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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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kaufen, und ich war so glücklich, ihrem Vertrauen vollkommen zu
entsprechen. Im September sind die Eier überall schon etwas theu¬
rer, in jenem Lande -sind sie es aber das ganze Jahr; was Wunder
daher, wenn ich alle fünfhundert Stück zu Zweien um einen Gro¬
schen in einer halben Stunde angebracht hatte. Als ich der Frau
Postocommandantin den gelösten Betrag von zwölf Gulden dreißig
Kreuzer C,-M. übergab, war ihre Freude so groß, daß sie mir in
der Zerstreuung alle zwei Hände auf einmal zum Küssen reichte,
welche Befugniß ich nicht nur nicht benützte, sondern ich nahm mir
sogar die Freiheit heraus, in ihre linke Herzensband meine Herzensem-
pfindungen mittelst eines bedeutenden Druckes zur gefälligen Beachtung
niederzulegen, während ich ihre rechte mit verschiedenen heißen Küs¬
sen zu unterhalten mich bemühte. -- Sie sind ein loser Vogel, sagte
sie, indem sie ein vorsichtiges Lächeln formirte, hinter welchem sich die¬
ses Mal der geheimnißvolle Zahnmangel wirklich versteckt hielt, --
wenn Sie nicht so geschickt wären, ich könnte Ihnen wegen Ihrer
Manieren zürnen. Wenn mein Pauli, so hieß der Hauptmann,
etwa bemerkte, daß ich so was von Ihnen dulde, dann wäre der
Teufel los; Sie müssen daher sehr vorsichtig sein, damit wir niemals
von ihm überrascht werden. Heute macht es gerade Nichts, denn er
ist mit dem Herrn Major fortgegangen und ich bin ganz allein zu
Hause; wir können daher schon eine Weile beisammen ungenirt zubringen,
wenn Sie mir versprechen, nicht schlimm zu sein. Ich versprach Al¬
les. -- Sie zeigte mir nachher alle Briefe von ihrem ersten Liebha¬
ber bis zum Pauli!selbst; sie zeigte mir ihr Silberservice und eine
Silbermedaille, die ihr erster verstorbener Mann als Fuhrwcsenskor-
poral wegen einer Bravour erhalten hatte, mit einem Worte, sie zeigte
mir Alles, was sie! Sehenswürdiges hatte, oder woran sich an¬
genehme Erinnerungen aus der Vergangenheit knüpfen ließen. Jenen
vertrauten Stunden verdanke ich die interessanten Charakterschilder¬
ungen des wichtigen Personals, welches umer dem Commando Pau-
li's stand. Es befand sich nämlich bei diesem Posto ein lediger Ober-
lieutenant, der seit vielen Jahren mit einem Frauenzimmer wie ver-
heirathet lebte, aber trotz dieses Zusammenlebens ein sittliches Erem-
pel statuirte, -- sie hatten nämlich keine Kinder u. s. w. u. s. w.




kaufen, und ich war so glücklich, ihrem Vertrauen vollkommen zu
entsprechen. Im September sind die Eier überall schon etwas theu¬
rer, in jenem Lande -sind sie es aber das ganze Jahr; was Wunder
daher, wenn ich alle fünfhundert Stück zu Zweien um einen Gro¬
schen in einer halben Stunde angebracht hatte. Als ich der Frau
Postocommandantin den gelösten Betrag von zwölf Gulden dreißig
Kreuzer C,-M. übergab, war ihre Freude so groß, daß sie mir in
der Zerstreuung alle zwei Hände auf einmal zum Küssen reichte,
welche Befugniß ich nicht nur nicht benützte, sondern ich nahm mir
sogar die Freiheit heraus, in ihre linke Herzensband meine Herzensem-
pfindungen mittelst eines bedeutenden Druckes zur gefälligen Beachtung
niederzulegen, während ich ihre rechte mit verschiedenen heißen Küs¬
sen zu unterhalten mich bemühte. — Sie sind ein loser Vogel, sagte
sie, indem sie ein vorsichtiges Lächeln formirte, hinter welchem sich die¬
ses Mal der geheimnißvolle Zahnmangel wirklich versteckt hielt, —
wenn Sie nicht so geschickt wären, ich könnte Ihnen wegen Ihrer
Manieren zürnen. Wenn mein Pauli, so hieß der Hauptmann,
etwa bemerkte, daß ich so was von Ihnen dulde, dann wäre der
