Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.Jahre, ohne daß man geradezu sagen konnte, daß sie gealtert war. Jahre, ohne daß man geradezu sagen konnte, daß sie gealtert war. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0508" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181067"/> <p xml:id="ID_1192" prev="#ID_1191" next="#ID_1193"> Jahre, ohne daß man geradezu sagen konnte, daß sie gealtert war.<lb/> Man konnte sagen, sie wäre gerade zeitig, und daher war sie mit<lb/> einer Kaiserbirne zu vergleichen, die am Baume von ihrer ursprüng¬<lb/> lichen grünen Farbe in's Gelbe übergeht und sodann den Reifpunkt<lb/> erreicht, in welchem selbe gepflückt wird, damit sie. nicht eigenmächtig<lb/> vom Baume herabfallen möchte. Sie war trotz ihrer Wohlbeleibt¬<lb/> heit sehr gut gestaltet, weder zu fett, noch zu mager, weder zu groß,<lb/> noch zu klein, hochbustg und mir einem so üppigen Gesäße ausge¬<lb/> stattet, daß man ihr sehr gerne verzieh, wenn sie damit aus weibli¬<lb/> cher Eitelkeit zuweilen coquettirte. Ihr rundes Gesicht hatte noch<lb/> kein Gram gefurcht, und ihre Nase, die sich in ein pfiffiges Spitzchen<lb/> endete, war durch den Gebrauch des Schnupftabaks, den sie sich dem<lb/> Herrn Gemahl zu lieb angewöhnt hatte, noch nicht aus ihren Fugen<lb/> gewichen. In ihren kohlschwarzen Augen lag ein verborgenes Feuer,<lb/> pas man nur anzublasen brauchte, um die hochrothe Flamme daraus<lb/> leuchten zu sehen. Ihre schmalen Augenbrauen und die übrigen<lb/> Haare waren pechschwarz und von einer bewunderungswürdigen Dicht¬<lb/> heit und Länge. Ihr Mund mag wohl früher viel kleiner gewesen<lb/> sein; allein durch den langjährigen häufigen Gebrauch war derselbe<lb/> etwas ausgedehnt, und dieses war die Ursache, daß sie bei dem vor¬<lb/> sichtigsten Lächeln nicht ganz den Abgang einiger Zähne verschweigen<lb/> konnte. Ihre beiden Füße waren reizend schmal und nach meiner<lb/> Meinung ein Bischen zu lang, aber selbst wenn diese Länge ein<lb/> Mangel gewesen wäre, so mußte man ihn mi,r toi-ve vergessen, wenn<lb/> das Auge von Ungefähr durch eine plötzliche Neigung des Körpers von<lb/> dem Anblick einer im blühendweißen Strümpfchen eingezwängten üppi¬<lb/> gen, runden, luftathmenden Wade überrascht wurde, die sich von ihrer ver¬<lb/> schwenderischen Fülle zum Knöchel hinab in einer zunehmenden<lb/> Schlankheit Kr-tckuiin verlief. Ihre fleischigen Theile waren in<lb/> ihrer jugendlichen Festigkeit erhalten. — Ihre beiden Händ¬<lb/> chen waren so weiß und klein, daß, wenn man nicht selbe küssen<lb/> konnte, man unwillkürlich wünschen mußte, wenigstens eine Ohrfeige<lb/> damit zu bekommen. Nebst diesen körperlichen Reizen besaß diese<lb/> Dame baare zweitausend Gulden, welche sie nebst fünfhundert Eiern<lb/> blos von der kleinen Wirthschaft während ihrer Anstellung als Posto-<lb/> Commandantin erspart hatte. Diese fünfhundert Eier mußte ich ihr<lb/> als ein Unbekannter während unserer Ruhezeit auf dem Markte ver-</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0508]
Jahre, ohne daß man geradezu sagen konnte, daß sie gealtert war.
Man konnte sagen, sie wäre gerade zeitig, und daher war sie mit
einer Kaiserbirne zu vergleichen, die am Baume von ihrer ursprüng¬
lichen grünen Farbe in's Gelbe übergeht und sodann den Reifpunkt
erreicht, in welchem selbe gepflückt wird, damit sie. nicht eigenmächtig
vom Baume herabfallen möchte. Sie war trotz ihrer Wohlbeleibt¬
heit sehr gut gestaltet, weder zu fett, noch zu mager, weder zu groß,
noch zu klein, hochbustg und mir einem so üppigen Gesäße ausge¬
stattet, daß man ihr sehr gerne verzieh, wenn sie damit aus weibli¬
cher Eitelkeit zuweilen coquettirte. Ihr rundes Gesicht hatte noch
kein Gram gefurcht, und ihre Nase, die sich in ein pfiffiges Spitzchen
endete, war durch den Gebrauch des Schnupftabaks, den sie sich dem
Herrn Gemahl zu lieb angewöhnt hatte, noch nicht aus ihren Fugen
gewichen. In ihren kohlschwarzen Augen lag ein verborgenes Feuer,
pas man nur anzublasen brauchte, um die hochrothe Flamme daraus
leuchten zu sehen. Ihre schmalen Augenbrauen und die übrigen
Haare waren pechschwarz und von einer bewunderungswürdigen Dicht¬
heit und Länge. Ihr Mund mag wohl früher viel kleiner gewesen
sein; allein durch den langjährigen häufigen Gebrauch war derselbe
etwas ausgedehnt, und dieses war die Ursache, daß sie bei dem vor¬
sichtigsten Lächeln nicht ganz den Abgang einiger Zähne verschweigen
konnte. Ihre beiden Füße waren reizend schmal und nach meiner
Meinung ein Bischen zu lang, aber selbst wenn diese Länge ein
Mangel gewesen wäre, so mußte man ihn mi,r toi-ve vergessen, wenn
das Auge von Ungefähr durch eine plötzliche Neigung des Körpers von
dem Anblick einer im blühendweißen Strümpfchen eingezwängten üppi¬
gen, runden, luftathmenden Wade überrascht wurde, die sich von ihrer ver¬
schwenderischen Fülle zum Knöchel hinab in einer zunehmenden
Schlankheit Kr-tckuiin verlief. Ihre fleischigen Theile waren in
ihrer jugendlichen Festigkeit erhalten. — Ihre beiden Händ¬
chen waren so weiß und klein, daß, wenn man nicht selbe küssen
konnte, man unwillkürlich wünschen mußte, wenigstens eine Ohrfeige
damit zu bekommen. Nebst diesen körperlichen Reizen besaß diese
Dame baare zweitausend Gulden, welche sie nebst fünfhundert Eiern
blos von der kleinen Wirthschaft während ihrer Anstellung als Posto-
Commandantin erspart hatte. Diese fünfhundert Eier mußte ich ihr
als ein Unbekannter während unserer Ruhezeit auf dem Markte ver-
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