligen Väter gütlich
thaten und dick und fett wurden. Da sagte er ihnen einstmals ganz
unerschrocken, wie er zu ihnen gekommen sei, um zu studiren und um
den Weg in's Himmelreich zu finden, nicht aber, um ihr Knecht zu
sein und sich bei gemeiner Arbeit zu schinden und zu placken. Sie
aber meinten, das eben sei der Weg zum Himmelreich, doch das
viele Studiren nütze Nichts dazu. Da mußte er sich denn wohl getrösten.

Einmal sendete ihn der Convent hinauf nach Asch als Boten.
Wie er da seinen Auftrag ausgerichtet hatte, ging er in die Kirche
und sah da ein so schönes Jungfräulein, wie er noch von keinem
geträumt hatte. Nun war aber seine Prüfungszeit bald zu Ende
und er mußte sich gerade jetzt vor sinnlichen Erregungen wohl hüten,
um würdig zu sein, in den heiligen Convent aufgenommen zu wer¬
den. Er war zwar deS Lebens im Kloster schon längst überdrüssig,
doch wollte er die Anwartschaft auf das Himmelreich nicht gern ver¬
lieren. Als nun das Mädchen aus der Kirche ging, konnte er nicht
umhin, ihr zu folgen. Auf der Straße trat er sie an mit frommem
Gruß und fragte: Wo hinaus, lieber Engel?

-- In's Himmelreich, antwortete sie, wohin die Engel gehören!


Da hörte er denn den Kaplan predigen vom Himmelreich, wie es
da gar schön und lieblich wäre, und wie eS die Armen zuerst crober^
ten, während die Kaiser und Könige die Letzten wären, so hinein¬
kämen. Das gefiel denn dem Junker Heinrich gar sehr — denn so
hieß er, und von ihm führen alle Erstgebornen unserer Familie die¬
sen Namen — und er ging stracks hin zu dem Kaplan und frug
ihn mit dürr.n Worten: wo der Weg zum Himmelreich wäre, denn
er sei gesonnen, es im Guten oder mit Gewalt zu erobern. Der
ehrsame Pfaff frug ihn dies und jenes aus dem Christenthume und
dem Latein, worin er so wohl bestand, daß der fromme Vater ihn
in sein Herz schloß, einen langen Brief schrieb und ihn mit diesem
hinübersendete gen Plauen, allwo fromme Brüder dem heiligen Do-
minico dienten.

Junker Heinrich machte sich alsobald auf den Weg und kam
nach Plauen, ward auch von den frommen Brüdern wohl empfan¬
gen und aufgenommen in ihr Kloster. Aber er mußte gar harte
Arbeiten tragen, und wenn er nur einmal von einem Mägdlein ge¬
träumt hatte, was er immer aufrichtig gestand, so mußte er Buße
thun und mußte sich kasteien, während sich die heiligen Väter gütlich
thaten und dick und fett wurden. Da sagte er ihnen einstmals ganz
unerschrocken, wie er zu ihnen gekommen sei, um zu studiren und um
den Weg in's Himmelreich zu finden, nicht aber, um ihr Knecht zu
sein und sich bei gemeiner Arbeit zu schinden und zu placken. Sie
aber meinten, das eben sei der Weg zum Himmelreich, doch das
viele Studiren nütze Nichts dazu. Da mußte er sich denn wohl getrösten.

Einmal sendete ihn der Convent hinauf nach Asch als Boten.
Wie er da seinen Auftrag ausgerichtet hatte, ging er in die Kirche
und sah da ein so schönes Jungfräulein, wie er noch von keinem
geträumt hatte. Nun war aber seine Prüfungszeit bald zu Ende
und er mußte sich gerade jetzt vor sinnlichen Erregungen wohl hüten,
um würdig zu sein, in den heiligen Convent aufgenommen zu wer¬
den. Er war zwar deS Lebens im Kloster schon längst überdrüssig,
doch wollte er die Anwartschaft auf das Himmelreich nicht gern ver¬
lieren. Als nun das Mädchen aus der Kirche ging, konnte er nicht
umhin, ihr zu folgen. Auf der Straße trat er sie an mit frommem
Gruß und fragte: Wo hinaus, lieber Engel?

— In's Himmelreich, antwortete sie, wohin die Engel gehören!


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[0530] Da hörte er denn den Kaplan predigen vom Himmelreich, wie es da gar schön und lieblich wäre, und wie eS die Armen zuerst crober^ ten, während die Kaiser und Könige die Letzten wären, so hinein¬ kämen. Das gefiel denn dem Junker Heinrich gar sehr — denn so hieß er, und von ihm führen alle Erstgebornen unserer Familie die¬ sen Namen — und er ging stracks hin zu dem Kaplan und frug ihn mit dürr.n Worten: wo der Weg zum Himmelreich wäre, denn er sei gesonnen, es im Guten oder mit Gewalt zu erobern. Der ehrsame Pfaff frug ihn dies und jenes aus dem Christenthume und dem Latein, worin er so wohl bestand, daß der fromme Vater ihn in sein Herz schloß, einen langen Brief schrieb und ihn mit diesem hinübersendete gen Plauen, allwo fromme Brüder dem heiligen Do- minico dienten. Junker Heinrich machte sich alsobald auf den Weg und kam nach Plauen, ward auch von den frommen Brüdern wohl empfan¬ gen und aufgenommen in ihr Kloster. Aber er mußte gar harte Arbeiten tragen, und wenn er nur einmal von einem Mägdlein ge¬ träumt hatte, was er immer aufrichtig gestand, so mußte er Buße thun und mußte sich kasteien, während sich die heiligen Väter gütlich thaten und dick und fett wurden. Da sagte er ihnen einstmals ganz unerschrocken, wie er zu ihnen gekommen sei, um zu studiren und um den Weg in's Himmelreich zu finden, nicht aber, um ihr Knecht zu sein und sich bei gemeiner Arbeit zu schinden und zu placken. Sie aber meinten, das eben sei der Weg zum Himmelreich, doch das viele Studiren nütze Nichts dazu. Da mußte er sich denn wohl getrösten. Einmal sendete ihn der Convent hinauf nach Asch als Boten. Wie er da seinen Auftrag ausgerichtet hatte, ging er in die Kirche und sah da ein so schönes Jungfräulein, wie er noch von keinem geträumt hatte. Nun war aber seine Prüfungszeit bald zu Ende und er mußte sich gerade jetzt vor sinnlichen Erregungen wohl hüten, um würdig zu sein, in den heiligen Convent aufgenommen zu wer¬ den. Er war zwar deS Lebens im Kloster schon längst überdrüssig, doch wollte er die Anwartschaft auf das Himmelreich nicht gern ver¬ lieren. Als nun das Mädchen aus der Kirche ging, konnte er nicht umhin, ihr zu folgen. Auf der Straße trat er sie an mit frommem Gruß und fragte: Wo hinaus, lieber Engel? — In's Himmelreich, antwortete sie, wohin die Engel gehören!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/530>, abgerufen am 23.07.2024.