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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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immer wieder Platt auf den Bauch zurückfallenden Menge Flügel zu
verleihen! Natürlich; denn ihrer ist das irrische Element, nicht daS
himmlische, und das Fett des Bauches, dem sie unterthänig sind,
zieht sie nieder. Es fragt sich nun, ist Preußen weiter hinter seinen
historischen Vorder- und Vorsätzen und den Tendenzen seiner Fürsten
zurückgeblieben, oder Baiern?

Was jedoch Marimilian Joseph III. für die geistige Entwicke¬
lung Baierns gethan hat, ist der Nachwelt unverloren geblieben, na¬
mentlich gehört hierher die Stiftung der Akademie der Wissenschaften
im Jahr 1759, und eS ließen sich Wunderdinge über den Widerstand
berichten, den die Gründer und ersten Mitglieder dieser Akademie,
gegen welche z. B. eine Schmähschrift "die bairischen Hicseln in ihrem
Frosch- und Nattentnege" erschien, bei einer großen Partei fanden,
welche die Wissenschaft als ein ihre Macht gefährdendes Mittel der
Aufklärung betrachtete. Die eben erwähnte Schmäh- und Schinach¬
schrift nannte jene Männer "Schurken", denn sie wünschten offenbar
Toleranz. Nur das ausdrückliche Patronat des entschlossenen Chur¬
fürsten sicherte die Enstenz und das Gedeihen der jungen Stiftung.
Leider haben die edleren Geister Baierns bis auf die heutige Zeit
das Unglück, wenig vom deutschen Auslande gekannt und anerkannt
zu sein, wie die eigentlichen Stifter der Akademie: von Lori, wel¬
cher auch zuerst den Gedanken zu einer stehenden Schauspielertruppe
hier anregte, Limburger, Lipowöky, Graf Tvrring u. A.
oder später der noch jetzt hochgeachtete, im Anfang seiner Laufbahn
viel verfolgte Patriot Westenrieder, welcher freilich seiner späteren
Ansichten wegen sich gleichen Verfolgungen wohl nicht mehr ausge¬
setzt gesehen hätte. Der König Maximilian" Joseph I. faßte, durch
die Kriegsläufe begünstigt, die inzwischen wieder aufgegebenen frei¬
sinnigen Tendenzen seines Vorgängers, des Churfürsten Maximilian III.
bekanntlich mit noch größerer Energie wieder auf. Streng und be¬
fehlend lauteten die Toleranzverordnungen dieses Regenten, unter dem
zuerst eine protestantische und israelitische Gemeinde sich bildeten, denen
die Huld des jetzt regierenden Königs neue und stattliche Gottes¬
häuser gewährte.

Noch leben viele jener ernst gemüthvollen, hochverständigen Män¬
ner aus früherer Zeit, während die jüngere Generation unwillkürlich


immer wieder Platt auf den Bauch zurückfallenden Menge Flügel zu
verleihen! Natürlich; denn ihrer ist das irrische Element, nicht daS
himmlische, und das Fett des Bauches, dem sie unterthänig sind,
zieht sie nieder. Es fragt sich nun, ist Preußen weiter hinter seinen
historischen Vorder- und Vorsätzen und den Tendenzen seiner Fürsten
zurückgeblieben, oder Baiern?