Teufel los; Sie müssen daher sehr vorsichtig sein, damit wir niemals
von ihm überrascht werden. Heute macht es gerade Nichts, denn er
ist mit dem Herrn Major fortgegangen und ich bin ganz allein zu
Hause; wir können daher schon eine Weile beisammen ungenirt zubringen,
wenn Sie mir versprechen, nicht schlimm zu sein. Ich versprach Al¬
les. — Sie zeigte mir nachher alle Briefe von ihrem ersten Liebha¬
ber bis zum Pauli!selbst; sie zeigte mir ihr Silberservice und eine
Silbermedaille, die ihr erster verstorbener Mann als Fuhrwcsenskor-
poral wegen einer Bravour erhalten hatte, mit einem Worte, sie zeigte
mir Alles, was sie! Sehenswürdiges hatte, oder woran sich an¬
genehme Erinnerungen aus der Vergangenheit knüpfen ließen. Jenen
vertrauten Stunden verdanke ich die interessanten Charakterschilder¬
ungen des wichtigen Personals, welches umer dem Commando Pau-
li's stand. Es befand sich nämlich bei diesem Posto ein lediger Ober-
lieutenant, der seit vielen Jahren mit einem Frauenzimmer wie ver-
heirathet lebte, aber trotz dieses Zusammenlebens ein sittliches Erem-
pel statuirte, — sie hatten nämlich keine Kinder u. s. w. u. s. w.




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[0509] kaufen, und ich war so glücklich, ihrem Vertrauen vollkommen zu entsprechen. Im September sind die Eier überall schon etwas theu¬ rer, in jenem Lande -sind sie es aber das ganze Jahr; was Wunder daher, wenn ich alle fünfhundert Stück zu Zweien um einen Gro¬ schen in einer halben Stunde angebracht hatte. Als ich der Frau Postocommandantin den gelösten Betrag von zwölf Gulden dreißig Kreuzer C,-M. übergab, war ihre Freude so groß, daß sie mir in der Zerstreuung alle zwei Hände auf einmal zum Küssen reichte, welche Befugniß ich nicht nur nicht benützte, sondern ich nahm mir sogar die Freiheit heraus, in ihre linke Herzensband meine Herzensem- pfindungen mittelst eines bedeutenden Druckes zur gefälligen Beachtung niederzulegen, während ich ihre rechte mit verschiedenen heißen Küs¬ sen zu unterhalten mich bemühte. — Sie sind ein loser Vogel, sagte sie, indem sie ein vorsichtiges Lächeln formirte, hinter welchem sich die¬ ses Mal der geheimnißvolle Zahnmangel wirklich versteckt hielt, — wenn Sie nicht so geschickt wären, ich könnte Ihnen wegen Ihrer Manieren zürnen. Wenn mein Pauli, so hieß der Hauptmann, etwa bemerkte, daß ich so was von Ihnen dulde, dann wäre der Teufel los; Sie müssen daher sehr vorsichtig sein, damit wir niemals von ihm überrascht werden. Heute macht es gerade Nichts, denn er ist mit dem Herrn Major fortgegangen und ich bin ganz allein zu Hause; wir können daher schon eine Weile beisammen ungenirt zubringen, wenn Sie mir versprechen, nicht schlimm zu sein. Ich versprach Al¬ les. — Sie zeigte mir nachher alle Briefe von ihrem ersten Liebha¬ ber bis zum Pauli!selbst; sie zeigte mir ihr Silberservice und eine Silbermedaille, die ihr erster verstorbener Mann als Fuhrwcsenskor- poral wegen einer Bravour erhalten hatte, mit einem Worte, sie zeigte mir Alles, was sie! Sehenswürdiges hatte, oder woran sich an¬ genehme Erinnerungen aus der Vergangenheit knüpfen ließen. Jenen vertrauten Stunden verdanke ich die interessanten Charakterschilder¬ ungen des wichtigen Personals, welches umer dem Commando Pau- li's stand. Es befand sich nämlich bei diesem Posto ein lediger Ober- lieutenant, der seit vielen Jahren mit einem Frauenzimmer wie ver- heirathet lebte, aber trotz dieses Zusammenlebens ein sittliches Erem- pel statuirte, — sie hatten nämlich keine Kinder u. s. w. u. s. w.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/509>, abgerufen am 23.07.2024.