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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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merkung zu diesem Diner geladen, daß jeder seine Schanzzeug, (wo-
unter Messer, Gabeln, Löffel :c. verstanden war), mitbringen möchte.
Ich mußte dieses Mal mitgehen, weil ich das Archiv meines Herrn
sammt allerlei Plänen hinter ihm schleppen sollte.

Wir haben mehrere verfallene Küsten>Batterien besichtiget, und
haben ausgemacht, daß sie ohne Anstand ihrem gänzlichen Verfall
entgegen gehen dürfen. Endlich besichtigten wir die letzte, und ich
bemerkte alsogleich, daß mein Herr von einem napoleonischen Gedan¬
ken befallen ward. Meine Herren, sagte er seufzend und mit einer
zarten Stimme, -- Schade um diese Batterie, von welcher sich die an¬
nähernden feindlichen Schiffe so vortheilhaft bestreichen ließen. Hier müssen
wir unsere Stimme für das Wohl des Staates, für unser Vater¬
land erheben, und durch genaue Prüfung aller Pult'te und Um¬
stände, durch gründliche Darstellung aller wichtigen Gründe die Auf¬
merksamkeit der hohen Artillerie-Behörde auf den Aufbau dieses
Werkes leiten, damit Hochselbe in ihrer Weisheit das nöthig Erach¬
tet hoch gütigst anzuordnen geruhen möchten. Ich fordere daher einen
jeden Herrn auf, seine Meinung ohne Rückhalt nach bester Einsicht
abzugeben, und nicht etwa meiner unvorgreiflichen Meinung aus schul¬
digen Respect und aus Gehorsam beizupflichten; denn ich bin so
freimüthig, Ihnen, in der Voraussetzung, daß Sie von meinem Ge¬
ständnisse keinen Mißbrauch machen werden, zu bekennen, daß ich
als Districts-Commandant auch irren kann. Also meine Herren,
geben Sie mir unbefangen nach Ihrem Range Ihre aus Über¬
legung und Erfahrung geschöpften Meinungen ab. -- Ich bin der
Meinung, meine Herren, fuhr mein Herr fort, diese schöne Position
nicht eingehen zu lassen, vielmehr diese Batterie, welche nur auf
sechs Geschütze, wie die Schußscharten bezeugen, aufgebaut war, mit
zwei Geschützen zu vermehren, im Hintergrunde eine Pulverkammer
aufzubauen und ein Lafetm-Depot anzulegen, paru wegen eines
rückwärtigen möglichen Ueberfalles eine hohe Mauer aufzurichten.
Nachdem mein Herr diese imposante Anrede geendigt hatte, klärte
sich seine Stirne wieder auf, und einer Antwort von Pauli entgegen
harrend, sah er in das vor ihm ausgebreitete Meer. -- Der Pauli
wartete mit dem Schnupftabake aller Seits auf, nahm zwei Prisen
hintereinander, setzte seine grüne Brille auf seine gespitzte Nase,
drehte sich nach allen Seiten um, schritt die Länge und Breite der


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merkung zu diesem Diner geladen, daß jeder seine Schanzzeug, (wo-
unter Messer, Gabeln, Löffel :c. verstanden war), mitbringen möchte.
Ich mußte dieses Mal mitgehen, weil ich das Archiv meines Herrn
sammt allerlei Plänen hinter ihm schleppen sollte.

