Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.Fenstervorhänge waren von dem Unterfutter, welches die Feuerwerker Fenstervorhänge waren von dem Unterfutter, welches die Feuerwerker <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0506" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181065"/> <p xml:id="ID_1188" prev="#ID_1187" next="#ID_1189"> Fenstervorhänge waren von dem Unterfutter, welches die Feuerwerker<lb/> und Mimitionäre zu ihren langen Röcken ans der Montur-Oekono-<lb/> miecommission abfassen müssen, jedoch wegen grober Qualität<lb/> und der blaurothen statt hellrothen Farbe nicht als Futter ver¬<lb/> wenden dürfen, und gaben dem Zimmer, wenn die Sonnenstrah¬<lb/> len selbe beleuchteten, ein schauerlich feierliches Ansehen, und so oft<lb/> ich selbes betrat, erbebte mein Herz von einer Bangigkeit, die sich in<lb/> eine schuldige Ehrfurcht vor meinem Herrn auflöste. Dieses wahr¬<lb/> haft feenhafte Zimmer bewohnte der visitircndc Commandant volle<lb/> vier Wochen, und es hieß bei unserer Abreise, daß es zur Erinne¬<lb/> rung an dieses Ereigniß ein ganzes Jahr, nämlich bis zur Mistigen<lb/> Visitation in jenem Zustande unverrückt verbleiben sollte. Ich ward<lb/> unter der gemeinen Mannschaft einquartirt; da ich aber einen inte-<lb/> gxirenden Theil der Visitationscommission ausmachte und bei Tische<lb/> jederzeit assisttren mußte, so wurde ich während unserer Postenberei-<lb/> sung unmittelbar mit der Kost der Postocommandanten gespeist, und<lb/> hier insbesondere, nachdem ich die Gunst der Frau Postocommandan-<lb/> tin gewonnen hatte, wurde ich wahrhaft königlich gefüttert. Schon<lb/> den ersten Tag wurde mir in der Küche ein wahres Göttermahl<lb/> servirt und hierzu eine Vouteille Wein vorgesetzt, der von der eigenen<lb/> Fechsung des Postocommandanten gewonnen und auf deutsche Art<lb/> gepreßt wurde. Aus diesen Umständen schloß ich gleich, daß wir<lb/> hier lange, lange Zeit würden visitiren müssen, denn ich kannte be¬<lb/> reits meinen Herrn und wußte, daß er gern erschöpfend war. Als ich<lb/> ihm den folgenden Tag die geputzten Stiefel und gesäuberten Kiel«<lb/> dungsstücke überbrachte, lag er noch in dem Brautbette der Frau<lb/> Postocommandantin. Er sah nüchtern-betrunken aus, und seine Au¬<lb/> gen schienen während der Nacht viel kleiner geworden zu sein. Mit<lb/> diesen verkleinerten Augen sah er mich eine Weile nachdenkend an,<lb/> und nachdem er einige Male recht anmuthig gegähnt und ich theils<lb/> aus Sympathie, theils aus Schuldigkeit als Mitvisitirender sein<lb/> Gähnen, so gut als ein armer und dummer Gemeiner kann,<lb/> nachgeahmt hatte, sagte mein Herr mit einem unbeschreiblichen Ge¬<lb/> fühle : Mir scheint's, hier werden wir sehr lange zu thun haben. Ich<lb/> antwortete ihm in der Zerstreuung, weil ich eben an den vortreffli¬<lb/> chen Wein des Herrn Postocommandanten dachte: Ja wohl, Ew.<lb/> Gnaden, wir werden hier sehr lange zu thun haben, — die Frau</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0506]
Fenstervorhänge waren von dem Unterfutter, welches die Feuerwerker
und Mimitionäre zu ihren langen Röcken ans der Montur-Oekono-
miecommission abfassen müssen, jedoch wegen grober Qualität
und der blaurothen statt hellrothen Farbe nicht als Futter ver¬
wenden dürfen, und gaben dem Zimmer, wenn die Sonnenstrah¬
len selbe beleuchteten, ein schauerlich feierliches Ansehen, und so oft
ich selbes betrat, erbebte mein Herz von einer Bangigkeit, die sich in
eine schuldige Ehrfurcht vor meinem Herrn auflöste. Dieses wahr¬
haft feenhafte Zimmer bewohnte der visitircndc Commandant volle
vier Wochen, und es hieß bei unserer Abreise, daß es zur Erinne¬
rung an dieses Ereigniß ein ganzes Jahr, nämlich bis zur Mistigen
Visitation in jenem Zustande unverrückt verbleiben sollte. Ich ward
unter der gemeinen Mannschaft einquartirt; da ich aber einen inte-
gxirenden Theil der Visitationscommission ausmachte und bei Tische
jederzeit assisttren mußte, so wurde ich während unserer Postenberei-
sung unmittelbar mit der Kost der Postocommandanten gespeist, und
hier insbesondere, nachdem ich die Gunst der Frau Postocommandan-
tin gewonnen hatte, wurde ich wahrhaft königlich gefüttert. Schon
den ersten Tag wurde mir in der Küche ein wahres Göttermahl
servirt und hierzu eine Vouteille Wein vorgesetzt, der von der eigenen
Fechsung des Postocommandanten gewonnen und auf deutsche Art
gepreßt wurde. Aus diesen Umständen schloß ich gleich, daß wir
hier lange, lange Zeit würden visitiren müssen, denn ich kannte be¬
reits meinen Herrn und wußte, daß er gern erschöpfend war. Als ich
ihm den folgenden Tag die geputzten Stiefel und gesäuberten Kiel«
dungsstücke überbrachte, lag er noch in dem Brautbette der Frau
Postocommandantin. Er sah nüchtern-betrunken aus, und seine Au¬
gen schienen während der Nacht viel kleiner geworden zu sein. Mit
diesen verkleinerten Augen sah er mich eine Weile nachdenkend an,
und nachdem er einige Male recht anmuthig gegähnt und ich theils
aus Sympathie, theils aus Schuldigkeit als Mitvisitirender sein
Gähnen, so gut als ein armer und dummer Gemeiner kann,
nachgeahmt hatte, sagte mein Herr mit einem unbeschreiblichen Ge¬
fühle : Mir scheint's, hier werden wir sehr lange zu thun haben. Ich
antwortete ihm in der Zerstreuung, weil ich eben an den vortreffli¬
chen Wein des Herrn Postocommandanten dachte: Ja wohl, Ew.
Gnaden, wir werden hier sehr lange zu thun haben, — die Frau
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