Was jedoch Marimilian Joseph III. für die geistige Entwicke¬
lung Baierns gethan hat, ist der Nachwelt unverloren geblieben, na¬
mentlich gehört hierher die Stiftung der Akademie der Wissenschaften
im Jahr 1759, und eS ließen sich Wunderdinge über den Widerstand
berichten, den die Gründer und ersten Mitglieder dieser Akademie,
gegen welche z. B. eine Schmähschrift „die bairischen Hicseln in ihrem
Frosch- und Nattentnege" erschien, bei einer großen Partei fanden,
welche die Wissenschaft als ein ihre Macht gefährdendes Mittel der
Aufklärung betrachtete. Die eben erwähnte Schmäh- und Schinach¬
schrift nannte jene Männer „Schurken", denn sie wünschten offenbar
Toleranz. Nur das ausdrückliche Patronat des entschlossenen Chur¬
fürsten sicherte die Enstenz und das Gedeihen der jungen Stiftung.
Leider haben die edleren Geister Baierns bis auf die heutige Zeit
das Unglück, wenig vom deutschen Auslande gekannt und anerkannt
zu sein, wie die eigentlichen Stifter der Akademie: von Lori, wel¬
cher auch zuerst den Gedanken zu einer stehenden Schauspielertruppe
hier anregte, Limburger, Lipowöky, Graf Tvrring u. A.
oder später der noch jetzt hochgeachtete, im Anfang seiner Laufbahn
viel verfolgte Patriot Westenrieder, welcher freilich seiner späteren
Ansichten wegen sich gleichen Verfolgungen wohl nicht mehr ausge¬
setzt gesehen hätte. Der König Maximilian" Joseph I. faßte, durch
die Kriegsläufe begünstigt, die inzwischen wieder aufgegebenen frei¬
sinnigen Tendenzen seines Vorgängers, des Churfürsten Maximilian III.
bekanntlich mit noch größerer Energie wieder auf. Streng und be¬
fehlend lauteten die Toleranzverordnungen dieses Regenten, unter dem
zuerst eine protestantische und israelitische Gemeinde sich bildeten, denen
die Huld des jetzt regierenden Königs neue und stattliche Gottes¬
häuser gewährte.

Noch leben viele jener ernst gemüthvollen, hochverständigen Män¬
ner aus früherer Zeit, während die jüngere Generation unwillkürlich


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[0498] immer wieder Platt auf den Bauch zurückfallenden Menge Flügel zu verleihen! Natürlich; denn ihrer ist das irrische Element, nicht daS himmlische, und das Fett des Bauches, dem sie unterthänig sind, zieht sie nieder. Es fragt sich nun, ist Preußen weiter hinter seinen historischen Vorder- und Vorsätzen und den Tendenzen seiner Fürsten zurückgeblieben, oder Baiern? Was jedoch Marimilian Joseph III. für die geistige Entwicke¬ lung Baierns gethan hat, ist der Nachwelt unverloren geblieben, na¬ mentlich gehört hierher die Stiftung der Akademie der Wissenschaften im Jahr 1759, und eS ließen sich Wunderdinge über den Widerstand berichten, den die Gründer und ersten Mitglieder dieser Akademie, gegen welche z. B. eine Schmähschrift „die bairischen Hicseln in ihrem Frosch- und Nattentnege" erschien, bei einer großen Partei fanden, welche die Wissenschaft als ein ihre Macht gefährdendes Mittel der Aufklärung betrachtete. Die eben erwähnte Schmäh- und Schinach¬ schrift nannte jene Männer „Schurken", denn sie wünschten offenbar Toleranz. Nur das ausdrückliche Patronat des entschlossenen Chur¬ fürsten sicherte die Enstenz und das Gedeihen der jungen Stiftung. Leider haben die edleren Geister Baierns bis auf die heutige Zeit das Unglück, wenig vom deutschen Auslande gekannt und anerkannt zu sein, wie die eigentlichen Stifter der Akademie: von Lori, wel¬ cher auch zuerst den Gedanken zu einer stehenden Schauspielertruppe hier anregte, Limburger, Lipowöky, Graf Tvrring u. A. oder später der noch jetzt hochgeachtete, im Anfang seiner Laufbahn viel verfolgte Patriot Westenrieder, welcher freilich seiner späteren Ansichten wegen sich gleichen Verfolgungen wohl nicht mehr ausge¬ setzt gesehen hätte. Der König Maximilian" Joseph I. faßte, durch die Kriegsläufe begünstigt, die inzwischen wieder aufgegebenen frei¬ sinnigen Tendenzen seines Vorgängers, des Churfürsten Maximilian III. bekanntlich mit noch größerer Energie wieder auf. Streng und be¬ fehlend lauteten die Toleranzverordnungen dieses Regenten, unter dem zuerst eine protestantische und israelitische Gemeinde sich bildeten, denen die Huld des jetzt regierenden Königs neue und stattliche Gottes¬ häuser gewährte. Noch leben viele jener ernst gemüthvollen, hochverständigen Män¬ ner aus früherer Zeit, während die jüngere Generation unwillkürlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/498>, abgerufen am 23.07.2024.