Wir haben mehrere verfallene Küsten>Batterien besichtiget, und
haben ausgemacht, daß sie ohne Anstand ihrem gänzlichen Verfall
entgegen gehen dürfen. Endlich besichtigten wir die letzte, und ich
bemerkte alsogleich, daß mein Herr von einem napoleonischen Gedan¬
ken befallen ward. Meine Herren, sagte er seufzend und mit einer
zarten Stimme, — Schade um diese Batterie, von welcher sich die an¬
nähernden feindlichen Schiffe so vortheilhaft bestreichen ließen. Hier müssen
wir unsere Stimme für das Wohl des Staates, für unser Vater¬
land erheben, und durch genaue Prüfung aller Pult'te und Um¬
stände, durch gründliche Darstellung aller wichtigen Gründe die Auf¬
merksamkeit der hohen Artillerie-Behörde auf den Aufbau dieses
Werkes leiten, damit Hochselbe in ihrer Weisheit das nöthig Erach¬
tet hoch gütigst anzuordnen geruhen möchten. Ich fordere daher einen
jeden Herrn auf, seine Meinung ohne Rückhalt nach bester Einsicht
abzugeben, und nicht etwa meiner unvorgreiflichen Meinung aus schul¬
digen Respect und aus Gehorsam beizupflichten; denn ich bin so
freimüthig, Ihnen, in der Voraussetzung, daß Sie von meinem Ge¬
ständnisse keinen Mißbrauch machen werden, zu bekennen, daß ich
als Districts-Commandant auch irren kann. Also meine Herren,
geben Sie mir unbefangen nach Ihrem Range Ihre aus Über¬
legung und Erfahrung geschöpften Meinungen ab. — Ich bin der
Meinung, meine Herren, fuhr mein Herr fort, diese schöne Position
nicht eingehen zu lassen, vielmehr diese Batterie, welche nur auf
sechs Geschütze, wie die Schußscharten bezeugen, aufgebaut war, mit
zwei Geschützen zu vermehren, im Hintergrunde eine Pulverkammer
aufzubauen und ein Lafetm-Depot anzulegen, paru wegen eines
rückwärtigen möglichen Ueberfalles eine hohe Mauer aufzurichten.
Nachdem mein Herr diese imposante Anrede geendigt hatte, klärte
sich seine Stirne wieder auf, und einer Antwort von Pauli entgegen
harrend, sah er in das vor ihm ausgebreitete Meer. — Der Pauli
wartete mit dem Schnupftabake aller Seits auf, nahm zwei Prisen
hintereinander, setzte seine grüne Brille auf seine gespitzte Nase,
drehte sich nach allen Seiten um, schritt die Länge und Breite der


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[0515] merkung zu diesem Diner geladen, daß jeder seine Schanzzeug, (wo- unter Messer, Gabeln, Löffel :c. verstanden war), mitbringen möchte. Ich mußte dieses Mal mitgehen, weil ich das Archiv meines Herrn sammt allerlei Plänen hinter ihm schleppen sollte. Wir haben mehrere verfallene Küsten>Batterien besichtiget, und haben ausgemacht, daß sie ohne Anstand ihrem gänzlichen Verfall entgegen gehen dürfen. Endlich besichtigten wir die letzte, und ich bemerkte alsogleich, daß mein Herr von einem napoleonischen Gedan¬ ken befallen ward. Meine Herren, sagte er seufzend und mit einer zarten Stimme, — Schade um diese Batterie, von welcher sich die an¬ nähernden feindlichen Schiffe so vortheilhaft bestreichen ließen. Hier müssen wir unsere Stimme für das Wohl des Staates, für unser Vater¬ land erheben, und durch genaue Prüfung aller Pult'te und Um¬ stände, durch gründliche Darstellung aller wichtigen Gründe die Auf¬ merksamkeit der hohen Artillerie-Behörde auf den Aufbau dieses Werkes leiten, damit Hochselbe in ihrer Weisheit das nöthig Erach¬ tet hoch gütigst anzuordnen geruhen möchten. Ich fordere daher einen jeden Herrn auf, seine Meinung ohne Rückhalt nach bester Einsicht abzugeben, und nicht etwa meiner unvorgreiflichen Meinung aus schul¬ digen Respect und aus Gehorsam beizupflichten; denn ich bin so freimüthig, Ihnen, in der Voraussetzung, daß Sie von meinem Ge¬ ständnisse keinen Mißbrauch machen werden, zu bekennen, daß ich als Districts-Commandant auch irren kann. Also meine Herren, geben Sie mir unbefangen nach Ihrem Range Ihre aus Über¬ legung und Erfahrung geschöpften Meinungen ab. — Ich bin der Meinung, meine Herren, fuhr mein Herr fort, diese schöne Position nicht eingehen zu lassen, vielmehr diese Batterie, welche nur auf sechs Geschütze, wie die Schußscharten bezeugen, aufgebaut war, mit zwei Geschützen zu vermehren, im Hintergrunde eine Pulverkammer aufzubauen und ein Lafetm-Depot anzulegen, paru wegen eines rückwärtigen möglichen Ueberfalles eine hohe Mauer aufzurichten. Nachdem mein Herr diese imposante Anrede geendigt hatte, klärte sich seine Stirne wieder auf, und einer Antwort von Pauli entgegen harrend, sah er in das vor ihm ausgebreitete Meer. — Der Pauli wartete mit dem Schnupftabake aller Seits auf, nahm zwei Prisen hintereinander, setzte seine grüne Brille auf seine gespitzte Nase, drehte sich nach allen Seiten um, schritt die Länge und Breite der 64»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/515>, abgerufen am 23.07.2024.