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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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was ich thun sollte. Ich wollte auf der Stelle einpacken und davon
fahren, so ärgerte mich die Schwachheit meines Pauli. Nachdem
er jedoch sein Unrecht einsah und mir versprach, basi er dem Kano¬
nier erlauben werde, alle Tage in den Garten zu kommen, so ließ
ich mich damit besänftigen. Es wurde daher dieser Kanonier
zwei Tage immer durch einen Korporal in den Garten geführt und
aus demselben wieder abgeholt. Den dritten Tag holte ihn ein
Korporal wieder zur bestimmten Stunde ab, da er aber noch eine
Arbeit zu verrichten hatte, so sagte ich dem Korporal, er solle ihn
noch länger da lassen, indem ich es verantworten würde. Der
Korporal kam nach einer kurzen Weile wieder zurück und meldete
mir, daß ihm der Oberlieutenant befohlen habe, den Kanonier
augenblicklich mitzubringen. Ich ließ ihn daher gehen und feste im
Zorn bei, daß ich ihm die Nachsicht seiner weitern Strafe erwirken
werde. Der Korporal war boshaft genug, diese Worte dem Ober¬
lieutenant zu hinterbringen. Als Pauli nach Hause kam, bestürmte
ich ihn init Bitten, er möchte dem Kanonier seinen Kasernen-Arrest
schenken, und nach vielen Bitten, die er zurückwies, machte ich es
zur Bedingung meines Beiihmseins. Er versprach'S und hielt Wort.
Auf dieses hatte der Oberlieutenant den Korporal zum Rapport be¬
stimmt, welcher so boshaft war, die Worte, die er von mir gehört,
in Gegenwart der übrigen Offiziere zu wiederholen, und selbst der
Kanonier war so dumm, die Wahrheit derselben zu bestätigen. --
Nun, rief der Oberlieutenant aus, ist es nicht für uns eine Schande,
daß wir uns von einer Concubine commandiren lassen? Mein
Pauli verlor die Contenance und entschuldigte sich damit, daß er
von dem, was ich mit dem Korporale sprach, Nichts wußte; aber
der Oberlieutenant bestand auf meiner gänzlichen Entfernung, und
was das Aergste war, die übrigen Offiziere, die Pauli schuldig
waren, stimmten ihm alle bei. Pauli wußte keinen Ausweg und
war von diesem Vorgang so ergriffen, daß er mir krank wurde. Er
ließ daher den Oberlieutenant zu sich bitten, um sich über Dienst¬
angelegenheiten mit ihm zu besprechen, und ich horchte in einem Ne¬
benzimmer. Nachdem Pauli den Oberlieutenant um die Führung
des Conimando in seiner Krankheit ersucht hatte und ihm zu ver¬
stehen gab, daß er an seiner Krankheit Schuld wäre, war der Ober¬
lieutenant so unverschämt, ihm Folgendes zu erwiedern: Wissen Sie


Grenzboten I84i. II. ß4

was ich thun sollte. Ich wollte auf der Stelle einpacken und davon
fahren, so ärgerte mich die Schwachheit meines Pauli. Nachdem
er jedoch sein Unrecht einsah und mir versprach, basi er dem Kano¬
nier erlauben werde, alle Tage in den Garten zu kommen, so ließ
ich mich damit besänftigen. Es wurde daher dieser Kanonier
zwei Tage immer durch einen Korporal in den Garten geführt und
aus demselben wieder abgeholt. Den dritten Tag holte ihn ein
Korporal wieder zur bestimmten Stunde ab, da er aber noch eine
Arbeit zu verrichten hatte, so sagte ich dem Korporal, er solle ihn
noch länger da lassen, indem ich es verantworten würde. Der
Korporal kam nach einer kurzen Weile wieder zurück und meldete
mir, daß ihm der Oberlieutenant befohlen habe, den Kanonier
augenblicklich mitzubringen. Ich ließ ihn daher gehen und feste im
Zorn bei, daß ich ihm die Nachsicht seiner weitern Strafe erwirken
werde. Der Korporal war boshaft genug, diese Worte dem Ober¬
lieutenant zu hinterbringen. Als Pauli nach Hause kam, bestürmte
ich ihn init Bitten, er möchte dem Kanonier seinen Kasernen-Arrest
schenken, und nach vielen Bitten, die er zurückwies, machte ich es
zur Bedingung meines Beiihmseins. Er versprach'S und hielt Wort.
Auf dieses hatte der Oberlieutenant den Korporal zum Rapport be¬
stimmt, welcher so boshaft war, die Worte, die er von mir gehört,
in Gegenwart der übrigen Offiziere zu wiederholen, und selbst der
Kanonier war so dumm, die Wahrheit derselben zu bestätigen. —
Nun, rief der Oberlieutenant aus, ist es nicht für uns eine Schande,
daß wir uns von einer Concubine commandiren lassen? Mein
Pauli verlor die Contenance und entschuldigte sich damit, daß er
von dem, was ich mit dem Korporale sprach, Nichts wußte; aber
der Oberlieutenant bestand auf meiner gänzlichen Entfernung, und
was das Aergste war, die übrigen Offiziere, die Pauli schuldig
waren, stimmten ihm alle bei. Pauli wußte keinen Ausweg und
war von diesem Vorgang so ergriffen, daß er mir krank wurde. Er
ließ daher den Oberlieutenant zu sich bitten, um sich über Dienst¬
angelegenheiten mit ihm zu besprechen, und ich horchte in einem Ne¬
benzimmer. Nachdem Pauli den Oberlieutenant um die Führung
des Conimando in seiner Krankheit ersucht hatte und ihm zu ver¬
stehen gab, daß er an seiner Krankheit Schuld wäre, war der Ober¬
lieutenant so unverschämt, ihm Folgendes zu erwiedern: Wissen Sie


Grenzboten I84i. II. ß4
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[0513] was ich thun sollte. Ich wollte auf der Stelle einpacken und davon fahren, so ärgerte mich die Schwachheit meines Pauli. Nachdem er jedoch sein Unrecht einsah und mir versprach, basi er dem Kano¬ nier erlauben werde, alle Tage in den Garten zu kommen, so ließ ich mich damit besänftigen. Es wurde daher dieser Kanonier zwei Tage immer durch einen Korporal in den Garten geführt und aus demselben wieder abgeholt. Den dritten Tag holte ihn ein Korporal wieder zur bestimmten Stunde ab, da er aber noch eine Arbeit zu verrichten hatte, so sagte ich dem Korporal, er solle ihn noch länger da lassen, indem ich es verantworten würde. Der Korporal kam nach einer kurzen Weile wieder zurück und meldete mir, daß ihm der Oberlieutenant befohlen habe, den Kanonier augenblicklich mitzubringen. Ich ließ ihn daher gehen und feste im Zorn bei, daß ich ihm die Nachsicht seiner weitern Strafe erwirken werde. Der Korporal war boshaft genug, diese Worte dem Ober¬ lieutenant zu hinterbringen. Als Pauli nach Hause kam, bestürmte ich ihn init Bitten, er möchte dem Kanonier seinen Kasernen-Arrest schenken, und nach vielen Bitten, die er zurückwies, machte ich es zur Bedingung meines Beiihmseins. Er versprach'S und hielt Wort. Auf dieses hatte der Oberlieutenant den Korporal zum Rapport be¬ stimmt, welcher so boshaft war, die Worte, die er von mir gehört, in Gegenwart der übrigen Offiziere zu wiederholen, und selbst der Kanonier war so dumm, die Wahrheit derselben zu bestätigen. — Nun, rief der Oberlieutenant aus, ist es nicht für uns eine Schande, daß wir uns von einer Concubine commandiren lassen? Mein Pauli verlor die Contenance und entschuldigte sich damit, daß er von dem, was ich mit dem Korporale sprach, Nichts wußte; aber der Oberlieutenant bestand auf meiner gänzlichen Entfernung, und was das Aergste war, die übrigen Offiziere, die Pauli schuldig waren, stimmten ihm alle bei. Pauli wußte keinen Ausweg und war von diesem Vorgang so ergriffen, daß er mir krank wurde. Er ließ daher den Oberlieutenant zu sich bitten, um sich über Dienst¬ angelegenheiten mit ihm zu besprechen, und ich horchte in einem Ne¬ benzimmer. Nachdem Pauli den Oberlieutenant um die Führung des Conimando in seiner Krankheit ersucht hatte und ihm zu ver¬ stehen gab, daß er an seiner Krankheit Schuld wäre, war der Ober¬ lieutenant so unverschämt, ihm Folgendes zu erwiedern: Wissen Sie Grenzboten I84i. II. ß4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/513>, abgerufen am 23.12.2024.